Musik an sich


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"Keine Zukunftspläne, außer frisch und gesund bleiben" - ACAPULCO GOLD-Kopf Marcus Neu zum Abschluss der Review-Reihe




Info
Gesprächspartner: Marcus Neu

Zeit: Mai 2007

Interview: E-Mail

Stil: Deutsch Rock

Internet:
http://www.marcus-neu.de
http://www.all-about-50.de
http://www.acapulco-gold.de

Fünf Monate lang haben wir Euch die Alben der Deutsch-Rock-Band Acapulco Gold vorgestellt, die in den 80ern erschienen waren und kürzlich auch auf CD veröffentlicht worden sind.
In diesem Monat endet die Serie mit einer Review der CD Diggers von All about 50, dem aktuellen Projekt von Acapulco Gold Kopf Marcus Neu. Norbert von Fransecky hat es sich nicht nehmen lassen, den Review-Sack mit einigen Hintergrund-Informationen zuzubinden.


MAS:
Hallo Marcus,
Acapulco Gold sind Vergangenheit; All about 50 Deine musikalische Gegenwart. Verzeih, dass ich – nachdem wir im letzten halben Jahr alle wieder veröffentlichten Acapulco Gold Alben besprochen habe – trotzdem vor allem nach dieser Zeit Frage – obwohl das Interview parallel zur Veröffentlichung der All about 50 Review erscheint.

1980 ist Euer Debütalbum, Rock in einer Sprache die jeder versteht, erschienen. Ich nehme mal an, dass Ihr die Scheibe nicht als Profimusiker veröffentlicht habt. Was waren das für Typen, die dieses Album zu einer Zeit veröffentlicht haben, in der es deutschsprachige Rockmusik ja noch sehr schwer hatte? Was habt Ihr gemacht, wenn Ihr nicht in Sachen Acapulco Gold unterwegs ward?

Marcus Neu:
Wir haben alle bei irgendwelchen Jobs unsere Rücken krumm gemacht und den Sinn des Lebens gesucht, und der hatte irgendwie was mit Musik zu tun. Es gab viele Jamsessions, das war ein prägendes Merkmal der damaligen Zeit. Meine Lieder mussten so einfach strukturiert sein, dass jeder sofort ohne groß zu proben mitspielen konnte. So dauerten die Lieder live immer sehr viel länger, klangen mal besser oder schlechter, aber immer anders als auf der Platte.

MAS:
Gibt es Live-Mitschnitte, die noch einmal veröffentlicht werden könnten – oder gar schon sind?

Marcus Neu:
Wir haben einmal in den 90ern ein Konzert komplett auf Video aufgenommen. Soweit ich mich daran erinnere, war das gar nicht schlecht. Das gibt`s aber nur einmal. Man müsste und könnte das bestimmt bearbeiten. Vielleicht hast du mich da ja auf eine Idee gebracht.

MAS:
Wenn man über eine deutschsprachige Kölner Band aus den frühen 80ern spricht, liegt der Gedanke an BAP nahe. Ich glaube in den Linernotes zu der Wiederveröffentlichung eures Debüts sind sie sogar erwähnt und zwar mit dem Duktus, dass ihr damals insbesondere mit dem von Dir als „Identifikationssong einer breiten Masse“ bezeichneten “Ich törn lieber an“ erst einmal ein größere Rolle in der Südstadt-Szene gespielt habt.
Erzähl doch einmal etwas zu eurem Verhältnis zu BAP – und vielleicht auch zu anderen Helden der damaligen Zeit, wie z.B. Wolf Maahn.

Marcus Neu:
Wir kannten die, hatten aber kein Verhältnis zu denen. Niedecken war schon mal als kölscher Bob Dylan bei uns im Vorprogramm, als es BAP noch nicht gab. Man kannte sich, aber wir waren immer eher die wilden Kerle, die schon mal für Chaos sorgten. Unser damaliger Bassist Mathias Keul war vorher bei Wolf Maahns Food Band und bei BAP.

MAS:
Euer zweites Album enthält den Song, den wohl die meisten kennen, die überhaupt etwas mit Euch verbinden. Das Stück mit dem biblischen Titel “Sodom und Gomorrah“ war zumindest im WDR ein ganz respektabler Fetenhit. Hat dieser Erfolg viel für Euch verändert?

Marcus Neu:
Wir haben uns natürlich gefreut und durch den erhöhten Bekanntheitsgrad mehr Auftritte bekommen. Andererseits war das Stück für eine bis dahin reine Gitarrenband eher untypisch keyboardlastig, und die Leute, die wegen dem Lied zu unseren Konzerten kamen, wussten oft mit unserem etwas wildem Restprogramm nichts anzufangen. Anfangs hab ich das Stück noch auf dem Klavier gespielt, später kam dann mit Wolfram Binder ein Keyboarder in die Band, und mit der Zeit wurde unsere Livemusik sagen wir mal: strukturierter.

MAS:
Was steckte hinter dem biblischen Bild? Eine fromme Band seid ihr ja erkennbar nicht gewesen.

Marcus Neu:
Obwohl wir nicht so offensichtlich eine politische Band waren, habe ich uns doch immer als eine solche verstanden, und viele damalige Fans denke ich auch. Wir waren fester Bestandteil vieler alternativer Festivals, und “Sodom und Gomorrah“ ist ein immer noch aktueller Song über den Zustand der Umwelt. Der Text ist sogar in einem Nordrheinwestfälischem Religionsbuch erschienen und Schulkinder waren aufgefordert ihn zu interpretieren.

MAS:
Als eine Besonderheit von Acapulco Gold auf den beiden ersten Alben sind mir ein paar Songs mit recht skurrilen Texten aufgefallen (“Otto der Floh“, “Mahlzeit“, “Samen“, “Kieselstein“ und “Freddie“).
Gab es da jemanden in der Band, dem so etwas besonders lag?

Marcus Neu:
Da ich die Texte gemacht hab, da muss ich ja sagen, dass das mir lag, die kleinen Dinge zu beschreiben, die dann doch eine große Rolle spielen, oder die großen Rollen in Frage stellen.

MAS:
Spielten diese Songs eine besondere Rolle bei der Wahrnehmung der Band?

Marcus Neu:
Ich denke schon. Wir waren ja so was wie ne Wohngemeinschaftsband, und in den Anfängen hatten viele junge Wohngemeinschaftler Probleme unterschiedlichster Art mit den kleinen Tieren, den großen Tieren und dem Ungeziefer.

MAS:
Das erste Album ist ja wohl in Eigeninitiative erschienen. Wie sah das im Laufe Eurer Karriere mit Plattenverträgen und Vertriebsdeals aus?

Marcus Neu:
Horst Lüdtke, ein Labelmanager der EMI, wollte uns für sein Label bei der EMI haben, aber das kam nicht zu Stande. Mit seinem Know How und seiner Hilfe haben wir dann die Produktion und die Promotion selbst in die Hand genommen. Das war damals noch ein ungewöhnliches Vorgehen, und dadurch waren wir für einige Sender und Stadtmagazine interessant genug für einen Bericht. Da wurde dann immer unsere Adresse genannt, und die Leute konnten die LP direkt bei uns bestellen.
Da wir teilweise zusammen wohnten, haben wir zu Hause die LPs eingetütet und zur Post gebracht. Als das dann schließlich zu viel wurde, fanden wir einen unabhängigen Vertrieb für die erste LP, der dann auch die zweite und dritte vertrieb.
Für „Unkraut vergeht nicht“ auf der dritten LP haben wir von der EMI Geld bekommen. Die haben das als Single veröffentlicht. Von dem Geld haben wir die ganze dritte LP finanziert.

MAS:
1991 erschien nach einer längeren Pause ein viertes Album – in völlig neuer Besetzung und mit Deinem Namen prominent im Titel. Waren das eigentlich noch Acapulco Gold – oder eigentlich etwas Neues?

Marcus Neu:
Ich hatte mir mit meiner Familie eine Auszeit in der Spanischen Sierra genommen, und versucht den Traum vom aufs Land ziehen zu verwirklichen. Da ist dann leider nichts draus geworden, und wieder in Köln habe ich mit dem Keyboarder Wolfram Binder und neuen Musikern neue Lieder eingespielt. Wir wussten, dass das was anderes als Acapulco Gold war, konnten aber als Acapulco Gold immer noch Auftritte bekommen, und außerdem spielten wir live auch alle meine alten Lieblings Acapulco Stücke, die waren ja so was wie ein Teil von mir. So war der irritierende CD Titel für mich plausibel.

MAS:
Dein aktuelles Album Diggers erscheint unter dem Bandnamen All about 50. Darauf sind neben einem deutschen und zwei englischen Titeln von Dir vor allem Coverversion von Blues-, Country- und Rockklassikern. Von außen betrachtet wirken All about 50 erst einmal, wie eine von 100.000 Feierabendbands, in denen Hobbymusiker ihrer Passion frönen. Wie würdest Du den Status von All about 50 selber beschreiben?

Marcus Neu:
All about 50 ist die reinste Hobby Band, die es gibt, aber Klasse, und wir treten auf, ab und zu. Wir versuchen nicht zu klingen wie Originale, wir sind selber welche und wollen den Spirit der Zeit in der die Stücke entstanden, und wie wir sie verstanden haben und immer noch verstehen, rüberbringen.

MAS:
Was bedeutet der Bandnamen? Sind alle Bandmitglieder um die 50, oder wollt ihr alle Menschen um die 50 mit Eurer Musik ansprechen?

Marcus Neu:
Beides, aber auch die Jungen mögen uns.

MAS:
Ist All about 50 ein auf diese CD beschränktes Projekt oder hast Du Zukunftspläne mit der Band, dem Projekt?

Marcus Neu:
Nein, keine Zukunftspläne, außer frisch und gesund bleiben.

MAS:
Sind die beiden deutschen Titel Restverwertungen aus Acapulco Gold Tagen, oder ein Hoffungszeichen, dass in der Zukunft auch wieder deutsche Rockmusik von dir zu erwarten ist?

Marcus Neu:
In Planung ist eine CD mit meinen Liedern, aber nicht die Rock Version, sondern eher die akustische Variante.

MAS:
Die CD Diggers kann man über die Mix united Page beziehen (www.mixunited.com). Gibt es andere Möglichkeiten All about 50 zu erleben – z.B. live?

Marcus Neu:
Acapulco Gold, bestehend komplett aus der Marcus Neu- oder Acapulco Gold-Band plus dem uralt Acapulco Gold Gitarristen Kai Waindinger, spielen bei "Generations on Stage" am 19. Mai in der Kantine in Köln. (Was bei Erscheinen der Juni-MAS leider schon Geschichte ist; NvF)
All about 50 hat im Moment keine Termine.

Norbert von Fransecky


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