Musik an sich


Artikel
DEAR JOHN LETTER - Ein musikalischer Abschiedsbrief




Info
Gesprächspartner: Dear John Letter

Zeit: Mai 2007

Interview: E-Mail

Stil: Post Rock/Alternative

Internet:
http://www.dearjohnletter.de
http://www.myspace.com/dearjohnletterger

In der Aprilsausgabe hatte ich bereits die im Internet frei erhältliche Musik der Augsburger Newcomer DEAR JOHN LETTER vorgestellt (s.Review), welche sich irgendwo im frei schwebenden Raum zwischen Post Rock und Alternative einordnen lässt. Eine musikalische Reise die an vielfältigen Orten wie Progressive, Ambient, Rock und Postmoderne Halt macht. Hier ist unverkennbar eine Band am Werk die nach einer Ausdrucksform jenseits vom üblichen Drei-Akkorde-Schemata und Pseudocoolness sucht. Bands wie Mogwai oder Oceansize haben einen ähnlichen Pfad beschritten und diesen für sich gefunden. DEAR JOHN LETTER sind auf dem besten Wege dorthin. Und man kann dies nur begrüßen, besonders wenn man bedankt, dass in Zeiten wie diesen eine Band wie Aereogramme wegen chronischer Erfolglosigkeit ihren Dienst quittieren musste.
Nun ist ganz überraschend die erste CD-Veröffentlichung der Band (schlicht EP 2007 betitelt) in meinen Händen gelandet. Dieses über die Homepage der Band erhältliche Minialbum beinhaltet neben vier wohlklingenden Songs mit einer stattlichen Spielzeit von 36 Minuten auch noch einen 20-minütigen Livemittschnitt der Band. Verpackt in eine phantasievolle und handgefertigte Hülle aus Zeitungspapier und Pappkarton (man siehe hier). Und das ganze für einen geringen Obolus von 5,- EUR. Eine äußerst unterstützenswerte Sache, die noch zusätzlich durch die professionelle Aufmachung des Gesamtpakets unterstützt wird.
MAS nahm aus diesem Grund Kontakt zu Schlagzeuger Jakob Mader auf um der Band ein paar Worte über sich selbst zu entlocken.



MAS:
Seit wann existieren Dear John Letter und wer steckt dahinter? Stellt euch doch bitte mal kurz vor.


DJL:
In der jetzigen Besetzung besteht Dear John Letter seit gut eineinhalb Jahren. Die Gründungsphase mit einer anfänglichen Besetzungsänderung begann wohl im Sommer 2005 und hat ungefähr bis in den darauf folgenden Herbst gedauert, aber seitdem besteht der momentane Zusammenschluss aus Jakob Mader, David Grüner, Dominik Baur, Maximilian Nieberle und Martin Fischer.

MAS:
Wie habt ihr euch gefunden? Hattet ihr ein bestimmtes Ziel oder eine Richtung vor Augen als ihr euch zu dieser Band zusammengetan habt oder entstand eure Musik anfangs durch unbedarftes Ausprobieren und Zusammenspielen?


DJL:
Vier Fünftel von uns hat das jeweilige Studium nach Augsburg gebracht und dort haben wir auch ziemlich bald damit begonnen, die Voraussetzungen für eine neue Band zu schaffen. Zum Teil kennen wir uns aus früheren Bands, von denen aber stilistisch keine besonders viel mit der jetzt eingeschlagenen Richtung zu hatte. Die Richtung stand im Groben wohl ziemlich schnell fest, weil wir eigentlich alle von allzu konventioneller Rockmusik genug hatten und zudem auch keine Lust dazu, die vielen üblichen Klischees in unserer eigenen Vorstellung von fesselnder Musik weiter zu bedienen.

MAS:
Warum der Bandname Dear John Letter, soll dieser einen Abschied von etwas Bestimmten darstellen? Z.B. von traditionellen Songstrukturen und eingefahrenen Denkweisen in Sachen Rockmusik?


DJL:
Die Bezeichnung steht für einen Brief, der eine Liebesbeziehung beendet und impliziert also eher eine etwas melancholische Grundstimmung. Darüber haben wir uns zu der Zeit eigentlich nicht so viele Gedanken gemacht, aber im Nachhinein betrachtet umschreibt dieses Gefühl die vorherrschende Stimmung unserer Musik wohl tatsächlich ganz gut. Als Abschied von althergebrachten Herangehensweisen in der Rockmusik haben wir unseren Namen bisher wohl noch nicht gesehen, aber der Gedanke ist eigentlich ganz gut.

MAS:
Wie würdet ihr selbst eure Art von Musik beschreiben? Abgelutschte Begriffe wie „Post Rock“ oder „Alternative“ erfassen meiner Meinung nach nur schwer eure Musik. Wie Schubladen im Allgemeinen.


DJL:
Eine schwierige Frage. Sich selbst in bereits vorhandene Schubladen stecken zu lassen ist natürlich gerade in unseren musikalischen Breitengraden nicht besonders wünschenswert. Andererseits erscheint es uns auch vermessen eine eigene Schublade zu beanspruchen, da wir natürlich auch unsere Inspiration und unsere Einflüsse aus bestimmten Schubladen haben. Vielleicht wären wir schon damit zufrieden, wenigstens nicht in nur eine Schublade gesteckt zu werden. Zumindest könnte man uns als irgendwie experimentierfreudig bezeichnen, uneingeschränkt durch Genrevorgaben, da wir uns auch keinen bestimmten Genres verpflichtet fühlen.

MAS:
Eure Songs klingen an manchen Stellen wie frei improvisiert, aber im Gesamten niemals ohne Struktur. Sind eure Stücke bis ins letzte Detail durchdacht oder lasst ihr es manchmal einfach geschehen wenn euch die Muse küsst?


DJL:
Das trifft es im Allgemeinen sogar erstaunlich genau, auch wenn wir uns das noch nie bewusst zum Ziel gesetzt haben. Es ist eigentlich immer eine grundsätzliche Struktur vorhanden, in der aber jeder mehr oder weniger Spielraum für Improvisation hat. Wenn manchmal eben alle viel Spielraum haben oder ihn sich einfach nehmen, dann hört man das auch am Ergebnis. Wenn sich dagegen bestimmte Improvisationen bewährt haben und etwas Bestimmtes ergeben, dann sehen wir das auch irgendwann als festen Teil an.

MAS:
Wie entstehen eure Songs und woher nehmt ihr eure Inspiration?


DJL:
Eigentlich werden immer einfach Ideen ausprobiert und gemeinsam erweitert und geändert bis alle ihren Teil dazu beitragen und damit zufrieden sind. Einzelne Parts werden dann nach und nach zu ganzen Stücken zusammengefügt. Wobei wir uns mittlerweile auch die Zeit lassen, Ideen erstmal beiseite zu legen, wenn gerade keine geeignete Passage dafür vorhanden ist, um nicht mehr auf Biegen und Brechen Parts aneinanderzureihen. Inspirierend ist für uns auf jeden Fall interessante Musik welcher Art auch immer, zum Teil auch Literatur für Texte und den Aufbau der Stücke.

MAS:
Eure Musik klingt sehr auf Atmosphäre fixiert, während der Gesang etwas im Hintergrund steht. Wie wichtig ist dieser für eure Songs, seht ihr ihn eher als weiteres Instrument oder als eigenes Ausdrucksmedium?


DJL:
Wir wollen mit unserer Musik auf jeden Fall Atmosphäre erzeugen und wo Gesang das unterstützen kann setzen wir auch Gesang ein. Aber dabei muss nicht zwangsläufig die Bedeutung der Worte im Vordergrund stehen, manchmal kann auch nur durch den Klang der Stimme allein etwas erzeugt werden. Man kann Gesang also durchaus im Sinne eines weiteren Instruments einsetzen, ohne dass er dadurch an Bedeutung oder Intensität verlieren muss.

MAS:
Als junge Band orientiert man sich gerne an bereits etablierten Vorbildern oder lässt sich zumindest von diesen inspirieren. Welche Bands und Künstler zu denen man aufschaut stehen bei Dear John Letter hoch im Kurs?


DJL:
In der Hinsicht hat eigentlich jeder von uns seine persönlichen Vorlieben, wobei es auf jeden Fall eine gemeinsame Schnittmenge in dem Bereich gibt, dem man sicher auch unsere Musik einordnen würde. Experimentelle Bands der Post-Neurosis-Ära, instrumentale Rockmusik von Bands wie Godspeed You! Black Emperor, Mogwai und Pelican, sowie auch Musik von Radiohead, Tool, Oceansize usw. Andererseits ziehen wir mit Sicherheit auch Inspiration aus der eher zurückhaltenden Musik von Bands wie: Sigur Ros, Savoy Grand und von auch Songwritern wie Kristofer Aström, Gravenhurst oder Will Oldham.

MAS:
In Augsburg und im größeren Umfeld darum sind in letzter Zeit einige interessante Bands entstanden. Gibt es in der Fuggerstadt momentan eine lebendige Szene die sich gegenseitig positiv befruchtet? Wenn ja fühlt ihr euch dort zugehörig und profitiert von ihr?


DJL:
Augsburg ist in dieser Hinsicht momentan wohl schon dafür bekannt eine recht aktive Szene zu haben. Wir bekommen davon aber eigentlich nicht besonders viel mit und haben auch keinen großen Anteil daran. Die Bands, auf die du vermutlich anspielst, bewegen sich zumeist in musikalischen Bereichen, die uns einfach nicht besonders ansprechen und darum fühlen wir uns momentan eigentlich auch keiner speziellen Szene zugehörig.

MAS:
Nachdem ihr jetzt eure ersten Songs als Debüt-EP herausgebracht habt, was kommt als nächstes: Album, Tour, Weltherrschaft? Welche Ziele steckt man sich als Newcomerband die sich Musik verschrieben hat, die nicht wirklich massenwirksam klingt?


DJL:
Die Stücke, die wir mit „2007“ jetzt endlich auf CD gebracht haben, sind zum Teil schon über ein Jahr alt und darum sind wir momentan dabei, soviel neue Musik zu machen wie wir Ideen verarbeiten können. Wir haben in letzter Zeit auch einige Konzerte gespielt und festgestellt, dass wir großen Spaß daran haben. Die nächsten paar Monate werden wir aber trotzdem hauptsächlich soviel Zeit im Proberaum verbringen, wie unsere jeweiligen Nebenbeschäftigungen wie Studium und Arbeiten eben zulassen. Im Sommer wollen wir dann wieder ein paar Konzerte spielen (s. Tourdaten) und wenn sich genug Material für eine nächste Aufnahme angesammelt hat, das ganze dann auch wieder einspielen. Die Weltherrschaft hat vermutlich noch ein bisschen Zeit und wird uns solange schon nicht davonlaufen.


Mario Karl



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