Musik an sich


Reviews
Lacorcia, S. (Van der Kamp)

Musica Vulcanica


Info
Musikrichtung: Madrigal

VÖ: 15.04.2006

Sony / Sony/BMG
CD (DDD 2003) / Best. Nr. 82876811832


Gesamtspielzeit: 71:52



CHROMATISCHE GLUT

Möge der Titel Musica Vulcanica keine falschen Erwartungen wecken: Hier geht es nicht um eruptive Programmmusik, bei der sich glühende Klangströme im oberen Dezibelbereich aus den Boxen ergießen.
Es handelt sich vielmehr um eine Sammlung von Stücken, die in Neapel, der berühmten Stadt am Fuße des Vesuv, im 17. Jahrhundert gedruckt worden sind. Mehrheitlich handelt es sich um Vokalmusik: fünfstimmige Madrigale, eine Gattung, die ihren Zenit damals schon überschritten hatte. Ende des 16. Jahrhundert bemühten sich einige Komponisten, ihr durch eine verfeinerte Harmonik neues, Leben einzuhauchen. ‚Regelwidrige’ Modulationen, wie man sie erst wieder im späten 19. Jahrhundert vernehmen sollte, kennzeichnen diese über die Maßen ausdrucksvolle Musik, die in den wagemutigsten harmonischen (und rhythmischen) Schattierungen leuchtet. So gesehen ist diese Musik tatsächlich vulkanisch: Unter der Oberfläche des altehrwürdigen Madrigals brodelt es gehörig.

Carlo Gesualdo, Fürst von Venosa, galt lange Zeit als Gralshüter dieser Kunst. Dass er aus Eifersucht zum Mörder an der eigenen Gattin und deren Liebhaber wurde und auch sonst nicht gerade ein ausgeglichener Charakter gewesen sein muss, ließ ihn für derlei Klangexperimente prädestiniert erscheinen. Er steuert auf dieser CD das Rahmenprogramm bei. Im Zentrum steht mit 14 Stücken jedoch Scipione Lacorcia (tätig ca. 1590-1620), über den weiter nichts bekannt ist. Sein Madrigali Libro III zeigt ihn allerdings auf der Höhe der chromatischen Kunstfertigkeit.
Unter der Leitung und Mitwirkung von Harry van der Kamp hat Lacorcias Musik im Gesualdo Consort Amsterdam absolut kompetente Sachwalter: Mit lichtem, schlackenlosen, aber niemals kühlem Ton folgen die fünf Sänger/innen den verschlungenen harmonischen Pfaden seiner Musik. Vorbildlich ist die Verbindung von deutlicher Textartikulation und geschmeidigem Vortrag. Diese Tugenden lassen auch die übrigen Kostbarkeiten auf dieser CD funkeln: Vier aufregende Madrigale von Ettore de la Marra und eines von Giovanni de Macque, die ebenfalls zur „vulkanischen Schule“ der Chromatiker gehören.
Als besondere Zugabe warten die Interpreten mit einem chromatischen Cembalo Universale auf, gebaut nach Plänen von Michael Praetorius. Durch eine Verdopplung der schwarzen Tasten können sämtliche Halbtöne in reiner Stimmung erklingen. Das Instrument glänzt solistisch und hin und wieder als Continuo-Stütze bei den Madrigalen.

Auch editorisch und technisch ist diese schöne Produktion tadellos gelungen.



Georg Henkel



Trackliste
Gesualdo:
Itene, o miei sospiri
Gagliarda del Principe
T'amo, mia vita!
Canzon francese del Principe

Lacorcia:
Io t'amo
Mentre picciolo ferro
Corri veloce
Sorge la vagh' aurora
O fra tanti sospir
Non è questa l'aurora
Stravagante pensiero
Langue Clori gentile
O miseria d'amanti
Ite amari sospiri
Ancidetemi cruda
Quanto god' il mio petto

Macque:
Conconanze stravaganti
Cantan gl'augelli

Marra:
Occhi un tempo
Misero che farò
Lasso mi parto
Parlo miser'ò taccio

Mayone:
Toccata quinta
Besetzung

Stephanie Petitlaurent, Nele Gramß: Sopran
Marnix de Cat: Altus
Marcel Beekman, Harry van Berne: Tenor
Harry van der Kamp: Bass & Ltg.
Alexander Weimann: Cembalo Universale


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