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Nur der Stecker wurde gezogen, nicht der Stachel - die Scorpions auf Unplugged-Tour




Info
Künstler: Scorpions

Zeit: 04.05.2014

Ort: Stuttgart - Schleyerhalle

Internet:
http://www.the-scorpions.com
https://www.facebook.com/Scorpions

Die MTV-Unplugged-Reihe hat einige sehr gute Alben hervorgebracht. Meine Lieblingsscheiben sind die von Kiss, Nirvana, Neil Young, Bob Dylan und Bryan Adams. Dass die Scorpions - zwar mit Verspätung aber immerhin - auch mit einem derartigen Album aufkreuzen, halte ich schon lange für überfällig. Das Album das 2013 in Athen aufgenommen wurde, hat durchwegs positive Resonanzen erhalten. Ich hatte mir zwar vorgenommen, die Scorpions nach der Abschiedstour nicht mehr live anzuschauen, wollte mir aber die Unplugged-Reihe keinesfalls entgehen lassen.

An der Halle angekommen fällt auf, dass die Kassenhäuschen alle geschlossen sind. Es scheint ausverkauft zu sein - Karten vor Ort sind definitiv Fehlanzeige. Bereits um 19.30 Uhr soll das Konzert beginnen. Ich halte diese Zeit für ideal, da man dann bei einem weiteren Anfahrtsweg früher daheim ist. Viele Konzertbesucher glauben der Angabe auf der Eintrittskarte nicht und kommen so leider zu spät. Es ist tatsächlich so, dass die Hannoveraner um Punkt 19.30 Uhr loslegen. Die Bühne ist ganz im Stil eines griechischen Amphitheaters gestaltet, in geheimnisvolles Licht gehüllt und dem Anlass entsprechend dekoriert. Zuerst betreten die Streicher die Bühne, dann die restlichen Musiker und zum Schluss die Mitglieder der Scorpions. Der etatmäßige Schlagzeuger James Kottak fehlt, da er angeblich in Dubai afghanische und pakistanische Fluggäste beleidigt haben soll und deshalb einen Monat in einem Gefängnis in Dubai einsitzen muss. Als Ersatzmann fungiert der schwedische Schlagzeuger Johan Franzon. Klaus Meine und Co. äußern sich an dem Abend zu dieser Tatsache in keinster Weise. Auch finde ich es etwas schade, dass die beiden Gastgitarristen in der vorderen Reihe Platz nehmen dürfen und Bassist Pawel Maciwoda im Hintergrund sitzen muss.

Mit „Sting In The Tail“ beginnt das Konzert. Der Sound ist von Beginn an druckvoll, klar und lupenrein sauber. Klaus Meine singt vom Fleck weg grandios und sämtliche Musiker sind voll auf der Höhe. Etwas ungewohnt ist, dass Rudolf Schenker, Klaus Meine, Matthias Jabs und Pawel Maciwoda auf Barhockern Platz genommen haben. An sich etwas ungewohnt, aber für ein Unplugged-Konzert natürlich passender. Besonders für Klaus ist dies eine sehr schwierige Sache. Mehrmals im Laufe des Abends springt er auf und läuft auf der Bühne hin und her - er ist halt doch ein Hardrock-Sänger alter Schule. Heute Abend werden Songs gespielt, die noch nie oder ziemlich selten live zu hören waren. Das geht schon beim zweiten Song „Can’t Live Without You“ los, den ich live noch nie gehört habe. „Speedy’s Coming“, das unvergleichliche „Born To Touch Your Feelings“ und als Höhepunkt „In Trance“ mit der Hamburger Sängerin Cäthe beweisen, dass sie auch mit Urgestein Uli Jon Roth tolle Songs geschrieben haben, die auch im Unplugged-Gewand toll klingen. Überhaupt singt Cäthe wirklich hervorragend und harmoniert sehr gut mit Klaus Meine. Klaus Meine ist an dem Abend nicht nur gut bei Stimme, sondern bei bester Laune. Er erzählt zwischen den Songs immer wieder mal ein paar lustige und persönliche Geschichten und Anekdoten, die man so bei regulären Konzerten niemals zu hören kriegt. „Dancing In The Moonlight“ handelt z. B. von einer Flugturbulenz, in der sich die Band befunden hat.

Einen weiteren Gast präsentiert die Band mit Johannes Oerding. Der deutsche Singer/Songwriter hat schon diverse Touren wie die von Joe Cocker oder Simply Red eröffnet. Er ist mit der Sängerin Ina Müller liiert, die auch auf der neuen Scorpions-Scheibe den Song „Where The River Flows“ eingesungen hat. „Hit Between The Eyes“ und „Rock You Like A Hurricane“ bekommen durch ihn ein noch rockigeres Flair. Auch er passt gesanglich sehr gut zu Klaus Meine. Überhaupt muss man sagen, dass die Band den Gastsängern sehr viel Respekt entgegenbringen und man sämtlichen Musikern die Spielfreude anmerkt. Die Streichergruppe mit dem Namen Strings From Heaven veredelt die Songs mit ihren Klängen und sorgen für noch mehr Gänsehautfeeling. Heute Abend bekommt außerdem jeder Ur-Scorpions-Musiker sein Solo-Spotlight. Matthias Jabs darf eine Akustikgitarren-Nummer zum Besten geben, die zeigt, was er alles so drauf hat. Rudolf Schenker singt den Song „Love Is The Answer“. Der Song ist überaus kitschig, klebrig und gefällt mir nicht. Es wundert mich außerdem, dass jemand wie Rudolf Schenker immer noch so hölzern die englische Sprache spricht. Schenker, bleib bei deinen Leisten! Klaus Meine singt „Follow Your Heart“ und spielt sogar noch Gitarre dazu. Der Song gefällt mir gut und kommt auch beim Publikum gut an.

In der ersten Hälfte des Konzerts überwiegt eindeutig der Balladenanteil. „Send Me An Angel“ und /i>„Passion Rules The Game“ klingen grandios und machen direkt Laune, die Scheiben Crazy World und Savage Amusement wieder aus dem Regal zu kramen. Bei dem Percussion-Medley liefern sich Schlagzeuger Johan Franzon und der Perkussionist ein Schlagzeugduell das es wirklich in sich hat. Viele Schlagzeugsolos sind verzichtbar - das hier ist definitiv ein Highlight und wird vom Stuttgarter Publikum frenetisch gefeiert. Überhaupt das Publikum: Die Stuttgarter sind an dem Abend bei bester Laune und bereiten den Scorpions über den kompletten Abend hinweg einen grandiosen Empfang. Der Song „Blackout“ wurde so geändert, dass man ihn zumindest zu Beginn wirklich nicht erkennt. Hier wird der Abend doch noch rockig und das Publikum wird merklich lauter zwischen den Songs. Klaus Meine bemerkt, dass die Band von den Reaktionen der Tour insgesamt sehr angetan ist und überlegt, „ob wir noch ein paar Konzerte als Zugabe geben sollten“. An sich eine nette Idee. Wenn man aber bedenkt, dass schon die Get Your Sting And Blackout-Tour als Abschiedstour geplant war, macht man sich vielleicht langsam unglaubwürdig.

„Wind Of Change“ widmet Klaus Meine einer friedlichen Lösung des Konflikts in der Ukraine, was ihm viel Beifall einbringt. Der Doppelschlag „Still Loving You“ und „Rock You Like A Hurricane“ beendet den ersten Zugabenblock. Das Stuttgarter Publikum will noch mehr und so kommt die Band zurück, um die Klassiker „When The Smoke Is Going Down“ und den Über-Hit „Holiday“ zu präsentieren. Standing Ovations soweit das Auge reicht. Die Scorpions bekommen minutenlangen Applaus und bedanken sich beim Publikum für die tolle Stimmung. Nach fast zweieinhalb Stunden endet das etwas untypische Konzert. Ich selbst bin total begeistert. Ich hätte nicht gedacht, dass die Songs im Unplugged-Gewand live so gut ankommen!


Setlist:
Sting in the Tail
Can't Live Without You
Speedy's Coming
Born to Touch Your Feelings
The Best Is Yet to Come
Dancing With the Moonlight
In Trance
When You Came Into My Life
Delicate Dance
Love is the Answer
Follow Your Heart
Send Me an Angel
Where the River Flows
Passion Rules the Game
Hit Between the Eyes
Percussions Medley
Rock 'n' Roll Band
Blackout
Wind of Change
Still Loving You
Big City Nights
Rock You Like a Hurricane
When the Smoke Is Going Down
Holiday



Stefan Graßl



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