Musik an sich


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Zwei Sieger auf einer Bühne – HEAVEN AND HELL und TIM „RIPPER“ OWENS spielen AXEL RUDI PELL in die Bedeutungslosigkeit




Info
Künstler: Heaven and Hell

Zeit: 06.09.2009

Ort: Zitadelle Spandau

Veranstalter: Concertbüro Zahlmann

Fotograf: Norbert von Fransecky

Internet:
http://www.timripperowens.com
http://www.axel-rudi-pell.de
http://www.heavenandhelllive.com

Der Ripper erzählt dem Himmel, was Sache ist.

Klassischer Hard Rock und Heavy Metal standen am 9. Juni auf der Speisekarte der Spandauer Zitadelle – ein ungewöhnlicher Termin für das Citadel Festival, das im Normalfall an den Freitag- und Samstag-Abenden stattfindet. Aber da in der Zitadelle der Hammer pünktlich um 22 Uhr fällt, war auch der Dienstag für die arbeitende Bevölkerung halbwegs akzeptabel. Und so war die mittelalterliche Festung gut gefüllt, als um 19 Uhr die ersten Riffs in die Menge gepeitscht wurden. Der Opener erfüllt seine Aufgabe souverän: Der „Ripper“ blies die Wolken, die drohend am Berliner Himmel standen, endgültig hinweg. Nach einer halben Stunde Lärm durfte man sich am blauem Himmel und den Strahlen der untergehenden Sonne erfreuen.

Auf der Bühne war an diesem Abend eine Menge Judas Priest, Rainbow und Black Sabbath zu sehen und zu hören, und obwohl nur eine der drei genannten Bands wirklich am Start war und keiner der drei Bandnamen auf den Plakaten stand, waren irgendwie alle drei anwesend.
Den Anfang machte mit Tim „Ripper“ Owens der Interims-Sänger von Judas Priest. Es folgte das Rainbow-Double Axel Rudi Pell und als Headliner die Black Sabbath-Inkarnation mit Ronnie James Dio unter dem Namen Heaven and Hell.

„Ripper“ Owens startete von 0 auf 100 in zwei Sekunden und zeigte sich in einer Form, in der er den Stammsänger seiner zeitweiligen Brötchengeber mit einem Grinsen an die Wand singt. Denn zu der aggressiven Power in der Stimme kommt bei ihm gelegentlich noch eine gute Portion Magie, die ihn zum Beispiel bei „Starting over“, dem Opener seines Debüt-Albums, fast wie Sangesgott Dio klingen lässt.
Headbanger Comprix (links) mit seinem Chef und Bass-Mann Ellefson (Ex-Megadeth, Ex-Soulfly)

Und auch wenn die Publikumsresonanz etwas anderes sagte und brav der Ordnung des Programms gehorchte, lieferte der Ripper die eindeutig beste Performance des Abends ab. Seine Live-Band, die angesichts der ständig wechselnden Besetzung auf dem Album, wohl eher Projekt-Charakter hat, wirkte hochmotiviert und hungrig. Gitarrist John Comprix (Ringworm, Beyond Fear) schüttelt von Start an headbangend seine Matte über die Bühne und rückte somit das Hiphop-Outfit seines mit Basecap antretenden Chefs metallisch gerade. Der lieferte dafür mit einigen „It’s fucking Heavy Metal tonight“-Rufen die einzigen Hinweise auf die „anstößige“ Qualität, die das Genre eigentlich vor sich her trägt. Davon war bei den freundlichen (Iommi) oder fast schüchtern wirkenden Herren (Pell) auf der Bühne sonst nichts zu spüren – passend übrigens zum Publikum, das – abgesehen von den Kutten und Leibchen, die sämtliche Metalklassiker von AC/DC und Led Zep über Maiden bis hin zu Dimmu Borgir hoch leben ließen – eher ein Verhalten zwischen Kleingarten und dreißigjährigem Klassentreffen an den Tag legte.
Besetzung: Tim “Ripper” Owens
Tim Owens (Voc)
Simon Wright (Dr)
David Ellefson(B)
Chris Caffery (Git)
John Comprix (Git)
Der Sound war so lala. Stimme und Gitarrensoli standen prima und klar im Raum. Insbesondere die Rhythmusgitarre ging aber häufig im massiv in den Vordergrund gemischten Drumsound unter.
Dem Ripper war’s egal. Er präsentiert eine halbstündige Mischung von eigenem und Priest-Material, verabschiedete sich mit dem „Green Manalishi“ und hatte am Ende im Vergleich zu den beiden folgenden Kapellen wohl mindestens die doppelte Durchschnittsgeschwindigkeit an den Tag gelegt. Dass das Publikum sich ohne jeden Zugabenruf sofort nach dem letzten Akkord abwandte, hatten Owens und sein Haufen wahrlich nicht verdient.

Ferdy Doernberg spielt Luftgitarre mit allem, was Tasten hat.

Axel Rudi Pell hat aus seiner fast abgöttischen Verehrung von Ritchie Blackmore noch nie einen Hehl gemacht. Und er knüpft eben nicht an dessen frühen Jahren bei Deep Purple, sondern an den 80er Jahren von Rainbow an und sorgt für soliden Ersatz, solange(?) das Vorbild zumindest als Hard Rocker nicht (mehr) zur Verfügung steht.

Aktivposten seiner Band waren Johnny Gioeli, der wie eine angestochene Sau vom einen Ende der Bühne zur anderen tobte und Ferdy Doernberg, der mit seinen Keyboards mehr Exzess machte, als Pell selber, bei dem man manchmal den Eindruck hatte, er würde sich lieber verstecken, als auf der offenen Bühne zu spielen. Was nichts daran änderte, dass er ausgiebig traumhafte Gitarren-Leads in die Atmosphäre schickte. Doernberg dagegen riss seine Keyboards vom Ständer um mit ihnen, grinsend wie Shreek, am Rande der Bühne herum zu toben und stahl dabei sogar dem im Hintergrund sein Schlagzeug vermöbelnden „Tier“ Mike Terrana die Show.
Besetzung: Axel Rudi Pell
Johnny Gioeli (Voc)
Axel Rudi Pell (Git)
Ferdy Doernberg (Keys)
Volker Krawczak (B)
Mike Terrana (Dr, Perc)
Nach einem furiosen Start mit „Tear down the Walls“, einem weiteren Song und einem ausgiebig zelebrierten „Strong as a Rock“ trieb der Wattenscheider leider völlig in den bombastischen Midtempo-Sound seiner Epen wie „Masquerade Ball“, „Kasbah“ und „Mystica“ ab. Die sind, jede für sich gesehen, zwar grandios, in ihrer massiven Ballung zogen sie der Durchschlagskraft des Auftritts aber leider eine ganze Menge Zähne - ähnlich wie auf der aktuellen Best of von Pell. Die Zeit hätte ich im Nachhinein lieber dem Ripper zugeschlagen.

Konzentriert in einer anderen Welt - Heaven and Hell-Chef Tony Iommi

Last not least: Heaven and Hell, die Original-Besetzung von Black Sabbath aus den Dehumanizer- (1992) und Mob rules-Tagen (1981). Tony Iommi verzichtet aber darauf den alten Namen zu tragen, da Madman Ozzy mit ihm ja immer mal wieder durchzustarten versucht. Konsequent konzentrieren sich Heaven and Hell, die gerade ein Debüt unter diesem Namen veröffentlicht haben, auf Material von eben diesem und den beiden bereits genannten Alben, sowie der legendären 1980er Veröffentlichung Heaven and Hell, die der Band den Namen gab, bei der statt Vinny Appice aber noch Bill Ward am Start war.
Besetzung: Heaven and Hell
Ronnie James Dio (Voc)
Tony Iommi (Git)
Geezer Butler (B)
Vinny Appice (Dr)
Für das Berliner Konzert wurde das von der Doppel-CD Live from Radio City Music Hall bekannte zweistündige Programm halbiert und um drei Stücke des aktuellen Werks ergänzt. Als einziger alter Titel, der nicht auf dem Doppelalbum zu hören war, wurde in Spandau das Dehumanizer-Stück „Time Machine“ gespielt.

Mit eigenen Stücken wie „Mob rules“, „Children of the Sea”, „Die young”, „Heaven and Hell” und der Zugabe „Neon Knights” kann eine Band eigentlich gar nicht untergehen. Und das haben Heaven and Hell natürlich auch nicht getan, selbst wenn es Längen im Programm gab. So wurde das grandiose „Heaven and Hell” mit recht emotionslosen Soli, die das Stück am Ende in die Unendlichkeit dehnten, in die Belanglosigkeit zergniedelt. Und das Drum-Solo von Vinny Appice wurde eher wie eine Pflichtübung runter gespielt und war zumindest dafür eindeutig zu lang.

Kommunikator mit Ganzköpereinsatz – Der kleine Stimmriese Ronnie James Dio lässt den Video Screen im wahrsten Sinn des Wortes zum Hintergrund werden.

Auch von Iommi und Butler, deren Spiel tight und tadellos war, sprang nie so recht der Funke über. Insbesondere Iommi spielte wie in seiner eigenen Welt vor sich hin. Zwar kam das Publikum angesichts der grandiosen Kompositionen auf seine Kosten – und es waren auch keinerlei Schwächen zu erkennen, die man nachsichtig mit dem Alter der Musiker hätte entschuldigen müssen.
Aber die „Abteilung Kommunikation“ lastete vollständig auf den Schultern von Ronnie James Dio – oder vielleicht wäre es besser zu formulieren: Dio lies sich von der Interaktion mit dem Publikum zu Höchstleistungen antreiben. Rein optisch hat er am meisten gelitten und wirkt in ruhigen Minuten, wie eine alte Tante. Aber ruhige Minuten gibt es ja kaum. Dio flirtet mit dem Publikum, schlägt es magisch in seinen Bann, zelebriert seinen Gesang mit großer Mimik und Gestik – ein geborener Entertainer. Who the Fuck is Ozzy??

Playlist: Heaven and Hell
Mob rules (Mob rules)
Children of the Sea (Heaven and Hell)
I (Dehumanizer)
Bible Black (The Devil you know)
Time Machine (Dehumanizer)
Drum Solo
Fear (The Devil you know)
Falling off the Edge of the World (Mob rules)
Follow the Tears (The Devil you know)
Die young (Heaven and Hell)
Heaven and Hell (Heaven and Hell)
Zugabe:
Neon Knights (Heaven and Hell)
Am Ende gehen zwei Sieger von der Bühne. Denn dem Ripper fehlen einfach die magischen Kompositionen (den Kultfaktor noch gar nicht mitgerechnet), um Heaven and Hell auf den zweiten Platz zu verweisen. In den Punkten Spielfreude, Engagement und Energie hätte er eindeutig ganz oben auf's Treppchen gehört.


Norbert von Fransecky



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