Musik an sich


Artikel
Emerald machen einen Schritt heraus aus dem kauzigen Underground-Sumpf




Info
Gesprächspartner: Thomas L. Winkler (Voc)

Zeit: März 2011

Ort: Berlin - Bern

Interview: E-Mail

Stil: Heavy Metal

Internet:
http://www.emerald.ch

Im Interview mit Emeralds Stimme Thomas L. Winkler gibt es einiges zur Schweiz, Iron Maiden im Kinderzimmer und religionsfreiem Glauben zu lesen.
Wer den Namen Emerald noch nicht gehört hat, braucht sich übrigens nicht zu schämen. Unserm Norbert erging es nicht anders. Und so lag das aktuelle Album Re-forged erst einmal als eines von vielen auf dem Rezensions-Stapel. Bereits nach dem ersten Durchlauf hatte sich die Perspektive geändert. Drei, vier Runden und einen intensiven Blick ins Booklet später war klar, da gab es Fragen, die beantwortet werden müssen.



MAS: Hallo Thomas,

endlich komme ich zum Fragen stellen. Fangen wir mal mit einem Rückblick an. Ein Blick auf Eure Homepage belehrte mich, dass ihr alles andere als Debütanten seid. Ihr existiert seit 1995 und habt neben einigen Sampler-Beiträgen mit dem aktuellen Album `Re-forged´ bereits fünf Longplayer am Start.
Liefere uns doch mal eine Kurzfassung Eurer Band-History.


Thomas Winkler: Zuerst einmal muss ich an dieser Stelle erwähnen, dass die Band Emerald in der aktuellen Formation erst seit 2 Jahren besteht. Seit dem letzten Album Hymns to Steel gab es markante Besetzungswechsel. Aber gehen wir doch zuerst mal back to the roots:

1995 wurden Emerald durch Zusammenschluss von zwei lokalen Bands gegründet, und nach einigen Besetzungswechseln bestand eine relativ fixe Formation bis 2007, dem Release des vierten Longplayers. Danach überstürzten sich die Ereignisse -- zumindest für schweizerische Verhältnisse -- und innerhalb von knapp zwei Jahren stiessen der neue Drummer Al Spicher sowie unser zweiter Mann an der Gitarre hinzu, Mürielle (Manuel Werro). Tja, und schliesslich kam es zu den immerzu gefürchteten "musikalischen Differenzen" zwischen Emerald und deren bisherigem Markenzeichen, dem damaligen Sänger Jvo. Da sich Al vor einigen Jahren mal in ein Konzert meiner Ex-Band verirrt hatte, erinnerte er sich an mich und bot mir über MySpace den Sängerposten bei Emerald an.
Seitdem spielen wir alle wie ein frisch verliebtes Paar zusammen und haben innert kürzester Zeit das fünfte Album Re-Forged, einen Videoclip, einen Samplerbeitrag, Auftritte im In- und Ausland und fantastische Resonanzen in den Fachmedien provoziert.

MAS: Ich kann mich nicht daran erinnern vor `Re-Forged´ von Emerald gehört zu haben. Liegt das daran, dass das Zentrum Eures Wirkens ausserhalb Deutschlands liegt? In diesem Zusammenhang auch die Frage nach der Rock/Metal-Szene der Schweiz. Wie sieht es damit aus?

Thomas Winkler: Nun, es ist sicherlich so, dass es Emerald mit dem fünften Album gelungen ist, neue Zielgruppen anzusprechen und einen Schritt heraus aus dem „kultigen“, kauzigen Underground-Sumpf zu machen. Dies liegt einerseits am ausgereifteren Songwriting und auch daran, dass mit der neuen Produktion, die durch Thrash-Metal-Veteran V.O. Pulver (ex-Poltergeist, GurD) realisiert wurde, eine Scheibe entstanden ist, die international ernst- und wahrgenommen wird.
Es ist aber nicht so, dass Emerald bis zu diesem Zeitpunkt nur in der Schweiz einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hätten. Im Gegenteil: Die meisten Fanbriefe erhalten wir aus Deutschland oder Griechenland, manchmal gar aus Brasilien oder den USA. Das beantwortet auch teilweise die Frage, wie es um die Metalszene in der Schweiz steht. Zusammenfassend lässt sich dazu sagen, dass zwar sehr wohl ein Interesse an härteren Klängen besteht, aber unser Musikstil in den breiten Medien leider kaum thematisiert wird.
Als ich letztes Jahr in Berlin war, habe ich darum schon gestaunt und war erfreut, dass da offenbar Rock und Metal zum öffentlichen Alltag gehören, zumal ich an jeder Plakatwand und sogar im Bahnhof Werbung von grösseren Metalbands vorfand.
Wer genau hinsieht, der erkennt es im Hintergrund: Wenn in den schweizer Bergen Smaragde gefunden werden, hat “Eddie” seine Hand im Spiel.

MAS: Neben etwas Power Metal sehe ich auf `Re-Forged´ insbesondere zwei stilistische Einflüsse. Das wären zum einen deutsche Bands wie Grave Digger, ganz besonders bei „Pipes are calling“, und dann natürlich ganz weit vorne Iron Maiden, auf die ihr mit dem Titel „Mark of the Beast“ ja anscheinend ganz direkt anspielt. Kannst du dem so zustimmen?

Thomas Winkler: Nun, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Eigentlich sind unsere Einflüsse sogar mir nicht alle geläufig. Mit unserem Guitar-Hero Mürielle haben wir diverse Thrash-Elemente im Sound, die man etwa bei „Where's your God“ vorfindet (zu diesem Song hat übrigens Mike Sifringer von Destruction das Gitarrensolo geliefert).
Unser Mike hingegen ist der Iron-Maiden-Fanatiker und hat eine der grössten Sammlungen, die man sich vorstellen kann. Die Auflistung findet man auf unserer Bandwebsite, wenn man gut sucht.
Ich bevorzuge progressiven, melodischen Metal a la Vanden Plas oder Symphony X, bin aber ebenfalls mit der Stimme von Bruce Dickinson aufgewachsen.
Zum emeraldschen Musikgeflecht kommen noch eine Prise Epic- und etwas US-Power-Metal hinzu und fertig ist die Soundsuppe.

MAS: Ihr habt auf `Re-Forged´ einige sehr gedankenschwere Sachen dabei, genauso aber klassische Battle- und Fantasy-Texte. Wie wichtig sind die Inhalte der Texte für Emerald?

Thomas Winkler: Da jeder von uns Texte schreibt oder Inputs zu den Texten gibt, sind die Aussagen, der Stil und die Themen der Texte sehr divers. Das ist auf Re-Forged vermutlich deutlicher zum Vorschein gekommen als bei jedem Vorgänger-Album.

Für mich als Sänger sind die Texte, die ich singe, schon eminent wichtig. Und zwar einerseits vom Inhalt her wie auch andererseits von der Metrik und den einzelnen Silben, da sich nicht jedes Wort gleich gut singen lässt. Auf solche Details achte aber nur ich in meiner Position als Sänger und deshalb werde ich nebst den Gesangsharmonien bei künftigen Alben vermehrt die Lyrics beitragen. Der Einfluss der Einzelnen und die Vielfalt der Texte sollen aber bleiben. Mürielle etwa hat mir bereits ein Thema genannt, das er für seine Ballade vorsehen würde und ich probiere nun, dies anhand einer Geschichte lyrisch umzusetzen.

MAS: Es ist kein Zufall, dass ich Dich als Interview-Partner angefragt habe.
Deine Dankesliste im Booklet von `Re-Forged´ schließt mit den Worten „Mein größter Dank geht an den lebendigen Gott, der uns die Fähigkeit gegeben hat Rock'n'Roll zu machen“.
Für deutsche Verhältnisse wäre das ein ungewöhnlich direktes christliches Bekenntnis - insbesondere in der Rock-/ Metal-Szene. Ist das in der Schweiz anders?


Thomas Winkler: Ich denke, es ist, wie es Alice Cooper bereits genannt hat, besonders in unserer düsteren, von Tod und Teufel geprägten Metalszene, eine Rebellion und sicherlich oftmals auch eine Provokation, ein christliches Glaubensbekenntnis abzugeben. Das ist in der Schweiz nicht anders, als in jedem anderen westeuropäischen Land.
Obwohl ich durchaus jemand bin, der bewusste Provokation als sinnvolles Mittel ansieht, auf Missstände aufmerksam zu machen, ging es mir in diesem Zusammenhang aber vor allem darum, denjenigen meinen Dank auszusprechen, denen Dank gebührt - und wer würde da eher in Betracht fallen, als derjenige, dem ich mein Leben zu verdanken habe?

Diskografie
Compilation Appearances
Tribute Album Appearances
Rebels Of Our Time (1999)
Calling The Knights (2001)
Forces Of Doom (2004)
Forces Of Doom (Vinyl, 2005)
Hymns To Steel (2007)
Hymns To Steel (Vinyl, 2009)
Re-Forged (2010)
MAS: Du bist nicht nur das einzige Bandmitglied, das Gott in der Dankesliste hat. Der von Eurem Gitarristen Michael Vaucher geschriebene Text zu „Where's your God“ geht mit Kirche und christlichen Gottesvorstellungen sogar sehr scharf ins Gericht. Al Spicher scheint in „The One“ dagegen wieder eine religiöse Dimension positive einzuziehen.
Es gibt da also offenbar sehr unterschiedliche Ansichten zum Glauben in der Band.


Thomas Winkler: Es ist interessant, wie irreführend Texte sein können. Es ist zwar nicht an mir, die Meinungen meiner Bandmitglieder hinsichtlich ihres persönlichen Glaubens zu kommentieren. Doch kann ich sagen, dass Al nicht dieselben Ansichten wie ich teilt, wohingegen Mike sicherlich ein Interesse am „Übernatürlichen“ bekundet. Da jeder Mensch in seinem Leben andere Erfahrungen sammelt, ist es die logische Konsequenz, dass jeder eine andere Beziehung zu diesem Thema hegt. Ich verstehe auch die Aversionen gegen das Christentum, da Christen leider keine „besseren“ Menschen sind als alle anderen, auch wenn das offenbar die Erwartungshaltung vieler Menschen ist.
Deshalb proklamiere ich, sich nicht an Menschen zu orientieren, sondern an Gott. Der olle Gandhi gab einst ein weises Sprichwort dazu ab: „Ich mag euren Christus. Eure Christen mag ich nicht so sehr. Eure Christen sind so anders als euer Christus."

MAS: Fällt es Dir, als jemand, für den der Glaube offenbar so wichtig ist, dass er ihn in seiner Dankesliste unterbringt, nicht schwer Texte wie „Where's your God“ zu singen?

Thomas Winkler: Ich liebe diesen Song, und zwar nicht nur wegen der Musik, sondern weil der Text die alte, aber immer noch allgegenwärtige Irrmeinung thematisiert, Glaube und Religion seien dasselbe. Während ich in der Religion den institutionalisierten, von kultischen Bräuchen und Traditionen gepflasterten Weg der Menschen sehe, sich einem Gottwesen zu nähern (oder sich davon zu entfernen), verstehe ich unter dem Glauben an den lebendigen Gott eine Beziehung, die nicht darin besteht, von Menschen stilisierte Götzen – seien es der Papst oder die Kirche, seien es Geld, Drogen oder Fussball – zu verehren, sondern auf denjenigen zu vertrauen, der uns und die gesamte Natur geschaffen hat.

Mit „Where's your God“ vertreten wir die Meinung, dass Gott nicht in Würdentiteln, Heiligtümern, Tempeln oder Moscheen zu finden ist, sondern dass er in uns Menschen lebt, sofern wir ihn denn in unser Leben aufnehmen wollen. Ich denke, man muss sich Gott wie einen guten Vater vorstellen, der Anteil am Leben seiner Kinder - sei es Buddhist, Muslim, Atheist, Satanist, Christ oder weiss der Kuckuck was - haben möchte. Da ich selber einen Sohn habe, kann ich das mittlerweile besser nachvollziehen.

MAS: Was sind das für Menschen, die hinter Emerald stehen? Junge Teenager, quasi vor Beginn ihres eigenen Lebens, könnt Ihr bei 15 Jahren Bandgeschichte kaum mehr sein. Aber von der Musik leben, werdet Ihr wohl auch kaum können.
Der Beweis: Bereits 1994 bereitet sich Thomas L. Winkler darauf vor, der erste schweizerische Bruce Dickinson zu werden. Nur gut, dass der Kerl englisch singt.

Thomas Winkler: Unser Bandopa ist der neue Gitarrist Mürielle. Sein Alter darf ich an dieser Stelle nicht erwähnen, da wir sonst beim jüngeren Publikum schlechte Karten haben würden. - Quatsch! Unser Altersspektrum reicht von 25 bis 36 Jahren.
Ich als Nesthäkchen der Band war also zehn, als Michael Emerald gründete, und ich war damals bereits fleissig seit ein paar Jährchen daran, Iron Maiden-Songs zu üben.

Um von Musik und insbesondere Heavy Metal leben zu können, braucht es extrem viel Glück, und wenn du kein Glück hast, kannst du diesem mit Geld nachhelfen. Leider haben wir davon zu wenig. Von kommerziellen Radiostationen wird unsere Stilrichtung kaum unterstützt; das Härteste, was die im Angebot haben, ist „Nothing Else matters“. Stattdessen bringen sie lieber einen seichten Popsong oder primitiven Hip Hop. Ich respektiere dieses Verhalten von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet, nicht aber vom musikalischen.
Aber viele Radiostationen sind halt ein Spiegel der Gesellschaft. Es ist wohl das Schicksal unserer Stilrichtung, dass sie nur für eine bestimmte Klientel geschaffen ist, denen Qualität wichtiger ist als Schnelllebigkeit. Genau so ergeht es auch anderen anspruchsvollen Musikgenres wie Klassik oder Jazz. Trotz dem Wissen um die relativ beschränkte finanzielle Erfolgsmöglichkeit unserer Musik lieben wir jedoch alle Heavy Metal und könnten nicht ohne sein.

MAS: Was macht Ihr, wenn Ihr gerade nicht Emerald seid?

Thomas Winkler: Um den Lebensunterhalt zu verdienen und unsere Leidenschaft, die Musik, zu finanzieren, geht jeder einer Beschäftigung im Alltag nach. Es sind Berufe, die mehrheitlich nicht zum Klischee des Heavy Metals passen.
Nebst dem Verdienst hat jeder auch weitere Freizeitbeschäftigungen. Ich und Thomas Vaucher sind Schriftsteller, Thomas ist sogar Bestseller-Autor hier in der Schweiz. Adriano hat, wie auch ich, ein musikalisches Nebenprojekt. Al ist Grafiker und entwirft für die Band die coolen Coverartworks, aktuell gerade für die Vinyl-Version von Re-Forged.

MAS: Die beiden klassischen Fragen am Ende:

1.) Was steht bei Euch in der näheren Zukunft an? Kann man Euch auf deutschen Bühnen erleben?


Thomas Winkler: Nebst der eben erwähnten LP, die pünktlich zum Keep it true-Festival erscheinen sollte, spielen wir Anfang März in Griechenland am Up the Hammers und danach zwei Mal als Vorband von ex-Iron-Maiden-Sänger Blaze Bayley in der Schweiz. Ausserdem stehen wir Anfang März gemeinsam mit Whitecross und Sacred Warrior (beides ausgewiesen christlich positionierte Metal-Bands; NvF) auf der Bühne am Elements of Rock in Uster und am 27. August kommen Emerald endlich wieder nach Deutschland, an das kleine Flak you Festival in Böhl-Iggelheim.
Die grösseren Sachen in Deutschland werden wir erst nächstes Jahr spielen können, da unser Album zu spät erschienen ist, als dass es für die Bewerbung noch gereicht hätte. Allerdings würden wir uns sehr freuen, wenn es möglichst bald klappen würde mit einer Deutschland-Tour!

MAS: 2.) Gibt es etwas, was der Leser, der Euch in diesem Interview zum ersten Mal begegnet, unbedingt noch über euch wissen sollte?

Thomas Winkler: Nein. Oder vielleicht, dass er unser Album Re-Forged unbedingt kaufen sollte, damit wir uns unser teures Hobby auch in Zukunft leisten und den Fans auch künftig Musik komponieren können, die ihnen gefällt. Und wer uns besser kennen lernen will, der soll einfach eines unserer Konzerte besuchen - Wir trinken alle gerne Bier.

In diesem Sinne: Up the Irons und Stay Metal!

MAS: Danke für das Gespräch – und vielleicht klappt's ja mal mit einem Bier beim Gig in Berlin.





Norbert von Fransecky



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