Musik an sich


Reviews
Schubert, F. (Güra - Berner)

Die Winterreise


Info
Musikrichtung: Romantik Lied

VÖ: 26.03.2009

(Harmonia Mundi / Harmonia Mundi 2009 / Best. Nr. HMU 902066)

Gesamtspielzeit: 73:00



ROMANTISCHER SCHMERZENSMANN

Zu der im September 2009 bei Harmonia Mundi veröffentlichten britischen Winterreise-Einspielung von Mark Padmore und Paul Lewis verhält sich diese neue Produktion geradezu komplementär. Die erlesene Klarheit und romantisch-jünglingshafte Anmutung von Padmores/Lewis‘ sensibler Deutung findet ihr Gegenstück in Werner Güras und Christoph Berners rhetorisch ausgefeilter und dramatisch pointierter Interpretation.
Güra gelingt wie schon beim Schwanengesang eine überzeugende Verbindung von deklamierender Wortdarstellung und Sanglichkeit. Wo sich bei Padmore eine schmerzhaft-schöne, mitunter dunkle vergrübelte Sehnsucht äußert, sind es bei Güra ein bohrender Schmerz und ein inneres Getriebensein, die sich in erregten Exklamationen äußern. Dies aber immer musikalisch und stimmlich beherrscht – Wahrhaftigkeit und Schönheit schließen sich nicht aus. Güra kultiviert dafür keinen großen, opernhaften Ton, sondern eine mit vokaler Konzentration gepaarte Agilität und Wandlungsfähigkeit, die ihm erlaubt, die lyrischen Vorlagen in jedem Augenblick treffend zu nuancieren. Dieser romantische Schmerzensmann bekommt dadurch etwas bezwingend Gegenwärtiges. Als Hörer ist man nicht einfach Zuhörer, sondern wird in das Wanderer-Schicksal verstrickt.
Christoph Berner begleitet klar und auf Augenhöhe mit dem Sänger gestaltend. Er spielt ein historisches Instrument – kein Schubert-Hammerklavier, sondern einen Rönisch-Flügel von 1872, der in seinem trockenen Timbre an ein Tafelklavier erinnert. Auch hier also: Textnahe Expressivität, angemessen atmosphärisch und frei von opernhaften Klischees.



Georg Henkel



Besetzung

Werner Güra: Tenor
Christoph Berner: Klavier (Rönisch 1872)


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