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Rare Sounds from the Progressive Jungle (Sampler)
(Early Birds / Second Battle)

Prog-Rock

Es war einmal ein Theologiestudent, der sich - frisch nach Berlin
ausgewandert - in eine Steglitzer Seitenstrasse verlief, und dort
einen interessanten kleinen Plattenladen entdeckte. Das wirklich
Spannende an diesem Laden waren nicht die Second Hand Kisten, aus
denen er gelegentlich die eine oder andere CD erwarb, sondern die
Regale, in denen sich rare und obskure Kraut- und
Progressive-Rock-CD`s befanden, die anderswo kaum aufzutreiben waren.
Aus Etatgründen beließ der Theologiestudent es dort allerdings in
aller Regel beim Stöbern und Staunen.

Natürlich war besagter Theologiestudent euer unterzeichnender
Rezensent. Aus dem Süden Berlins verzogen hatte ich "Pandora´s Box",
wie sich der CD-Laden nannte, lange nicht mehr besucht, als mir der
Name an gänzlich anderer Stelle wieder begegnete. Immer wieder tauchte
bei den Kollegen anderer Musikmagazine unter Rezensionen "rarer und
obskurer Kraut- und Progressive-Rock-CD`s" als Bezugsadresse der
Plattenladen in der kleinen Steglitzer Seitenstraße auf. Dass sich
dieser Laden nicht nur zum Mailorder-Betrieb, sondern zum Betreiber
gleich zweier Plattenlabels gemausert hat, lässt sich an Hand der
Compilation "Rare Sounds from the Progressive Rock Jungle" bestens
nachvollziehen. 20 Tracks repräsentieren das Gesamtprogramm der Label
"Early Birds" und "Second Battle". Ersteres hat sich der
Wiederveröffentlichung "rarer und obskurer Kraut- und
Progressive-Rock-Scheiben" auf CD verschrieben. Second Battle hingegen
lässt neue CD`s, die sich auf den Pfaden "rarer und obskurer Kraut-
und Progressive-Truppen " bewegen, auf die interessierte Menschheit
los.

Bezeichnend für die vertretenen Bands: 15 von 20 Titeln kommen
als "Edit-Version", sprich: Man hat ein ellenlanges Stück auf
Sampler-kompatible drei bis vier Minuten gestaucht. Mein Ohr knotete
sich fest unter anderem bei "Only for the Moment" (1999) von Zenobia,
einem wunderbar rhythmisch verbreakten Progressivestück, das dem
mitwippenden Fuß kaum Ruhe lässt. Die Berliner Truppe steht noch ohne
eigenen Plattenvertrag da (Schande über alle CD-pressenden
Institutionen). Das eigenproduzierte Debut wird aber über Second
Battle vertrieben.

Jefferey Liberman ist Amerikaner. Sein "Phenomena #3" klingt
allerdings, als hätte er es Wand an Wand mit Eloy aufgenommen, als die
gerade an "Oceans" oder umliegende Album geschmiedet (und ziseliert;
ist ja kein Schwermetal) haben. Paßt zeitlich mit dem Entstehungsjahr
1975 auch hervoragend.

Groovender Baß, immer wieder die Gitarre, aber auch mal die
Mundharmonika - das sind die tragenden Teile von "Soul Francisco"
(1971). Light of Darkness kennzeichnen wohl irgendwie den Übergang vom
Blues und Soul zur Rock und Pop-Musik. Mal klingt das Ganze nach
gaaaanz frühen Sweet oder AC/DC. Dann schimmern die Doors durch. Und
all das war doch erst viel später - oder irre ich mich?

Die deutschsprachige Tradition der Krautrockära ist leider nur mit
einem Titel, "Regenbogenschein von Gomorrah" (1970/71), vertreten.
Auch die christliche Hörerschaft wird berücksichtigt - ganz aktuell
(1998) mit dem von sanftem Flötenklang geprägtem "Goodbye to Albion"
von Colin Bass. Gleich danach machen sich Grail auf die Suche nach
dem "Grail" (1971). Und zwar - wenn man der Instrumentierung glauben
schenken kann - auch auf dem indischen Subkontinent.

Das Booklet enthält leider außer den Abbildungen der CD-Cover mit
Erstveröffentlichungsdatum keine weiteren Informationen. Das ist
schade, weil die CD`s wohl zumindest zum Teil mit Bonus-Tracks
versehen sein müssen. Beispiel: Ego on the Rocks, eine Eloy-Ableger,
der 1981 mit "Acid in Wounderland" ein absolut geniales Werk vorgelegt
hat. Der auf "Rare Sounds..." vertretene Song - übrigens wesentlich
schwächer als das sonstige Material - ist jedenfalls auf meiner
LP-Version nicht enthalten. Zum Trost ist der Preis der CD nahezu
genial. Sie wird nicht verkauft, sondern verschenkt.

Im Laden in der Stubenrauchstr. 70 kann man sie zu den regulären
Öffnungszeiten (Di-Fr 12 - 18 Uhr; Sa 10-12 Uhr) einfach abholen. Wer
sie per Post bestellt (12161 Berlin) muß lediglich 5 Mark für Porto
und Verpackung beilegen. Für alle Freunde "rarer und obskurer Kraut-
und Progressive-Rock-CDs" und für alle die, die es noch werden wollen,
ein absolutes Muss.
Norbert von Fransecky

14 von 20 Punkten