Musik an sich


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(M)eine nicht ganz objektive UDO LINDENBERG Diskografie



Teil eins (m)einer nicht ganz objektiven Udo Lindenberg Diskografie.
Als Fan der erste(n) Stunde(n) wird man mir Objektivität auch nicht mehr abnehmen.
Wer jetzt aber erwartet, an dieser Stelle etwas über das Leben der Nachtigall zu erfahren, den muss ich enttäuschen. Ich weiß nun wirklich nichts über Udo Lindenberg, was nicht schon irgendwo von irgendwem geschrieben wurde. Persönlich ist er mir auch noch nicht begegnet. Hätte mich auch gewundert, wenn Udo plötzlich bei mir aufgetaucht wäre.

Und selbst wenn… Ich hätte mit ihm über Gott und die Welt geplaudert, aber nicht darüber, warum er was, wann, wo und wie gemacht hat - oder nicht. Da bin ich Ignorant und finde mein Leben viel bedeutender. Hier verweise ich auf die vielen sehr gut gemachten Fanseiten im Internet.

Ich möchte euch einfach die Musik Udo Lindenbergs etwas näher bringen.
Bei der Auswahl der vorgestellten Tonträger werde ich mich nur auf die LPs und CDs beschränken, die ich als Originale betrachte. Also keine Achterbahn Zusammenschnitte nach dem Motto: „Die schönsten Lieder, wo Udo vorne an der Bühne stand, Lieder, die Udo in der Wanne singt, Songs, die mit A beginnen“ etc. pp. Nur die fünfundfünfzig LPs und CDs, die in meinem Schrank stehen. Im Text beziehe ich mich in der Regel auf die CD Ausgaben.
Auch über die Qualität der Musik werde ich mich hier nicht auslassen. Das würde mich in die Ecke der Lächerlichkeit befördern. Musikalische Meisterwerke zu schaffen war wohl nie Lindenbergs Intention (obwohl ihm dies hier und da doch durchaus gelungen ist).



Mit dünnem Stimmchen besang ein gewisser Udo Lindenberg seine erste LP Lindenberg.
Natürlich auf Englisch. ...1971 musste ein Rocker englisch Singen...
So ziemlich das erste, was man also vom zukünftigen Superstar unter seinem eigenen Namen vernahm, waren die Worte „It is alright again“. Mit flotter Chorbegleitung erinnert dieser Song im Refrain fast ein wenig an Musik im Stile des guten alten Les Humphries. (Sorry Udo).
„We had our Time“, begleitet von Gitarrenklängen, lässt schon ein wenig ahnen, wie melancholisch der Meister sein kann, wenn es zu Thema passt. Die Experimentierfreudigkeit Lindenbergs schlägt sich anschließend im Titel „Paradise now“ nieder. Ein wenig Fernweh, unterstützt durch leicht indische Klänge, gefolgt von rockigen E-Gitarren und sphärischen Orgelklängen, sowie einer Stimme aus der synthetischen Ferne untermalen dieses Bild. Vergleiche mit dem viel später erscheinenden Gene Galaxo sind streckenweise nicht von der Hand zu weisen.

Mächtig galaktisch kommt dann auch der folgende Track „Stardance“ daher. Udos synthetisierte Stimme von „Far, far away“ begleitet von sauber gespielten Gitarren.
„We could be friends“ klingt schon sehr nach Udo Lindenberg. Der rockig, jazzige Sprechgesang macht ihn schon jetzt einwandfrei identifizierbar. So komponiert und singt nur einer.
Bei der Komposition des letzten Tracks der LP mit dem einprägsamen Titel: „The children of your children – won`t even know your name“ mussUdo beim Intro „In-A-Gadda-Da-Vida“ von Iron Butterfly im Kopf gehabt haben. Und wieder der udotypische Wechsel der Musikthemen innerhalb eines Stücks.
Echte Paniker würden an Lindenberg, so sie diese LP oder CD ergattern können, viel Freude haben.
Ein hoher Wiedererkennungswert im Vorhinein.


Ein Jahr später erscheint Daumen im Wind. Ab jetzt verstehe ich ihn. Udo singt deutsch!
Ein Bruch im Raum-Zeit-Kontinuum. Ab sofort tickt die deutsche Musikbranche anders.

Mit fernwehproduzierenden Mundharmonikaklängen nimmt uns Lindi als Anhalter mit an die Autobahn und lädt uns ein mitzutrampen. Gleichzeitig erzählt er dem Zuhörer, dass auch „Betty“ ihn in seinem Drang, die Welt zu erkunden, nicht bremsen kann.
Gut, dass diese Scheibe 1972 schon erschienen ist. Den Ausdruck „Urwaldneger“ (mit denen er gerne mal trommeln würde) würde sich Udo heute wohl kaum noch erlauben (dürfen).

„Eine bessere Welt kann er auch nicht zaubern, da muss man sich schon selbst drum kümmern...“ „Good life City“ kommt schon mit leichten politischen Ansätzen daher. Herrlich melancholisch bluesed und jazzt es, unterstützt durch die phantastische Posaune von Peter Herbolzheimer durch das „Meer der Träume“.
Hier taucht dann auch zum ersten Mal das Zauberwort „Titanic“ auf, welches, wie wir wissen, noch wegweisend werden wird.

„Biochemon“ hätte textlich sicher die Qualitäten gehabt zur Hymne der „Grünen“ zu werden. Die gab es damals aber eben noch nicht. Schade. Udo der Vordenker. Oder wer hat damals schon etwas von Retortenkindern gehört?

Übrigens: Krimifans kommen seit dieser Zeit sowieso nicht mehr an Lindi vorbei. Damals wurde die Titelmelodie von Tatort mit Udo Lindenberg am Schlagzeug aufgenommen.

Nummer fünf auf der LP Hoch im Norden ist der Klassiker schlechthin. „Keine Panik auf der Titanic“. Da ist er, der legendäre Satz, den heutzutage jedes Kind kennt. Und in meinen Ohren ist dies der Song, der den Musikstil Lindenbergs für die nächsten 30 Jahre repräsentiert. „In den dunklen tiefen Gängen der Vergangenheit“, na ja Schwamm drüber.

Die Nadel erreicht Spur Nummer sieben: „Die Kinder deiner Kinder“ won`t even know your name... Hatten wir schon. Nun auf Deutsch und kürzer. Mit dem textlichen Inhalt würde sich mancher Student der Philosophie einige Nächte um die Ohren schlagen können.

Abgeschlossen wird Daumen im Wind mit dem „Alkoholmädchen“. Lieder gegen und/oder über Alkohol und sonstige Drogen werden wir im Schaffenswerk Udo Lindenbergs noch öfter antreffen. Und wie alle seine Lieder zu diesem Themenblock geht „Alkoholmädchen“ bei genauem Hinhören schon mächtig an die Nieren.


Beim Anblick des Covers von LP Nummer drei, Alles klar auf der Andrea Doria, glaubten meine Eltern an den endgültigen Untergang des Abendlandes.
Hält doch dieser Mensch doch die „Wahrheit“ (Prawda) in den Händen...

Dass auf diese Scheibe drei absolute Kulthits gepresst waren, war da erstmal egal. „Bei Onkel Pö spielt ne` Rentnerband“ bescherte Udo nicht nur lebenslang frei Saufen in jenem Etablissement sondern auch die Aufmerksamkeit des bis dahin ahnungslosen Volkes.
Wenn auch mancher Bundesbürger im ersten Moment an einen neuen Karnevalshit glaubte.

Einige Damen zwischen dreizehn und dreiunddreißig wünschten sich damals wohl mit dem „Boogie Woogie Mädchen“ gemeint zu sein. Und da ist es wieder, dieses endlose Fernweh: „Nichts haut einen Seemann um“. Oder doch?

Richtig trashig beginnt dann „Ganz egal“. Eine Hommage an James Dean, die Beatles, die Rolling Stones und überhaupt an die Sechziger.

„Letzte Nacht um viertel vor vier“... Mit „Jeremias“ der erste (noch) humorvolle Schuss vor den Bug der Institution mit dem Kreuz im Wappen.
Eines der schönsten Lieder Lindenbergs „Wir wollten doch einfach nur zusammen sein“ setzt sich mit leisen aber wirkungsvollen Tönen, mit der deutsch / deutschen Beziehung und den daraus resultierenden (Beziehungs-) Problemen auseinander. „Ich hoffe, dass die Jungs das nun bald in Ordnung bringen“. Die Erfüllung dieses Wunsches sollte dann noch siebzehn Jahre auf sich warten lassen.

Schließlich geht mit dem instrumentalen „Dr. Chicago“ dann noch der Dixie los. Hier durfte sich das begleitende „Hot Owl Diexielandgebläse“ austoben.
Das Sahnestück „Cello“ bedarf keiner Worte. Wer`s nicht kennt hat die Welt verpennt. Mit der Ode an den Ausreißer an sich „Er wollte nach London“ sprach Udo sicher so manchem Jugendlichen aus der Seele. Er hebt aber auch den pädagogischen Zeigefinger, das Abhauen vielleicht doch zu lassen, weil es anderswo auf der Welt auch nicht immer, und schon gar nicht automatisch, besser ist.
Beim letzten Titel, der Kirmespolka „Die größte Liebe meines Lebens“, wollte der Meister sicherlich die damals so populäre Hitparade etwas auf die Schippe nehmen. Anders sind die neunundvierzig Sekunden Stammtischgesang nicht zu erklären.


1974 folgte dann Ball Pompös. Seit dem muss sich jeder Hausmeister den Titel „Jonny Controlletti“ auf den Mond gewünscht haben. „Wenn die Mütter morgens in der Zeitung lesen, dass wir kommen, kriegen die `n Schock“. Mit dem Song „Honky Tonky Show“ traf der Meister den Nagel mal wieder auf den Kopf. Es wird wohl so gewesen sein…

Damals einer meiner Lieblingssongs war die Ballade „Leider nur ein Vakuum“. Die musikalische Beschreibung des leeren Lebens eines der so genannten Discofuzzis.
Zu denen ich mich dann später zwecks Regulierung des Hormonhaushalts auch kurzzeitig hingezogen fühlte. Und dort auch die Grundaussage des Songs bestätigt bekam. (Zu meinem Vorteil).

Der Kultsong „Rudi Ratlos“, die Nummer vier auf dem Album, bedarf keiner Beschreibung. Diesen achtzigjährigen, brutal geigenden Galan kennt jeder. Damals ein Skandal war die Zeile …und eine ist schon ganz nass…

Mit dem Text von „Bitte keine Lovestory“ kann sich wohl jeder pubertierende Jüngling oder jedes Mädel im gleichen Zustand identifizieren. Die anderen werden sich erinnern. Dieser Zustand, wenn sich die große Liebe anderweitig orientiert hat.

Udo Lindenberg stammt ja nach eigenen Aussagen nicht aus diesem Universum. Und so singt er über seinen nahen Verwandten „Gerhard Gösebrecht“, der ihn für seinen Planeten ins Musikministerium berufen möchte. Angeblich gibt es auf jenem Planeten „Nur noch Robotersounds und Computerklänge…“.
Die typische Drogen- und Alkoholkarriere des 15jährigen „?“ wird mit dem Titel „Riskante Spiele“ Rechnung getragen. Die Hilflosigkeit und Unwissenheit der Eltern dieser Generation wird mit wenigen Worten der imaginären Mutter so erschreckend lebensnah beschrieben; so hätten auch meine Eltern (zunächst) reagiert.

Ist es nicht jener „Cowboy-Rocker“ in uns allen, der hier besungen wird? Sind wir nach dem Kino nicht alle breitbeinig nach Hause gegangen? Und wollten wir nicht alle mal soooo cool sein wie „Charlie Bronson“?
Otto als der Junge in uns allen und Inga Rumpf als Rockerbraut. Kult!
Fröhlich geht es gleich weiter im „Nostalgie Club“.
Zarah Leander begleitet von Grete Weiser am Syntheziser. Schon hier schlägt das Faible des Meisters für die Musik der zwanziger und dreißiger Jahre durch. Anschließend, Udo bleibt beim Thema, die rockigste Version von „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ ever. Lieder die nicht untergehn. Dank Udo.

Das Thema des „Glitzerknabe(n)“ hat dann später noch ein überlebendes Mitglied eines Kabarettduos aufgegriffen. Fans mit einem CD Player, die sich die CD leisten wollen, bekommen als Zugabe noch „Candy Jane“ draufgelegt. Das hohe Lied über die Unerreichbarkeit der Hollywood- und sonstigen Stars.



Wenn Oma zu Besuch kam, sorgte Mama dafür, dass Udo Lindenbergs LP Nummer fünf Votan Wahnwitz gaaaanz hinten in meinem Apfelsinenkisten-Plattenregal stand.
Beim Anblick der Rückseite des Covers hätte die alte Dame bei aller Toleranz einen Herzkranzkasper bekommen. Die kaum getarnte Dame ist aber auch ein netter Anblick...

So richtig voluminös und orchestral geht es los mit der Chaos Symphonie in Atom-Dur, die „Der Dirigent“ dirigiert, gefolgt vom guten alten „Votan Wahnwitz“ aus Palermo. „Wahnsinn und Genie gehen Hand in Hand“. Hier meinte der Meister sich wohl selbstironisch selber.

Von nicht so schönen Aussichten auf das Jahr 3010 berichtet Udo nach der Reise mit „Daniel`s Zeitmaschine“. Aufmerksame Zuhörer werden entdecken, dass einige Töne der Aufnahme im späteren „Gene Galaxo“ verwendet werden. Erschreckend lustig die Vorstellung, Udo nach der Zeitreise in Begleitung glatzköpfiger und an Lustcomputer angeschlossener Damen als Popstar erleben zu dürfen oder müssen oder sollen oder...
„Da war so viel los“. Einfach toll, wie Udo (s)eine imaginäre Kindheit mit dieser wunderschönen Ballade beschreibt. Ein Novum auch die Einflechtung der Kinderträume durch eben solche Stimmen. Und was normalerweise daraus wird, hat er auch erkannt.

Gnadenlos auf den Kopf getroffen das Abbild des typischen Ruhrgebietlers mit dem Track „Der Malocher“. Der ewige Zwiespalt zwischen Träumen und Pflichterfüllung, achter Sohle und der Sonne.
„Guten Tag Herr Filmproduzent“. Und auf Wiedersehen. Manchmal braucht eben auch das begnadete „Musikgenie“ einen Lückenfüller.

Schauerlich wird’s: „0-Rhesus-Negativ“ führt uns ein in das Leben der Vampire. Und erzählt von der Aussicht, jeden Tag durchzuschlafen, nicht zur Arbeit zu müssen und sich nächtens zu besaufen. Nur mit dem Tauglichkeitsschein vom Zahnarzt hat man so seine Probleme. Sonst hat man früher oder später nichts mehr zu beißen.
„Elli Pyrelli“, jenes stimmgewaltige Vollweib vom Regensburger Opernhaus führt uns in die Welt der großen Opernhäuser ein. „Die Rock n`Roll Gespenster sind weg vom Fenster“. Und „Jede Menge Phon bis zur Ohramputation“ Wenig nette Aussichten.


Es ist „Alles im Lot auf dem Riverboat“. Auch wenn die Mannschaft den Kahn sturzbesoffen zum U-Boot umfunktioniert. Hauptsache die Stimmung ist gut. Stellt sich die Frage: „Hat das Orchester tatsächlich unter Wasser weiter gespielt?“
Argumente für die Scheidung gesucht? Hier werden sie möglicherweise geliefert. Denn schließlich gilt: „Das kann man ja auch mal so sehn“. Interessant auch, wo die „Miezen“ alle so auf einen warten. Und die Idee sich eine neue Liebe ausgerechnet im Sauerland zu suchen, ist ja nicht schlecht. Muss man auch erst mal drauf kommen. Denn wer außer einem gut verdienenden Rockstar kann zu diesem Zweck mal eben nach Honolulu reisen?
Schwer zur Sache geht es gleich darauf mit „Jack“. Thematisch ähnlich hatten wir das schon mit Terry Jacks „Seasons In The Sun“. Und das ging auch heftig an die Nieren.

Wie finde ich jetzt einen fröhlichen Abschluss, während mir Udo vom Unfalltod (s)eines Freundes berichtet?
Ok, ich höre mir noch mal den Malocher aus dem Ruhrgebiet an.

Jetzt wäre mir beinahe „To be continued“ rausgerutscht. Also: Wird fortgesetzt.


Andreas W. Fieseler



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