Mondonville, J.-C. de (Kossenko, A. - Les Ambassadeurs - La Grande Écurie)

Le Carnaval du Parnasse


Info
Musikrichtung: Barock / Oper

VÖ: 12.04.2024

(CVS / Naxos / 2 CD / DDD / 2023 / CVS 122)

Gesamtspielzeit: 127:54



BAROCKE KARNEVALSPARTY

Er galt den Zeitgenossen als der große Rivale von Jean-Philippe Rameau: Jean-Joseph Cassanéa de Mondonville. Dass das Publikum ihn zunächst als ähnlich gelehrt und „schwierig“ empfand, kann man heute angesichts der offensichtlichen Unterschiede kaum nachvollziehen: In Rameaus Musik dominiert die reich gestaltete Harmonie, dann kommt der Rhythmus und dann folgt die Melodie, abgeleitet von der Harmonie. Der Fagottist Rameau komponierte kleinteilig, dicht, komplex.
Bei Mondonville ist es umgekehrt: der Primat der Melodie ist unüberhörbar, ebenso der Einfluss Italiens, für den der Geiger offene Ohren hatte. Auch mag seine südfranzösische Herkunft ihn für eine ebenso virtuose wie eingängige Musik, die immer auch mit volkstümlichen Ingredienzien gewürzt ist, prädestiniert haben. Dass Mondonville offenbar auf die Violen in seinem Orchester verzichten konnte, passt da ins Bild: Wenn alles unablässig zum Gesang wird und die beiden Geigenstimmen sozusagen permanent Spitze klöppeln, braucht es nur eine einfache harmonische Stütze und keine dritte Stimme.

In einer Epoche, die bei der Musik eine geschmeidige Eingängigkeit schätzte, kann es also nicht verwundern, dass 1749 im direkten Wettstreit Rameaus musikalisch vielschichtige und inhaltlich ambitionierte neue Musiktragödie „Zoroastre“ dem flotten Mondonville-Ballett „Le Carnaval du Parnasse“ klar unterlag.
Und während Rameaus Oper erst nach einer weitreichenden Revision 1756 einen größeren Erfolg verbuchen konnte, wurde Mondonvilles Bonboniere bis dahin wiederholt mit durchschlagendem Publikumserfolg geöffnet, zum letzten Mal 1774, zwei Jahre nach dem Tod des Komponisten. Auch die Kritik mochte sich nur lobend äußern.

Hört man jetzt die erste Einspielung des Werks durch „Les Ambassadeurs – La Grande Écurie“ unter Alexis Kossenko, dann versteht man diesen Hype zumindest ansatzweise. Kossenko, der vor nicht allzu langer Zeit noch Rameaus „Zoroastre“ in der Erstfassung präsentierte, widmet sich nicht weniger ambitioniert dem Gesangs- und Tanzfest des Rivalen. Der verspieltere und luftige Stil Mondonvilles erinnert an eine Folge von Petits Fours. Wo Rameau doppelte Böden in seine Musik einzieht und das Ohr mit ständig neuen Wendungen verwirrt, entfaltet es sich hier alles ganz unmittelbar verständlich und bietet sich mit eingängigen Wendungen und ausreichenden Wiederholungen zum Mitsummen an.
Das melodische Talent des Komponisten und sein Verständnis für sinnliche instrumentale Kolorierungen sowie dekorative Schnörkel sorgen dafür, dass die meisten Nummern zünden. Markante Rhythmen und ein stringenter Puls treiben das Ganze voran. Dass die Musik vorhersehbarer und eindimensionaler als bei Rameau ist, muss kein Schaden sein, wenn es so engagiert umgesetzt wird, wie in diesem Fall.

Diese Musik braucht in der Tat wirklich gute Stimmen, um zur Wirkung zu kommen. Da der Stoff zudem eine durchaus komödiantische Note hat – es geht um die heiter-amourösen Verwechselungsspiele zweier maskierter göttlicher Liebespaare auf dem Berg der Musen – bedarf es zugleich eines gewissen stimmschauspielerischen Talents, damit die Figuren zumindest einigermaßen plastisch wirken.

Dank eines Ensembles versierter Solistinnen und Solisten, die das Repertoire gleichsam mit der Muttermilch aufgesogen und schon eine ganze Reihe dieser Werke auf die (Konzert)Bühne gebracht haben, geht das sehr schön auf:
Vor allem das Damentrio Gwendoline Blondeel, Helene Guilmette und Hasnaa Bennani becirct in verschiedenen Musen-Rollen mit koloratursicheren, fruchtig-frischen Stimmen. Die Herren agieren in Buffo-Stimmung: Tenor Mathias Vidal präsentiert einen nachgerade satyrhaften Apollo, seine eigenwillig expressive Stimme steht auch einem Hirten im Prolog gut zu Gesicht. Der versierte David Witczak kreiert als baritonaler Gegenpart den Spötter Momus markig und etwas verschroben. Diversen Gefolgsleuten des Musenpersonals leiht Adrien Fournaison seine wohlklingende Bassstimme. Spritzig agiert der Kammerchor aus Namur, während vom groß besetzten Orchester kontrastreiche und gesättigte Farben kommen, die mit Galoubet-Flötchen und diversen Tambourins archaisierend ausgarniert werden. Unterstützt wird das Spektakel von einem präsenten, durchsichtigen Klangbild.

Fazit: Eine barocke Easy-Listening-Party, die von den Ausführenden mit entwaffnender Musizierlaune auf die moderne Hörbühne gehoben wird.



Georg Henkel



Besetzung

Gwendoline Blondeel, Hélène Guilmette, Hasnaa Bennani, Mathias Vidal, David Witczak, Adrien Fournaison


Choeur de Chambre de Namur

Les Ambassadeurs – La Grande Écurie

Alexis Kossenko, Leitung


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