Musik an sich


Artikel
The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble: Film noir zum Anhören




Info
Gesprächspartner: The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble (Jason Köhnen)

Zeit: März 2011

Stil: Postrock, Dark Jazz, Ambient

Internet:
http://www.tkde.net
http://www.myspace.com/tkde

„Kino für den Kopf“ - das ist eine Floskel die man gerne bringt, wenn man es mit Musik zu tun hat, welche etwas bildreicher als der typische 08/15-Rock ist. Da bei Filmen das Gesehene erst mit der richtigen musikalischen Untermalung so richtig bildgewaltig wird, kann man es schon verstehen, wenn man diesen Vergleich heranzieht. Im Fall von THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE handelt es sich aber gar nicht wirklich um eine Floskel. Denn gegründet wurde die Band, um alte Stummfilme auf ihre eigene Weise neu zu vertonen. Dieser filmische Ansatz ist mit jedem Ton zu hören. Denn Atmosphäre ist das A und O dieser Musik, die sich nicht um „Songs“ an sich dreht, sondern um Stimmungen. Dazu bedient sich das Kollektiv einer ganz eigenen Melange aus düsterem Jazz, pulsierender Elektronik und dunkler Klangästhetik, welche sich quer über alle bestehenden Genres hinwegsetzt. Der Vergleich mit Bohren & der Club of Gore kommt nicht ganz von ungefähr. Doch THE KILIMANJARO DARKJAZZ ENSEMBLE, welche ihre Wurzeln in Holland haben, klingen wesentlich abwechslungsreicher und „bunter“. Um ihren eigenen Horizont zu erweitern, haben die sechs Musiker der Gruppe nebenbei ihr eigenes Nebenprojekt namens THE MOUNT FUJI DOOMJAZZ CORPORATION am laufen, bei welchem sie ihre Liebe zur puren Improvisation ausleben. Da man mit From the stairwell (TKDE) und Anthropomorphic (TMFDC) gleich zwei Alben auf einmal veröffentlichte, war dies eine gute Gelegenheit Jason Köhnen, einem der beiden Köpfe der Band, ein paar Fragen zu ihrer Musik zu stellen.



Wo liegen Deine Wurzeln? Warst Du schon immer an Jazz und Filmmusik interessiert oder hast eine typische „Popmusik-Sozialisation“ durchlaufen?

Alle Mitglieder der Band haben einen sehr breit angelegten Geschmack und ihre Wurzeln sind sehr unterschiedlich. Es variiert von klassischer Musik bis Jazz, Metal und elektronischer Musik. Es ist wirklich nicht nach einzelnen Gruppen einzuordnen. Ich denke wir sind offen für alle Arten von Musik.

Wenn ich Euer neues Album From the stairwell mit seinem Vorgänger Here be dragons vergleiche, scheint es, als sei es songorientierter und wird weniger von Beats angetrieben, was gleichzeitig für einen angenehmeren Fluss sorgt. Es hat auch eine paar schöne Gesangslinien und ein paar erhebende und fast schon helle Melodien in der Dunkelheit. Wie siehst Du es selbst?

Es ist definitiv „leichter“ als Here be dragons. Wir wollen uns nicht ständig mit jedem Album wiederholen, wie es so viele andere Bands machen. Man sollte die Platte wie einen Film sehen. Here be dragons ist dunkler, ein geheimnisvolles Setting. From the stairwell klingt nostalgischer, möglicherweise melancholischer. Es ist wie bei einem Regisseur: Du siehst seinen typischen Stil, aber es gibt andere Schauspieler, ein anderes Setting, eine andere Geschichte, mit anderem Beginn und Ende.

Wie erschafft ihr die richtige Stimmung um Musik für The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble zu schreiben und aufzunehmen? Diskutiert ihr vorher miteinander, was ihr erreichen wollt?

Normalerweise sind es Gideon (Kiers, Elektronik/Programming - Anm.d.Verf.) und ich, welche eine Stimmung heraufbeschwören. Wir diskutieren über die gewünschte Stimmung und das Konzept. Wir nehmen das als Startpunkt und die anderen Bandmitglieder addieren ihr Gefühl in das vorgegebene Konzept. Es fügt sich immer perfekt zusammen. Wir müssen gar nicht viel darüber reden, da wir alle auf dem gleichen Level sind. Wir sind in der glücklichen Lage einander musikalisch sehr gut zu verstehen. Meiner Meinung nach ist das eine Art Segen.

Was sind Deine Lieblingsfilme und welche inspirierten Dich am meisten?

Ich bin ein riesiger Fans alter Hammer-Horrorfilme. Aber diese inspirierten die Musik von The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble nicht wirklich. Es ist einfach nur pure Nostalgie für mich. Ich liebe auch Technicolor-Filme. Sie haben eine bestimme Wärme. Überhaupt haben alte Filme aus den 60ern und 70ern eine großartige Atmosphäre. Diese muss gar nicht so eindeutig sein. Dort schwingt immer eine Art Unschuldigkeit mit und sie sind auf eine gute Art naiv. Was die musikalischen Einflüsse für die Band betrifft, variiert das von Album zu Album. Sachen wie die Quay Brothers oder Jan Svankmeyer sind zum Beispiel unglaublich. Genauso osteuropäische Regisseure wie Bela Tarr. Es wurden so viele tolle Sachen gemacht.

Während The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble ein Projekt mit ausgearbeiteten Songs darstellt, ist Euer Alter Ego The Mount Fuji Doomjazz Corporation pure Improvisation. Sprecht ihr bei letzterem vorher ab, in welche Richtung es sich entwickeln könnte oder steckt ihre einfach ein und spielt, was Euch gerade einfällt?

Einstecken und spielen. Bei Succubus haben wir zum Beispiel den Film laufen lassen und einfach angefangen dazu zu spielen. Wir haben uns für reine Improvisation entschlossen, denn ansonsten wäre es ziemlich sinnlos, ein solches Seitenprojekt zu haben. So ist es außerdem am herausfordernsten.

Beeinflussen sich die beiden Projekte gegenseitig?

Ja, es gibt kleine improvisierte Teile bei The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble-Konzerten. Die beiden Projekte sind ineinander verwoben. Für uns ist es grundsätzlich eine Band. Aber um es für die Hörer einfacher zu machen, sich der Musik von zwei verschiedenen Seiten zu nähern, haben wir uns entschieden The Mount Fuji Doomjazz Corporation zu erschaffen.

Ist es essentiell für Dich Eure Musik live vor Publikum aufzuführen?

Ich schätze schon. Aufzutreten ist großartig. Wir genießen es sehr zu spielen und die Leute zu beobachten, wie sie zu unserer Musik ausflippen. Es ist sehr befriedigend und eine Ehre die Musik vor Leuten zu spielen, welche sie wirklich kennen und lieben. Die Energie, die sich zwischen Band und Publikum aufbaut ist unglaublich.

Welche Art von Leute besucht Eure Konzerte in der Regel - Jazzer, Doom Metal-Hörer, Freunde elektronischer Musik?

Du hast es ziemlich gut getroffen. Alle drei Gruppen - und vermutlich einige mehr!

Eure Plattenfirma Denovali Records gibt seinen Bands die Möglichkeit ihre Alben als Stream oder MP3-Download kostenlos auf der Labelseite zur Verfügung zu stellen. Ich macht direkt davon keinen Gebrauch. Habt ihr Bedenken an dem Konzept, die Musik in die Welt zu verbreiten und zu hoffen, dass die Fans sie auch auf physischen Datenträgern kaufen?

Wir streamen unsere Musik aber über unsere Bandcamp-Seite - wenn es ist, was Du unter zur Verfügung stellen verstehst. Natürlich können die Fans das Album auch digital erwerben, wenn sie das wollen. Grundsätzlich haben wir also kein Problem damit. Je mehr Leute unsere Musik hören, umso besser.

CD oder Vinyl, was ist das würdigere Medium für Eure Musik?

Kurz und knapp: Vinyl.

Von From the stairwell gibt es eine Special Edition mit einem gebunden Buch mit Bildern zu allen Liedern. Auch das normale CD-Digipack sieht sehr geschmackvoll aus. Es scheint, als wärt ihr Freunde von schönen Artworks. Wie wichtig ist für Dich die Kombination von Musik und Kunst?

Meiner Meinung nach sind sie ein und dasselbe. Das Artwork ist eine visuelle Repräsentation der Musik. Es ist ein Weg die Atmosphäre des Albums zu visualisieren und daher sehr wichtig für uns. Ich denke Ton und Bild untermalen einander erheblich.

Wurdet ihre schon einmal direkt gefragt den Soundtrack für einen neuen Film zu machen? Ich kann mir vorstellen, dass das eine Art Traum ist.

Wir hatten bis jetzt noch keine konkreten Angebote. Es wäre großartig eine richtige Filmmusik zu machen, um den Bildern ein paar musikalische Höhepunkte hinzuzufügen. Ich bin optimistisch, dass dies eines Tages passiert.



Diskografie
The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble:
The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble (2006)
Mutations (EP, 2009)
Here be dragons (2009)
From the stairwell (2011)

The Mount Fuji Doomjazz Corporation:
Doomjazz future corpses! (2007)
Succubus (2009)
Anthropomorphic (2011)


Mario Karl



 << 
Zurück zur Artikelübersicht
 >>