Musik an sich


Reviews
Sani, N. (Sani - Alter Ego)

Elements / Oltre il deserto spazio)


Info
Musikrichtung: Neue Musik Ensemble

VÖ: 18.04.2007

Stradivarius / Audite
2 CD (Elements) / CD (Oltre il deserto spazio) (AD DDD 1996-2006) / Best. Nr. STR 33766 (Elements) / STR 33609 (Oltre il deserto spaz




ATMOSPHÄRISCH

Der italienische Komponist Nicola Sani (Jg. 1991) schafft Klangskulpturen, Räume und ganze Landschaften aus der Kombination elektronischer und akustischer Klänge. In der renommierten Alchemistenküche des WDR Studios für Akustische Kunst entstand zwischen 1996 und 2002 der Zyklus elements für diverse Flöten, Schlagzeug, Kontrabass, Orgel und Elektronik. Sani setzt hier ausschließlich die tiefen und sehr tiefen Vertreter der Flöte ein; für das finale Con fuoco ließ er sogar ein übermannsgroßes Super-Bassinstrumente konstruieren, dessen ultratiefe Frequenzen manchmal nur noch körperlich fühlbar sind. Eine Vielzahl von Spieltechniken und Artikulationsmöglichkeiten sowie der Einbezug von Klappen-, Anblas- und Atemgeräuschen sorgt für eine große Palette an Klangeffekten, die durch die elektronische Manipulation noch vervielfacht werden. Naturgeräusche und die pointiert eingesetzten Zweitinstrumente verleihen jedem der rund 30-minütigen Stücke ein unverkennbares Profil zwischen geräuschhafter musique concrete und atmosphärischem Klangfarbenspiel. Vor allem die Bevorzugung tiefer Klangregionen sorgt für sehr malerische und suggestive, manchmal geradezu beschwörende und unheimliche Wirkungen.
Dabei legt sich Sani strenge Maßhaltung beim Einsatz seiner Möglichkeiten auf. Nicht nur entwickeln sich die musikalischen Prozesse organisch und mit manchmal zeitlupenhafter Langsamkeit; auch die Mittel werden niemals nur virtuos ausgestellt. Diese Konzentration des Materials fordert auch vom Hörer große Aufmerksamkeit, soll die Musik nicht einfach „vorbeirauschen“. Bei der Länge der Stücke fällt das nicht unbedingt leicht. Die buchstäblich naturalisierten und dann wieder de-naturalisierten Klänge hört man am besten in einer eher meditativen Stimmung als eine Art Hörspiel ohne Worte oder als Klangporträt einer vorbeiziehenden Landschaft.

Das Album oltre il deserto spazio wartet mit sechs kürzeren Stücken auf, die sich durch wechselnde elektroakustische Farb- und Instrumental-Kombinationen auszeichnen. Auch hier erweist sich Sani als zwischen Kontemplation und Exaltation agierender Klangalchimist, der z. B. nur mit Cello und Zuspielband (Sonore image de mon absence) sphärische akustische Räume und unwirkliche, zwischen samtiger Weichheit und mineralisch-metallischer Schroffheit changierende Texturen schafft. Gleich das eröffnende Klavierstück Concetto speziale, attese lotet die Register des Flügels in seinen Extremen aus, dynamisch ist zwischen erdbebenhaften Vibrationen und zartesten Klangschattierungen alles drin. Wie bei Elements frappieren die gleichsam informellen, organisch sich entfaltenden Klänge. Klar definierte „Melodien“, „Rhythmen“ oder andere „konventionelle“ musikalische Gesten wird man nicht finden.



Georg Henkel



Trackliste
Elements
CD 1 72:50
01 Wassererinnerungen 34:55
02 Windstille 37:52
CD 2 62:35
01 Terra 30:46
02 Con Fuoco 31:46


Oltre il deserto spazio: 77:16
01 Concetto speziale, attese 12:56
02 Sonore image de mon absence 18:33
03 I binari del tempo 11:44
04 Un canto dell’isola 09:44
05 Non tutte le isole hanno intorno mare – isola terza 14:52
Olte il deserto spazio 09:27
Besetzung

Roberto Fabbriciani, Flöten
Isao Nakamura, Schlagzeug
Oscar Pizzo, Orgel
Nicola Sani, Soundprojection

Ensemble Alter Ego
Manuel Zurria, Flöte
Paolo Ragavalia, Klarinette
Francesco Peverini, Violine
Francesco Dillon, Violoncello
Oscar Pizzo, Klavier


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