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Bach, J. S. (Dubreuil - Alard - Berben)

Clavierübung Teil 2 / Partiten / Fantasien und Fugen


Info
Musikrichtung: Barock Cembalo

VÖ: 23.04.2010

(Bezugsadressen unter Internet)

Internet:

Ramée / Codaex / CD / DDD / 2008 / Best. Nr. RAM 1001
Alpha / Note 1 / CD / DDD / 2008 / Best. Nr. Alpha 152
Myrios / Harmonia Mundi / CD / DDD/ 2010 / Best. Nr. MYR001



CEMBALOREIGEN

Gleich drei neue, jeweils auf ihre Weise gelungene Aufnahmen mit Cembalomusik vom Gottvater der deutschen klassischen Musik, J. S. Bach, sind an dieser Stelle vorzustellen. An diesen drei Aufnahmen lässt sich exemplarisch heraushören, wie Interpret und Instrument die jeweilige Produktion unverkennbar prägen.

Der reife, bronzig-erdige Klang eines ausgezeichneten Ruckers-Nachbaus verleiht der Einspielung des 2. Teils der Clavierübung durch den Franzosen Pascal Dubreuil eine rustikale, gravitätische Note. Vor allem in den schnellen Sätzen brandet der Klang geradezu orgelartig auf und ruht auf einem mächtigen Bassfundament, wie man beim finalen Satz der Französischen Ouvertüre eindrucksvoll hören kann. Dubreuil bietet Bach zupackend und organisch, aber auch mit einer gewissen herrischen Strenge dar, die einen sofort an das berühmte Haussmann-Porträt denken lässt. So entlädt sich die Chromatische Fantasie hier zu Beginn geradezu rauschhaft und erreicht erst im klanglich ausgedünnten Mittelteil einen Ruhepunkt, bevor sie zum Ende wieder in Tempo und Dynamik die leidenschaftliche Fahrt des Anfangs aufnimmt. Mit dieser Energie sorgt Dubreuil auch für eindrucksvolle Wiedergabe der anschließenden Fuge. Weniger überzeugend finde ich dagegen die etwas rasch dargebotenen ruhigen Sätze der Französischen Ouvertüre, wo der Interpret die kantablen Potentiale des Kurztoninstrument für meinen Geschmack ruhig etwas mehr hätte ausreizen dürfen.

Ganz anders als dieser opulente Bach mutet die Version der Sechs Partiten an, die Benjamin Alard auf einer Cembalo-Kopie nach deutschen Vorbildern bietet. Das Instrument klingt schmaler als Dubreuils Ruckers-Nachbau, im Ganzen aber sehr ausgewogen und mit silbrigen Reflexen im Diskant; die Akustik ist auch weniger hallig und direkt. Bach hatte diesen 1. Teil der Clavierübung seinerzeit den Liebhabern zur Gemütsergötzung offeriert und sparte im Vorwort auch nicht mit Hinweisen auf die galanten (da verkaufsfördernden) Seiten der Musik.
Obwohl es sich nun gerade nicht gerade um leichtgängige Modestückchen handelt, hat diese exemplarische Sammlung zarte, verspielte und verinnerlichte Momente. Und Alard arbeitet diese Momente durch ein weniger straffes, im Ganzen bedachtsameres Spiel heraus. Sein Bach klingt gelassen und frei. Das Präludium und die Allemande der 1. Partita kommen für meinen Geschmack fast noch ein wenig neutral daher. Hat man sich aber mal eingehört, schlägt diese Maßhaltung in ihren Bann. Schon bald bemerkt man, wie Alard den Notensatz innerlich durch kleine Zäsuren und diskrete Rückungen belebt, die die Töne diskret hüpfen und tanzen lässt. Das bringt eine willkommene Nonchalance, ja Leichtigkeit in die Musik hinein, die auch den ergreifend melancholischen Sarabanden gut ansteht.

Schließlich ist da noch die Sammlung mit Fantasien und Fugen von Léon Berben. Der junge Niederländer bietet so etwas wie den Mittelweg zwischen Dubreuils Kraft und Alards Feinsinn, auch was den Klang seines Instruments nach einem Modell von Christian Zell (Hamburg 1728) angeht. Dessen Klang ist etwas näselnder als bei den beiden anderen Instrumenten, im dominanten Diskant pikant-metallisch. Dieser „Spinett-Sound“ ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber dafür bekommt man in diesem Fall einen wirklich glitzernd virtuosen Bach geboten.
Die Chromatische Fantasie und Fuge realisiert Berben in attraktiver Farbigkeit, weil er von Anfang an die Dynamikkontraste durch häufige Manualwechsel und gelegentliche Registereffekte wie den Lautenzug ausreizt. Schlüssige Stauchungen und Spreizungen des Tempos bringen noch mehr innere Spannung in die harmonisch sowieso schon knisternde Musik hinein. Manche Läufe und Akkordbrechungen sprudeln wie Champagner.
Berbens leichtgängige Fingerkunst wirkt – verglichen mit Dubreuil - weniger herrisch als lustvoll verspielt, selbst bei der delirierenden c-Moll-Fantasie BWV 906 oder den kanonischen Konzentraten der Fantaisie sur un Rondeau in c-Moll BWV 918 (hier sehr stimmig die alternierende Orchestrierung mit dem Lautenzug). Manchmal scheint Berben wie bei der a-Moll-Fuge BWV 944 oder der irrwitzigen a-Moll-Fantasie BWV 922 mit den Händen geradezu Purzelbäume auf der Klaviatur zu schlagen. Oberflächlich runtergespielt wirkt dieser Bach aber nie. Gerade die Fugenanfänge, die schnell etwas dröge klingen („Thema vorstellen“), kommen geschmeidig herüber. Ähnliches gilt für die „gesetzteren“ Stücke, z. B. die Fantasien BWV 917 oder BWV 1121. Da zeigt sich, wie gut Berben Spannungsverläufe zu gestalten vermag. Eine lohnende Produktion.

Georg Henkel



Besetzung

Pascal Dubreuil, Cembalonachbau nach Ruckers
Benjamin Alard, Cembalonachbau nach deutschen Vorbildern
Léon Berben, Cembalonachbau nach Christian Zell, Hamburg 1728


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