Musik an sich


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Pistoia, Scarlatti, Marcello u.a.

Piano e forte - Musik am Hofe der Medici auf dem Cristofori Fortepiano


Info
Musikrichtung: Barcok

VÖ: 1.2.2011

(Glossa / Note 1 / CD / DDD / 2009 / Best. Nr. GCD 922504)

Gesamtspielzeit: 78:51

Internet:

Edoardo Torbianelli



SPURENSUCHE

Lodovico Giustini di Pistoia betrat Neuland, als er eine Komposition ausdrücklich dem "cimbalo di piano e forte" zudachte, also dem von Bartolomeo Cristofori entwickelten Hammerklavier, das aufgrund seiner Möglichkeit zu dynamischen Abstufungen eine neue Ära der Tasteninstrumente einläutete. Lange Zeit herrschte die Auffassung, Cristoforis Erfindung sei alsbald in Italien wieder in Vergessenheit geraten, so dass man hier weiterhin das Cembalo bevorzugt und das Hammerklavier sich zunächst lediglich nördlich der Alpen durchgesetzt habe. Eine These, die im kundigen Booklettext begründet in Frage gestellt wird, denn Instrumente dieser Bauart lassen sich durchaus bruchlos auch in den folgenden Jahrzehnten in Italien nachweisen. So macht es Sinn, dieser italienischen Fährte des Hammerklaviers nachzuspüren und dabei besonders das Musikleben am Hofe des Medici-Fürsten Ferdinando in den Blick zu nehmen, der für musikalische Innovationen besonders aufgeschlossen war. Diese Spurensuche erfordert freilich viel Gespür, denn anders als Pistoia schrieben die meisten anderen Komponisten ihre Werke nicht explizit dem Pianoforte auf den Leib - wo im Notentext ein "Cembalo" vorgesehen war, konnte dies vielerorts sowohl das herkömmliche Instrument gleichen Namens, als auch ein Pianoforte meinen. Und selbstverständlich lässt sich die Musik jeweils auf beiden Instrumenten ausführen.

Die ausgewählten Sonaten von Martino Bitti, Veracini, Franceso Barsanti und Alessandro Marcello jedenfalls nehmen auf dem hier verwandten Nachbau des Cristofori-Instruments sogleich für sich ein. Edoardo Torbianelli spielt sie, wie auch Pistoias erstaunlich qualitätvolle Werke mit eleganter Leichtigkeit, nutzt aber dennoch das differenzierte Ausdrucksspektrum des Pianoforte weidlich aus. In den Kompositionen von Bitti und Barsanti kommt es zu einer Begegnung von Traverslöte und Pianoforte auf Augenhöhe, die das Cembalo in dieser Konsequenz kaum zu leisten vermochte. Insgesamt wird deutlich, dass mit dem Instrument das Tor zu einer neuen musikalischen Welt aufgestoßen wurde: empfindsam, aber auch gefällig. Hier zog die Kompositionstechnik erst später nach.
Ergänzt wird das Ganze durch Arietten von Alessandro Scarlatti und Kammerkantaten von Alessandro Marcello. Erscheint das Pianoforte anstelle des Cembalos in Scarlattis Werken dabei bisweilen etwas zu schwergewichtig, fügt es sich bei Marcellos Kantaten ideal in den Klang des Ensembles ein und strukturiert diesen überzeugend. Der eindringliche, technisch perfekte Vortrag von Maria Cristina Kiehr ist indes hier wie dort über jeden Zweifel erhaben.

Eine ertragreiche, sympathisch intim gestaltete Spurensuche über fast 80 Minuten.



Sven Kerkhoff



Trackliste
1-5 Lodovico Giustini di Pistoia (1685-1743)
Suonata I (G minor, for “cimbalo di piano e forte”)

6-8 Alessandro Scarlatti (1660-1725)
Ariettas (for soprano, traverso and basso continuo)

9-12 Martino Bitti (1660-1743)
Sonata VII (D minor, for traverso and basso continuo)

13-16 Alessandro Scarlatti (1660-1725)
Ariettas (for soprano, traverso and basso continuo)

17-19 Francesco Barsanti (1660-1743)
Sonata IV (E minor, for traverso and basso continuo)

20-23 Francesco Maria Veracini (1690-1768)
Suonata quarta (C minor, for violin and basso continuo)

24-29 Alessandro Marcello (1669-1747)
Serenata ad Irene (for soprano and basso continuo)

30 Alessandro Marcello (1669-1747)
Adagio from Sonata ottava (E minor, for violin and basso continuo)

31-35 Alessandro Marcello (1669-1747)
Riposo di Clori

36 Lodovico Giustini di Pistoia (1685-1743)
Andante, ma non presto from Suonata terza (F major, for “cimbalo di piano e forte”)
Besetzung

Maria Cristina Kiehr: Sopran

Edoardo Torbianelli: Pianoforte

Chiara Banchini: Violione
Marc Hantai: Traversflöte
Rebeka Rusò: Viola da gamba
Daniele Caminiti: Erzlaute


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