Musik an sich


Reviews
Händel, G. F. (Christie - McVicar)

Giulio Cesare in Egitto


Info
Musikrichtung: Barockoper

VÖ: 17.04.2006

Opus Arte / Naxos
3 DVD (AD 2005) / Best. Nr. OA 0950 D


Gesamtspielzeit: 305:00



STIMMIGE INSZENIERUNG, SÄNGERISCH DURCHWACHSEN AUF HOHEM NIVEAU

Nach den erfolgreichen und inzwischen schon ein wenig legendären Händel-Produktionen Theodora und Rodelinda (Rezension) widmete sich William Christie 2005 im südenglischen Glyndebourne nun der einst wie jetzt erfolgreichsten Oper des Wahlbriten: Giulio Cesare in Egitto. Das bewährte Orchestra of the Age of Enligthment folgt auch diesmal mit Gewinn Christies pointierten und sensiblen Dirigat und widerlegt, dass britische „Originalklang“-Ensembles zwar stets perfekt, aber nicht gerade sinnlich oder gar aufregend klingen. In der Tat gelingt es Christie wieder einmal, der Partitur mit seinem französisch geprägten Musikverständnis eine Fülle klangfarblicher Reize und rhythmischer Finessen zu entlocken.

Das Sängerensemble wartet mit interessanten Stimmen und zum Teil ausgezeichneten Leistungen auf, dennoch hat es mich nicht immer befriedigt: Sarah Connolly macht zwar als „Mann“ eine wirklich überzeugende Figur. Dennoch nimmt man ihr stimmlich den römischen Herrscher nicht so ganz ab, dafür klingt ihr Timbre – vokale Zauberkünste und Koloraturbrillanz hin oder her - doch zu feminin.
Kleopatra Danielle de Niese hat mich ebenfalls darstellerisch mehr denn stimmlich begeistert. Was für eine Ausstrahlung, was für Sexappeal! De Niese kann machen, was sie will: ob sie flirtet, klagt, tanzt oder einfach nur dasteht, man ist als Zuschauer einfach hingerissen. Kein Wunder, dass die erste DVD diesem Glyndourne-Debut noch ein 22minütiges Extra widmet! Stimmlich ist mir de Niese allerdings schon zu kernig und kompakt für diese Rolle. Ihr Vibrato ist zu stark, auch feine Melodielinien erscheinen gleichsam „im Fettdruck“. Da verbreitet die nicht unbedingt jugendlich klingende Barbara Schlick auf René Jacobs CD-Produktion von 1990 (harmonia mundi) tatsächlich mehr herzerwärmende Anmut.
Caesars Gegenspieler Tolomeo darf beim Altisten Christophe Dumeaux vor allem die hysterischen Seiten eines enfant terrible ausspielen bzw. –singen, dies freilich eindrücklich. Tolomeo zur Seite steht der Macho Achilla, der mit dem virilen Bass von Christopher Maltman die Muskeln spielen lässt. Partricia Bardon verleiht der leidgeprüften Cornelia das Profil einer großen Tragödin. Angelika Kirchschlagers aufrührerisch-bewegender Sesto ist sanglich ein großer Wurf, insgesamt die überzeugendste Leistung im ganzen Ensemble.

Regisseur David McVicar Regie ist werkgetreu in dem Sinne, dass er die Geschichte lediglich durch eine vorsichtige Modernisierung (man schreibt die Zeit des British Empire im 19. Jahrhundert, Cesar betritt als englischer Feldherr ägyptischen Boden) unserem Verständnis näher bringt. Er provoziert damit aber keine Brüche oder bürstet die Story gegen den Strich. Eine sorgfältige Choreographie sorgt dafür, dass die Personenkonstellationen und die sich aus politischen wie amourösen Verwicklungen ergebenden Konflikte keine Rätsel aufgeben. Alles entwickelt sich plausibel, mit Sinn für emotionale Zwischentöne und Händels feine Ironie. Doch anders als bei Theodora und Rodelinda entsteht nicht jene dramaturgische Sog, der die Oper für fast vier Stunden unter Spannung hält.



Georg Henkel



Trackliste
Extras: Fotogalerie; 22minütiges Porträt von Danielle de Niese; einstündige Dokumentation „Entertainment is not a dirty word“ von Ferenc van Damme

Besetzung

Sarah Connolly: Giulio Cesare
Angelika Kirchschlager: Sesto
Danielle de Niese: Kleopatra
Patricia Bardon: Cornelia
Christophe Dumeaux: Tolomeo
Christopher Maltman: Achilla
Rachid Ben Abdelsam: Nireno
Alexander Aschworth: Curio

Orchestra of the Age of Enlightment
Ltg. William Christie

David McVicar, Regie
Andrew George, Choreographie


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