Musik an sich


Reviews
Monteverdi, C. (Cavina)

Il ritorno d’Ulisse in patria


Info
Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 01.05.2012

(Glossa / Note 1 /3 CD / DDD / 2011 / Best. Nr. GCD 920920)

Gesamtspielzeit: 172:03



MEISTERWERK MIT RETUSCHEN

Claudio Monteverdis mythisch-boulevardeske Oper Il ritorno d’Ulisse in patria, die 1640 in Venedig uraufgeführt wurde, ist in denkbar spartanischer Form überliefert. Das einzige erhaltene Manuskript ist eher eine Aufführungsskizze mit den Gesangsstimmen und dem dazugehörigen Continuo-Bass sowie instrumentalen Zwischenmusiken. Je nach Möglichkeiten und Geschmack bietet das den modernen Interpreten viele Freiräume bei der Ausführung. Das Spektrum der Aufnahmen reicht von der puritanischen Beschränkung auf das Notierte (dem folgt im Wesentlichen William Christie) bis hin zur farbenreich orchestrierten und mit zusätzlicher Musik ausgestatteten ‚Ausmalung’ (wie in Gabriel Garridos ebenso stil- wie fantasievoller Fassung).

Claudio Cavina und La Venexiana gehen bei ihrer Version einen sehr überzeugenden mittleren Weg. Das Instrumentalensemble folgt in etwa der venezianischen Standardbesetzung um die Mitte des 17. Jahrhundert: ein einfach besetztes Streicherensemble mit Continuogruppe. Hier ist man also eher streng. Aber Cavina hat zahlreiche Retuschen in der Partitur vorgenommen, weil er davon überzeugt ist, dass der teilweise simple und steife Notensatz nicht alleine von Monteverdis Hand stammen könne, das Ganze also mehr ein Werkstattprojekt sei. Und so hat er die mitunter etwas stumpfen Ecken und Kanten durch hinzugefügte Noten und verbesserte Harmonisierungen im reifen Stil Monteverdis verfeinert und geglättet, Begleitstimmen, Accompagnati und Ritornelle eingefügt und die Oper dadurch stärker musikalisiert. Das gelang ihm so gut, dass man die Zutaten als solche gar nicht bemerkt – im Gesamtergebnis klingt es überzeugend und authentisch. Die Ergänzungen lassen jene Längen, die sich bei der überwiegend rezitativisch bestimmten Musik einstellen können, kaum aufkommen.
Und die fabelhaften Instrumentalisten gestalten die Musik wie schon bei der zuvor erschienenen Einspielung der „Poppea“ rhetorisch nuanciert und zugleich geschmeidig, pulsierend und sinnlich: trotz der Beschränkung wird das Instrumentarium ebenfalls zum Affekt-Darsteller, der das Drama vorantreibt. Obwohl also der Ulisse weder den orchestralen Zauber des kunstvoll gebauten „L’Orfeo“ noch den erotischen Thrill und die musikalischen Höhepunkte der „Poppea“ hat, präsentiert sich die Oper in Cavinas Einrichtung doch zumindest auf der Höhe von Monteverdis sonstiger Kompositionskunst.

Das durchweg starke SängerInnen-Ensemble ist bis in die kleineren Rollen bestens aufeinander abgestimmt: Tenor Anicio Zorzi Giustiniani setzt die Hauptfigur markant und zugleich differenziert, dabei ohne heldische Allüre in Szene; Josè Maria Lo Monaco charakterisiert die leidende Penelope mit dunklem Mezzo vokal glutvoll, verleiht der keuschen, leidgeprüften Frau aber auch eine gewisse Strenge. Ergreifend innig beider Schlussduett, mit dem die Oper ausklingt. Roberta Mamelis leidenschaftliche Göttin Minerva betört bei ihren Auftritten durch die herrlichsten barocken Belcanto-Koloraturen. Auf der anderen Seite der Charakter-Skala sorgt Luca Dordolos Darstellung des verfressenen Schmarotzers Iro mit kultivierter Derbheit für den nötigen Humor.

Die Aufnahmetechnik ist ausgezeichnet und bildet die sinnlichen Reize der Musik mit einer Präsenz und Räumlichkeit ab, wie es live kaum möglich sein dürfte. Ein glänzendes Monteverdi-Opern-Finale!



Georg Henkel



Trackliste
CD I: Prolog & 1. Akt 72:21
CD II: 2. Akt 60:50
CD III: 3. Akt 38:52
Besetzung

Anicio Zorzi Giustiniani: Ulisse
Josè Maria Lo Monaco: Penelope
Roberta Mameli: Minerva
Makoto Sakurada: Telemaco, Eurimaco
Giorgia Milanesi: Giunone, La Fortuna
Salvo Vitale:, Nettuno, Il Tempo
Vincenzo Di Donato: Giove
Francesca Lombardi: Melanto
Luca Dordolo: Iro
Marta Fumagalli: Ericlea
Paolo Antognetti: Eumete
Claudio Cavina: L’Umana Fragilità
Francesca Tassinari:, Amore
Roberto Balconi: Anfinomo, Feacio I
Alessio Tosi:, Pisandro, Feacio II
Marco Bussi: Antinoo, Feacio III

La Venexiana – Instrumentalensemble

Claudia Cavina: Leitung


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