Musik an sich


Reviews
Hoelderlin

Fata Morgana


Info
Musikrichtung: Synthie Prog

VÖ: 08.02.2007 (1981)

(EMI)

Gesamtspielzeit: 51:05

Internet:

http://www.hoelderlin.com



Ein glanzloses Ende in Zeiten der Neuen Deutschen Welle – The Story of HOELDERLIN, Kapitel 8

Gilt New Faces noch als umstritten, dürften sich bei Fata Morgana die meisten Fans mit Grausen abwenden. Von den alten Hoelderlin ist bei diesem, auf dem Höhepunkt der Neuen Deutschen Welle erschienenen Album kaum mehr etwas übrig.


Dass dieses Album ein mehr als fragwürdiges Stück in der Geschichte der Band ist, machen auch die Ausführungen zur Entstehung im Booklet ungewöhnlich ehrlich deutlich. Bassist Hans Bäär berichtet von Ratlosigkeit über den Kurs der Band, fehlenden Bezug zu den früheren Werken, Streit in der Band und Wünsche der Plattenfirma auf den rollenden NDW-Zug aufzuspringen.
Dazu passt es, wie Fata Morgana fertig gestellt wurde. Die Hälfte der Band war bereits von Bord gegangen. Man beendete die Aufgaben nicht, weil man fertig war, sondern weil der Produktionsetat aufgebraucht wurde. Das Album wurde dann noch schnell an einem einzigen Tag abgemischt und das grausige Cover unkontrolliert in der Grafikabteilung der Plattenfirma „zusammengefummelt“ (Bäär). „Ich bekam fast eine Herzattacke, als ich das Ergebnis in den Händen hielt."

Ob die Katastrophe von vorneherein geplant war und welchen Anteil die Band selber daran gehabt hat, lässt das Booklet offen. Zwei Faktoren werden deutlich angesprochen: die Neue Deutsche Welle, die die deutsche Musikszene zu einer Art akustischen Spaßgesellschaft gemacht hatte, in der die durchaus humorvolle, aber subtile und anspruchsvolle Musik von Hoelderlin keinen Platz mehr hatte und der Druck der Plattenfirma, jetzt auch deutsche Texte zu machen. „Dieses wiederum sorgte für große interne Querelen, die schließlich zum Ausstieg von Bernd König und Jürgen Grumbkow führten,“ beschreibt Hans Bäär die Folgen des Druckes von außen.

Was aber wollte die Band selber mit ihrem sechsten Studio-Album? War das Deutsche nur Druck von außen? Wir erinnern uns: Das Debüt-Album war noch ein deutschsprachiges Album und der Wechsel zum Englischen auf Hoelderlin war auf Wunsch der Plattenfirma vollzogen worden. Auch der Line Up Wechsel vor der Arbeit an Fata Morgana - für den Gitarristen Rüdiger Elze kommt ein weiterer Keyboarder, Bernd König, an Bord – entspricht durchaus dem stärker von Synthesizern geprägten Sound der Band. Und die Abkehr von „Natursounds“ war in gewisser Weise schon begonnen worden, als man Geiger Nopps Noppeney nach seinem Ausstieg nicht wieder ersetzt hat.

Der Zeitgeist hat die Band offenkundig nicht von außen, sondern auch von innen erwischt und sie so durcheinander gewürfelt, dass sie nicht mehr auf die Beine gekommen ist. Der alte Weg war zu Ende. Das war nach Traumstadt wohl deutlich. Aus diesem Blickwinkel erscheinen New Faces und Fata Morgana als ein gelungener und ein verzweifelter Versuch interessante aktuelle Trends (Melodic Rock und NDW) aufzunehmen; Versuche die gescheitert sind, zumindest in der Hinsicht, dass sie keine Wege waren, auf denen Hoelderlin als Kolletkiv weiter hätten voran schreiten können.

„Hörenswert ist die Scheibe dennoch,“ beendet Matthias Mineur seine Liner Notes zu Fata Morgana. Das ist vielleicht etwas vollmundig, aber es ist mehr als ein promotechnisch nötiges Pfeifen im Walde.

Vielleicht ist es gerade eine der Schwächen von Fata Morgana, dass die Band versucht bei ihrer Annäherung an die Neue Deutsche Welle eben doch noch genügend Eigenständigkeit zu wahren. „Lena“ und „Lärm“ haben durchaus Nähen zu Grobschnitts „Wir wollen leben“. Grobschnitt haben sich allerdings wesentlich weiter auf den Schlager-Charakter der NDW eingelassen – und sind mit einem Radio-Hit belohnt worden. Hoelderlin bleiben verhaltener, sphärischer und subtiler; greifen zum Teil sogar wieder etwas die Stimmung der Clouds-Seite von Clowns & Clouds auf. Damit sind sie näher bei ihren Leisten geblieben, als Grobschnitt – und sowohl beim NDW- wie beim eignen Publikum durchgefallen.
Das Titelstück hat durchaus eine Glätte und Rhythmik, die es der NDW hätte empfehlen können. Aber auch hier hält die Band sich zurück und agiert viel weicher, als es der plakativen Art der NDW entsprochen hätte.
Dabei kann man, wenn man ehrlich ist, das Scheitern des Albums nicht als eine schlichte Ungerechtigkeit der Geschichte bezeichnen. Die Richtungslosigkeit, die Bäär im Booklet beklagt, ist einfach zu spüren. Das Hängenbleiben zwischen alt und NDW kreiert im Wesentlichen keine eigene interessante Spielart deutscher Rock- und Popmusik, sondern viel ortlose Belanglosigkeit.

Relativ packende Momente, wie sie vor allem das dann doch recht starke Finale „Das alte Lied“ auszeichnen, machen es dem willigen(!) Fan durchaus möglich, sich das Album schön zu hören. Aber der Wille dazu muss erst einmal da sein. Vielleicht gelingt es diesem Re-Release im großen zeitlichen Abstand eher ihn hervorzulocken, als in der ursprünglichen Situation, in der Fata Morgana wohl wirklich nichts anderes tun konnte, als enttäuschen.

Die angehängten Bonus-Tracks werten den Re-Release deutlich auf und erweitern ihn sozusagen in sämtliche Richtungen der Bandgeschichte.
„Dreaming” ist eine weitere, zum Album passende Belanglosigkeit. „Hello“ erinnert mit seiner schönen Gitarrenarbeit an die großen Zeiten der Band. Das funkige „Mr. Neonman“ lässt sich stärker auf die NDW ein, als jedes Stück auf dem Album. Es würde auch zu Stücken aus der Spätphase der Fehlfarben („14 Tage“) passen. „Fool“ last not least passt mit seinem an Supertramp erinnernden Arrangement zu den Bemühungen von New Faces im Bereich des melodischen Rocks Fuss zu fassen.

Fans können sich freuen. Jahrelang hätte jede Hoelderlin-Story mit diesem Kapitel enden müssen. Mittlerweile können wir weiter blättern. Im letzten Jahr ist nach der Reunion im Jahre 2006 das schlicht 8 benannte Comeback-Album erschienenen.
Wir werden im kommenden Monat schauen, welche Fäden der eigenen Geschichte die neue Formation mit Alt-Basser Hans Bäär in diesem Jahrtausend wieder aufgreift.

Fortsetzung folgt



Norbert von Fransecky



Trackliste
1Fata Morgana 4:14
2 Lena 4:18
3 Hallo 3:37
4 Manchmal 4:18
5 Supermarkt 4:41
6 Lärm 3:47
7 Kamikaze 3:48
8 Das alte Lied 5:02
9 Hello (Demo) 3:37
10 Fool (Demo) 4:15
11 Mr. Neonman (Demo) 5:10
12 Dreaming (Demo) 4:02
Besetzung

Hans Bäär (B, Keys, Voc)
Joachim Grumbkow (Keys, Voc)
Bernd König (Keys, Voc)
Tommy L’Ohr (Git, Keys, Voc)
Eduard Schicke (Dr)

Gäste:
Rüdiger Braune (Dr <5>)
Wolfgang Schubert (Sax <1>)



 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>