Musik an sich


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Rother Bluestage 2014, Teil 2: Vdelli und Hundred Seventy Split




Info
Künstler: Hundred Seventy Split, Vdelli

Zeit: 28.03.2015

Ort: Roth - Kulturfabrik

Internet:
http://www.vdelli.com
http://www.hundredseventysplit.com
http://www.bluestage.de

Das vorletzte Konzert der diesjährigen Rother Bluestage ist ein Doppelkonzert mit den Bands Vdelli und Hundred Seventy Split. Bei beiden Bands handelt es sich um klassische Bluesrock-Powertrios, die mit ihren jüngsten Veröffentlichungen regelmäßig gute bis sehr gute Kritiken bekommen haben.

zu Teil 1 unserer Berichterstattung aus Roth


Auch heute ist wieder sehr viel los, als um 20 Uhr die Australier VDELLI beginnen. Der Sound passt hervorragend, die Leute sind in Feierlaune - die Party kann beginnen! Vdelli waren schon einmal bei den Rother Bluestagen und sind also keine Unbekannten mehr. Es scheint auch so, dass ein Großteil besonders wegen den Australiern gekommen ist. Die Stimmung ist von Beginn an sehr gut. Namensgeber Michael Vdelli wirkt im Gegensatz zu den jüngsten Promofotos äußerst sympathisch und super gut gelaunt. Er macht Scherze mit dem Publikum, spielt leidenschaftlich und mitreißend Gitarre und singt dabei auch noch hervorragend. Mich erinnert sein Gesang an Rickey Medlocke, den früheren Sänger von Blackfoot, der mittlerweile bei Lynyrd Skynyrd in Lohn und Brot steht. Bassist Leigh Miller übernimmt bei den Songs den kompletten Background-Gesang. Basstechnisch spielt er auf allerhöchstem Niveau, was ein kurzes aber sehr eindrucksvolles Solo unter Beweis stellt.
Die komplette Band beschränkt sich nicht nur darauf, auf der Bühne herumzustehen. Da wird gerockt und geschwitzt, was das Zeug hält. Leigh Miller hüpft dabei teilweise zum Rhythmus der Musik. Der Mann zeigt sehr viel Körpereinsatz. Schlagzeuger Rick Whittle drischt wie ein Tier auf sein Schlagzeug ein und erinnert von der Optik her sehr stark an „Kill Bill“-Schauspieler David Carradine. Was der Mann am Schlagzeug abliefert, ist schon phänomenal! Er treibt die beiden Musiker stetig nach vorne und sorgt für einen schier unnachahmlichen Drive. Die Musik wechselt dabei angenehm zwischen Bluesrock-, Hardrock- und Rock'n'Roll-Anteilen.
Musikalische Vielfalt stellen sie mit einem drei Songs überspannenden Akustik-Teil unter Beweis. Hier darf sogar der Tourmanager mit auf die Bühne und spielt noch eine zweite Akustik-Gitarre. Die Aktion kommt beim Publikum hervorragend an. Überhaupt muss man sagen, dass die Stimmung während des kompletten Gigs einfach gigantisch ist. Die Band gibt alles und das Publikum honoriert dies völlig zu Recht. Die Spielfreude des Trios ist grandios. Sie merken gar nicht, wie die Zeit vergeht. Der Tourmanager kommt und wirft einen Zettel auf die Bühne: er mahnt die Jungs zur Pünktlichkeit!
Mit „Catatonic“, einem Song vom neuen Album „Higher“ endet der reguläre Teil. Das Rother Publikum lässt die Jungs jedoch nicht ohne Zugabe von der Bühne, die dann mit einer tollen Coverversion von „Dust My Broom“ und einer Hammer-Version des Klassikers „Baby Please Don’t Go“ auch prompt präsentiert werden. Nach den gebotenen 90 Minuten ist dann endgültig Feierabend. Das Publikum ist aus dem Häuschen, die Stimmung klasse und die Band ist aufgrund des überwältigenden Publikumszuspruchs sichtlich beeindruckt. Mir geht es ähnlich. Ich hätte nicht mit einem derart furiosen Konzert der Australier gerechnet! Die drei Musiker sind äußerst sympathisch und lustig, der Auftritt hat wirklich sehr viel Spaß gemacht. Ich befürchte, dass Hundred Seventy Split es danach richtig schwer haben werden.


Setlist Vdelli:
N’uff Your Stuff
Could Be Good
My Baby Does It Better
Going Too Hard
2 x 2
Why I Sing the Blues
Change the View
Feline
Stratus
Rainy Night In Georgia (Akustik)
Dark And Lonely Place (Akustik)
Fire And Rain (Akustik)
Noel Burnt The Kitchen Down
Loose Enough
Boogie A
Coming For Me
Catatonic
---
Dust My Broom
Ain’t Burning Me Down
Baby Please Don’t Go


Um 22 Uhr geht das Licht erneut aus und HUNDRED SEVENTY SPLIT betreten die Bühne. Schlagzeuger Damon Sawyer kommt als erster. Er wird zunächst vom Publikum gar nicht als solcher wahrgenommen. Erst als Joe Gooch und schließlich die Legende am Bass - Mr. Leo Lyons - die Bühne betreten, applaudieren die Leute. Mit dem Song „No Deal“ vom ersten Album legt das Trio los. Der Sound passt auch hier wieder hervorragend, da gibt es nichts zu meckern. Ich habe mich direkt vor Lyons postiert. Als Bassist interessiert mich sein Bassspiel natürlich besonders. Ich finde, dass er in einer Kategorie mit den legendären Jack Bruce oder John Entwistle gehört. Sobald er sein „Arbeitsgerät“ in den Händen hat merkt man, dass er unter Strom steht. Der abgewetzte Signature-Bass klingt hervorragend und er spielt so mit Feuereifer, dass es eine wahre Freude ist. Er lächelt während der meisten Zeit des Auftritts. Ich finde es sehr beeindruckend, dass er nach all den Jahren immer noch so viel Begeisterung an seinem „Beruf“ hat.

Die drei spielen hervorragend zusammen und verstehen sich auf der Bühne fast blind. Damon Sawyer liefert eine grundsolide Rhythmusarbeit, hier sind Präzision und Timing über alle Maßen vorhanden. Allein ihn und Lyons im Zusammenspiel zu beobachten, ist schon das Eintrittsgeld wert. Joe Gooch singt von Beginn an sehr ausdrucksstark. Gitarrentechnisch hat er beides drauf: Blues mit Gefühl und bei den Solos Wucht, Aggressivität und Power. „Pork Pie Hat“ und „Dance On Your Tombstone“ sind für mich zwei der besten Songs des neuen Albums und kommen auch live sehr gut rüber. Allerdings muss man sagen, dass sich HSS nach Vdelli schon sehr schwer tun. Das Publikum hat bei ihnen alles gegeben und ist schon ein bisschen ausgepowert. Und die Granaten wie Vdelli haben HSS auch nicht. Außerdem spielen jene mit viel weniger Wucht als die Australier. Joe Gooch hat auch nicht die sympathische Ausstrahlung wie Michael Vdelli. Teilweise wirkt seine Gestik und Art auf mich angestrengt, genervt und teilweise aggressiv. Im Gegensatz dazu natürlich Leo Lyons, der immer gut gelaunt zu sein scheint und sehr viel Blickkontakt mit dem Publikum aufnimmt. Ansagentechnisch sind HSS eher ruhig, manches verstehe ich auch nicht, obwohl ich direkt davor stehe.
Bei „I’d Love To Change The World“ - eigentlich dem Ten-Years-After-Klassiker schlechthin - singt Joe Gooch äußerst schwach. Hier habe ich beispielsweise den Eindruck, dass er auf diesen Song überhaupt keine Lust hat. Es kommt auch seitens des Publikums hier kaum Stimmung auf. Und bekannt ist das Lied ja doch! Das Konzert gewinnt mit „50000 Miles Benath My Brain“ immer mehr an Fahrt und so langsam kommt auch bei den Fans Begeisterung auf. Bei zwei Songs spielt Leo Lyons sogar Kontrabass. Das habe ich bei ihm bei Ten Years After so auch noch nie gesehen. Auch hier glänzt er durch virtuoses Spiel und bekommt entsprechend Applaus. Irgendetwas passt Joe Gooch heute Abend nicht. Kurz vor dem regulären Ende gestikuliert er noch äußerst genervt in Richtung des Mischers und deutet dabei sehr energisch auf seine Monitorbox. Irgendetwas scheint er nicht gut zu hören. „Good Morning Little Schoolgirl“ animiert das Publikum zum Tanzen und die Stimmung steigt noch ein bisschen. Solche Songs hätten sie vielleicht noch einen oder zwei mehr einbauen sollen.
Nach „King Of The Blues“ geht das Trio von der Bühne. Hier ereignet sich eine kleine Spinal-Tap-Parallele: Leo Lyons möchte die Bühne nach links verlassen und geht auch in diese Richtung, allerdings gibt es hier keinen Ausgang. So bleiben er und sein Roadie hinter dem Vorhang und warten dort auf die Zugaben. Als Zugaben fungieren diesmal das atmosphärische „Wish You Were At Woodstock“ und die Ten-Years-After-Überhymne „I’m Going Home“. Hier geben Band und Publikum noch einmal alles. Die Stimmung ist ausgelassen, es tut sich was im Saal und das Konzert findet doch noch ein sehr versöhnliches und stimmungsvolles Ende. Danach sieht man sogar Joe Gooch zum ersten Mal lachen und er wirft noch einige Plektren ins Publikum. Kurz darauf sind beide Bands am Merchandising-Stand, machen Fotos, unterhalten sich mit den Fans und sind auch sonst für jeden Autogramm-Wunsch gerne zu haben. Diese Aktionen werden von den Rother Veranstaltern immer sehr gut organisiert. Hier gibt es kein Gedränge und keine halsbrecherischen Renn-Aktionen seitens der Autogrammjäger. Alles läuft entspannt ab für Musiker und Fans. Hier könnten sich etliche Veranstalter eine gehörige Scheibe abschneiden!

Setlist Hundred Seventy Split:
No Deal
Where The Blues Began
Pork Pie Hat
Gonna Dance on Your Tombstone
I’d Love To Change The World
50,000 Miles Beneath My Brain
Going Home
Love Like a Man (Ten Years After cover)
The World Won't Stop
Tail-Lights
The Devil To Pay
Poison
Good Morning, Little Schoolgirl
Tennessee Plates
King of the Blues
---
Wish you Were At Woodstock?
I'm Going Home




Fazit: Beide Konzerte haben mir sehr gut gefallen. Vdelli waren etwas wuchtiger, musikalisch waren beide Combos total überzeugend und äußerst sehenswert. Die Veranstalter der Bluestage haben ein buntes und abwechslungsreiches Programm in ihrer diesjährigen Wundertüte, das auch heuer wieder für jeden Geschmack etwas geboten hat. Ich kann nur jedem Blues- bzw. Rock-Fan raten, sich dort einmal ein Konzert anzuschauen. Es lohnt sich auf alle Fälle! Ich hätte noch drei Wünsche für das nächste Jahr: Robert Cray, Eric Sardinas und Ian Hunter. Wenn ihr den nach Franken lockt, fahre ich mit dem Fahrrad nach Roth!



Stefan Graßl



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