Musik an sich


Artikel
Pharaoh: Vier normale Jungs, die über normale Dinge nachdenken



Info
Gesprächspartner: Pharaoh

Zeit: 26.02.2011

Ort: Deutschland - Chicago

Stil: Heavy/Power Metal

Internet:
http://www.solarflight.net
http://www.facebook.com/Pharaohmetal

Die amerikanische Metalband Pharaoh erfreute ihre Fans kürzlich mit dem neuesten Album Bury the light, das alle Stärken der Band zur Schau stellt. Die Gruppe spielt zwar traditionell veranlagten US-Metal. Dieser klingt aber glücklicherweise keineswegs altbacken und überholt. Die Platte ist Pharaohs vierte. Die Band besteht aus vier gleichberechtigten Musikern und Songwritern die über zwei US-Staaten verteilt leben (Pennsylvania und Illinois). Dass letzteres so manche Schwierigkeit mit sich bringt, war nur eines der Themen die in folgendem Interview zur Sprache kamen. Gesprächspartner war Schlagzeuger Chris Black, der nebenbei aktuell noch drei weitere, musikalisch sehr unterschiedliche Projekte am Laufen hält (High Spirits, Dawnbringer, Superchrist) und sich als ziemlich entspannt und auskunftsfreudig zeigte.



Bevor wir zu eurer aktuellen Veröffentlichung kommen, hätte ich noch eine Frage zur letzten EP Ten years, die 2011 erschien. Warum hat es so lange gedauert, bis sie veröffentlicht wurde? Angekündigt wurde sie schon fast zwei Jahre vorher.

Wir mussten Zeit und Energie finden, sie fertig zu machen. Die Zeit um Be gone herum war sehr stressig. Vielleicht nicht im Vergleich mit anderen Bands, aber für unsere Verhältnisse forderte es mehr Energie als sonst. Deshalb machten wir 2009 Pause und begannen wieder 2010 an den Songs für die EP zu arbeiten. Die Dinge bewegen sich bei uns immer langsam, also war es normal, dass sich die Veröffentlichung ein Jahr nach hinten verschiebt.

Wie habt ihr die beiden Coverversionen dafür ausgewählt? Ich fand besonders die Interpretation von New Model Armys „White light“ interessant. Es erinnert mich ein wenig an Anacrusis’ Version von „I love the world“ - wobei ihr natürlich einen besseren Sänger habt. Ich finde Tim Aymars Stimme allgemein großartig.

Ja, Tims Gesang macht offensichtlich einen großen Teil unseres Sounds aus. Seine Stimme gibt unseren Songs Leben! Gitarrist Matt Johnsen hat „White light“ ausgesucht. Ich bin und war nie besonders vertraut mit dieser Band. Wir haben ein paar andere mögliche Lieder ausprobiert, dieses funktionierte für Pharaoh aber am besten. Zum Slayer-Song: Nun, wir alle lieben ihr Debüt Show no mercy. Also mussten wir uns nur auf einen Titel davon einigen. „Tormentor“ hatte das meiste Potenzial für Matt, um sein explosives Gitarrenspiel einzubringen. Das magische Riff am Ende war sogar wirklich früher in der Slayer-Version. Ich habe ein Bootleg auf LP von der Zeit vor Show no mercy, und da ist es zu hören. Es gab einen Text dazu, aber die bescheidene Aufnahme macht es unmöglich ihn zu erkennen. Also drehten wir einfach mit dem majestätischen und bombastischen Zeug durch.

Ihr habt als Band in der Tradition von Bands wie Iron Maiden oder Omen begonnen und seit immer etwas mehr in eine komplexere Richtung gewandert, ohne die Nachvollziehbarkeit zu verlieren. Diskutiert ihr vor jedem Pharaoh-Album welchen Weg ihr gehen wollt oder beginnt ihr einfach zu schreiben und seht wohin es sich entwickelt?

Ein bisschen von beidem. Bevor wir mit dem Schreiben eines neuen Albums anfangen, diskutieren und verständigen wir uns auf bestimmte Ziele, schauen auf bisherige Alben zurück, bestimmen Dinge die wir besonders daran mögen oder Chancen die wir verpasst haben. Es hilft in gewisser Weise unser Songwriting zu lenken. Natürlich gibt es auch immer neue Entdeckungen, die aus dem Schreibprozess selbst kommen. Wir werden immer besser Parts für die anderen zu schreiben. Zum Beispiel kennt Matt meine Grenzen als Schlagzeuger. Er weiß genau welche Patterns am komfortabelsten für mich sind und er versucht Dinge zu vermeiden, die zu einem nicht so guten Ergebnis führen. Auf Bury the light habe ich ein paar Dinge gefunden, die außerhalb Matts Komfortzone als Gitarrist liegen und bin überrascht wie es klingt. Wir lieben auch die Herausforderung, wissen aber, wie wir Sachen für die anderen gestalten müssen, damit sie stark und selbstbewusst klingen.

Ich weiß, dass jeder in der Band Musik und Texte für Pharaoh schreibt. Aber wie entsteht ein typischer Song am Ende - macht jeder seines und ihr diskutiert über Telefon und Internet darüber oder arbeitet ihr auch Dinge gemeinsam vor Ort aus? Nachdem alles fertig ist, probt ihr die Sachen auch mal gemeinsam oder muss jeder seine Teile perfekt lernen, bevor es an die Aufnahmen geht?

Eher letzteres. Wir benutzen alle dieselbe Homerecording-Software, was es leicht macht Demos per E-Mail hin und her zu schicken. Ich würde sagen, dass die meisten Lieder mit einem Komponist beginnen. Aber ab einem gewissen Punkt kontaktieren wir auch die anderen wegen frischen Ideen. Ein Beispiel: Von „Cry“ schrieb unser Bassist Chris Kerns einen ersten Entwurf und Matt fügte ein paar Parts hinzu. Tim schrieb die Gesangsmelodie und ich schloss das Ganze mit dem Text dazu ab. Dann gibt es wieder Songs wie „Graveyard of empires“, den Matt komplett geschrieben hat. Es gibt keine bestimmte Formel. Mittlerweile wissen wir aber, wer von uns in welche Richtung geht, so dass wir gute Entscheidungen treffen können, in welcher Reihenfolge die Arbeit zirkuliert. Wir spielen die Songs eigentlich nie zusammen. Sobald wir uns für die endgültige Form entschieden haben, bereitet sich einfach jeder selbst für die Aufnahmen vor. Pharaoh ist größtenteils eine Session-Band.

Wie liefen die Aufnahmen von Bury the light? Hat jeder selbst aufgenommen oder gab es ein gemeinsames Studio als Anlaufstelle?

Alles bis auf den Gesang wurde in den MCR Studios aufgenommen. Es ist ein gut ausgestattetes Heimstudio, das von unserem langjährigen Produzenten/Toningenieur Matt Crooks betrieben wird. Er hat nicht tonnenweise Ausrüstung, aber was er hat ist auf dem neuesten Stand der Technik. Und am wichtigsten: Er kennt sich gut damit aus und hat ein Ohr für unsere Art von Musik.

Ihr lebt alle an verschiedenen Orten, auch Staaten. Wie man jetzt schon mitbekommen hat, macht es das nicht gerade einfach Bandaktivitäten zu planen.

Das stimmt in der Tat! Andererseits macht es aber auch gewisse Dinge einfacher. Es eliminiert einen Großteil der zwischenmenschlichen Spannung, die schädlich für eine Band sein kann. Logistisch gesehen kann es lästig sein. Aber am Ende ist es nur ein Teil davon wie Pharaoh eben sind.

Denkst Du Pharaoh könnten eigentlich ohne die ganze neuzeitliche Kommunikations- und Informationstechnik existieren?

Vielleicht. Aber wir würden keine Alben wie Bury the light machen. Die Technik ist ein großer Teil unseres Prozesses - vom Schreiben bis zum Aufnehmen. Dieses Interview mit Dir inbegriffen.

Diskografie
After The Fire (2003)
The Longest Night (2006)
Be Gone (2008)
Tribute to Coroner (Split-Single, 2010)
Ten Years (2011)
Bury The Light (2012)
Ihr habt eine Tradition im Einladen von Gastgitarristen. Zum Beispiel Mike und Mark von Riot auf Be gone. Nebenbei, der Tod von Mark Reale ist ein großer Verlust für die Metalszene! Bei „Castles in the sky“ spielt Mike Wead von King Diamonds Band mit. Was kannst Du uns hierzu erzählen?

Mike Wead nahm sein Solo selbst auf und schickte es uns, um es im Mix zu platzieren. Er hat großartige Arbeit abgeliefert! Ich lernte sein Gitarrenspiel zuerst bei Memento Mori kennen und fand später, dass er perfekt in die King Diamond/Mercyful Fate-Familie passt. Ich war nicht besonders überrascht, dass er diese Gelegenheit bekam. King Diamond hat einen fantastischen Geschmack für Gitarristen. Ich war sehr traurig als Mark Reale starb. Ich flog nach New York City um Riot live zu sehen. Es war ihr erster Auftritt ohne ihn und er starb ein paar Tage später. Es war eine große Ehre ihn und Mike Flyntz auf einem unserer Songs zu haben. Jetzt wo Mike tot ist, macht es das noch spezieller, aber auch trauriger. Ich hoffe Riot machen weiter. Wenn auch nur als Liveband.

Hardcore-Fans von Dir wissen vielleicht, dass „Burn with me“ vom neuen Album von einem High Spirits-Demo ist. Warum wurde der Titel für Pharaoh neu überarbeitet?

Eigentlich war er anfangs auch für Pharaoh gedacht. Ich arbeitete gleichzeitig mit dem ersten High Spirits-Demo daran und ab einem gewissen Punkt war mir klar, dass es ein Pharaoh-Song ist und ich legte ihn auf die Seite. Er hatte die Atmosphäre und den „Schwung“ von Pharaoh und die Art des Gitarrenmotivs fühlte sich ein wenig fremd für High Spirits und fehlplaziert auf der Demo-LP an. Auch nachdem ich ihn überarbeitet hatte. Ich denke „Burn with me“ ist jetzt auf Bury the light zu Hause angekommen.

Welche Songs waren am schwersten auszuarbeiten und zu arrangieren? Besonders das überlange „The year of the blizzard“ klingt nach viel Arbeit.

Ich bin mir nicht sicher, ob das der schwerste war. „Graveyard of empires“ ist vielleicht der anspruchsvollste Song auf die Schwierigkeit bezogen. Nicht nur die Schwierigkeit ihn zu spielen, sondern wegen der Struktur des Stücks. Es klingt fast wie neuere Blind Guardian-Lied, eine mehr erzählerische Form, als eine typische Rock’n’Roll-Struktur. „The year of the blizzard“ hat auch diese Art Struktur, aber die einzelnen Parts selbst sind einfacher. Der Gesang und der Text erledigen die meiste Arbeit. Man könnte auch sagen, dass „Leave me here to dream“ schwierig war. Die Riffs sind anspruchsvoll, aber es war auch eine Herausforderung sich bandintern auf die Richtung zu einigen, die der Gesang nehmen soll - beides, Melodie und Inhalt des Textes. Es brauchte ein paar Anläufe, bevor die endgültige Version stand. Eröffnungslieder sind immer besonders schwierig, da man den Hörer richtig „angeln“ muss. In den ersten fünf Minuten eines Albums ist kein Platz für Langeweile!

Textlich gesehen ist Bury the light nicht weniger düster als der Vorgänger Be gone. Auf ihre Art sind die Texte sehr bodenständig und behandeln nicht den stereotypen Fantasykram, der sonst in diesem Genre leider viel zu oft anzutreffen ist. Ihr seid wohl nicht gerade Freunde typischer Geschichten über Schwerter und Drachen?

Wir haben Angst vor Drachen. Hast Du schon mal einen dieser gigantischen, Feuer spuckenden Motherfucker aus der Nähe gesehen?! Das ist nichts was man mit einem Vibratohebel oder einem Falsettschrei besiegen könnte. Ernsthaft jetzt: Wir sind vier normale Jungs, die ihre Zeit damit verbringen über normale Dinge nachzudenken. Ich denke wir alle sind ziemlich in der Realität geerdet und es ist nur natürlich, dass man über Dinge schreibt, die man kennt. Wären wir große Fans von Fantasy oder Science Fiction, würde man in unseren Texten sicherlich Einflüsse davon bemerken. Aber das sind wir nicht. Stattdessen betrachten wir die Welt um und in uns und lassen die Inspiration dort von selbst kommen.

Chris Black beim Keep-it-true X (2008) als (Aushilfs-)Bassist

Pharaoh haben in ihrer Geschichte nur eine Handvoll Konzerte gespielt und Du hast auch selbst vorhin gesagt, dass ihr mehr eine Session-Band seid. Gibt es trotzdem mal wieder die Chance, dass ihr hier bei uns auftretet? Ich kann mich noch gut an den Auftritt beim Keep-it-true vor ein paar Jahren erinnern.

Wir würden es lieben wieder in Europa zu spielen. Es ist eine Frage einer guten Einladung und von ein wenig Hilfe bei der Organisation. Leider haben wir nicht allzu viele Kontakte in dieser Gegend. Unser Label Cruz del Sur hat soviel getan, wie es kann. Aber um nach Europa kommen zu können, bräuchten wir ein Festival das an uns glaubt oder eine Booking-Agentur die an den Grundlagen arbeitet, damit wir eine Tour spielen könnten. Wir haben leider nicht die Pferdestärken um das alleine stemmen zu können!

Die ganzen Projekte und Bands, bei denen Du mitarbeitest sind musikalisch sehr verschieden. Scheint ganz so, als bräuchtest Du all diese ganzen Ventile um die vielen Ideen unterzubringen.

Ja, das könnte man so sagen. Ich habe mehr zu sagen, als es nur zu einer Band passen würde. Würde ich versuchen alles unter einen Hut zu bringen, klänge das ziemlich fad und kraftlos. Oder zumindest ziemlich unorganisiert. Eine Band muss ihre Grenzen haben, um künstlerisch erfolgreich zu sein. Und andererseits brauche ich auch Grenzen um als Songwriter erfolgreich zu sein. Ich schätze mich glücklich, so viele Leute gefunden zu haben, mit denen ich arbeiten kann. Zusammen finden wir genug Platz für unsere Ideen - egal ob sie von mir oder jemand anderem kommen. Am Ende ist alles eine Gemeinschaftsarbeit.

Dann nehme ich an, dass sich der Kreativprozess auch ein wenig unterscheidet - egal ob es Pharaoh, High Spirits, Superchrist oder Dawnbringer ist. Entscheidest Du schon vor Beginn, für welches Project es am Ende sein soll?

Ich versuche mir einen Plan zu machen, bevor ich mit der Arbeit beginne. Natürlich funktioniert das nicht immer so und ich habe gelernt einem Song zu vertrauen, seinen eigenen Weg zu finden. Was den Schreibprozess selbst angeht, ist es immer dasselbe, egal was es am Ende sein soll. Nur das Superchrist-Zeug wird ganz traditionell in einem Proberaum von drei stinkenden Deppen geschrieben. An den anderen Projekten arbeite ich normalerweise alleine und präsentierte dann einen mehr oder weniger fertigen Song, den wir dann direkt mit ins Studio nehmen.

Du wirkst schon wie ein totaler Musikfanatiker. Doch was ist Musik - speziell Heavy Metal - für Dich; eine Art Lebensstil, so essentiell wie Essen und Trinken, eine Ablenkung von der hektischen Alltagsroutine oder vielleicht etwas ganz anderes?

Es ist all das und noch ein bisschen mehr. Ich kann mich an ein Leben ohne Heavy Metal gar nicht mehr erinnern und ich kann mir auch kein Leben ohne Musik mehr vorstellen. Es ist einfach ein Teil von mir. Manchmal nimmt das sogar schon etwas zu viel Platz in meinem Kopf ein.

In Europa ist Retro-Metal der 80er Jahre als Kontrast Du all den hochgezüchteten, technisierten Trend-Bands gerade ein kommendes Ding und es gibt viele Gruppen, die das spielen - alte Klamotten und Frisuren inklusive. Bekommt davon Übersee auch etwas mit?

Ja, es gibt hier auch ein paar Bands, die diesen Stil verfolgen. Ich finde es toll, dass auch wieder junge Bands von Gitarrensolos und melodischen Sängern angeturnt werden. Es sind aber in Wahrheit die Plattenfirmen, die hieraus einen Trend generieren und nicht die Bands selbst. Die Labels lassen es so aussehen, als sei es eine neue, aufregende Sache. Die Musiker selbst sehen darin eine Chance und so geht es weiter - wie immer.

Nun sind wir leider auch schon am Ende unserer Zeit. Die letzten Worte gehören natürlich Dir!

Ein Dank geht an alle, die Pharaoh die Chance geben sie zu unterhalten. Wir lieben es Lieder zu schreiben und Platten aufzunehmen. Aber es liegt am Publikum, den Kreis zu vervollständigen, was uns stolz macht. Ich danke euch so sehr!




Mario Karl



 << 
Zurück zur Artikelübersicht
 >>