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Musik an sich
 
Wir nehmen einen Sampler fürs Auto auf
 

Der gewöhnliche Metalfan unterscheidet sich nicht nur durch Frisur, Kleidung und Trinkgewohnheiten von seinen hässlichen Brüdern und Schwestern der Pop-, Rap,- und sonstigen Unkultur. Er ist zusätzlich auch noch immun gegen Verseuchung durch ViiJäyys, Morgenmäns und ähnliche moderne Zivilisationskrankheiten.

"Halloo lieber Frühaufsteher, hier ist Fränkie auf Radio Klabusterperle. Ich bin unglaublich lustig und bevor ich mich totlache und ihr ein Teeservice mit dem Logo unseres hippen Senders gewinnen könnt, gibt es jetzt die Singleauskoppelung aus der neuen Marduk-Scheibe. Und ab dafür!" Nee, so braucht das auch kein Mensch.

Im Metal haben Singles eher einen untergeordneten Stellenwert und werden nicht selten sogar verpönt. Das Album als Gesamtkunstwerk zählt, damit "One Hit Wonder" erst gar nicht auftreten können. Außerdem ist diese Vorgehensweise ein klares Statement gegen den Zeitgeist, gegen hibbelige Teenies, die sich nicht mal drei Minuten am Stück konzentrieren können und gegen die Industrie sowieso.

Manchmal überfällt den Heavy dann aber doch der Wunsch, den einen Song vom misslungenen Rest des Albums abzutrennen. Der Sampler fürs Auto ist hier eine weithin akzeptierte wie passende Lösung. Wer keinen CD-Player im Corsa vorrätig hält, schneidet sich alle paar Monate die größten Hits seiner ständig wachsenden Plattensammlung zusammen und kann mit diesen Sahnestücken gepflegt in das nächste verfügbare Stauende oder die fies getarnte Radarfalle semmeln. Adrenalin pur!

Und ganz plötzlich sitzt der Kuttenträger in seinem aufgeräumten Musikzimmer, dreht und wendet Cover, notiert fein säuberlich Bands und Songtitel (der Streber auch noch Spielzeit, Albumtitel und die Namen der Musiker), entwirft Strategien (Bon Jovi nach Napalm Death oder lieber vorher) überlegt, wie er die restlichen 24 Sekunden auf Seite A noch sinnvoll füllen kann (z.B. mit 10 Songs von S.O.D.; R.I.P.; A.B.C.D.E.F.G.) und sucht nach geschickten Übergängen. Da ein Donnergrollen als Outro, welches passgerecht in ein Donnergrollen übergehen könnte, bevor ein weiteres Donnergrollen die Sache abrundet.

Aber Vorsicht! Nichts ist so albern wie ein abgehackter Anfang und/oder ein verstümmeltes Ende. Wenn schon, dann auch bitte bis zum letzten zuckenden Blitz und wenn es Stunden zu dauern scheint. Auf der Fahrt zum nächsten Konzert wird die auf Tape gebannte Geschmackssicherheit den Kumpels vorgespielt, die entweder zustimmend mit dem Kopf nicken oder diesen verächtlich schütteln. Das sieht, wenn wir ehrlich sind, ziemlich ähnlich aus, ist im Endeffekt aber auch nicht so wichtig. Zum Kopfschütteln trifft man sich schließlich.

Till Burgwächter

(Till Burgwächter ist Autor des just erschienen Buches "JGTHM" - einer ernsten Satire zum Thema Heavy Metal. Wie es der Zufall will ist hier eine Rezension seines Buches. Anm.d.Red.)

 

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