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Klaus Schulze

La Vie Electronique 2 – 1972-1975


Info
Musikrichtung: Elektronik

VÖ: 06.02.2009

(Revisited Records SPV 306532 3CD - REV 109)

Gesamtspielzeit: 232:36

Internet:

http://www.klaus-schulze.com


Mit La Vie Electronique 2 – 1972-1975 wird die Reihe der Re-Releases vom Werk von Klaus Schulze durch Revisited Records / SPV fortgesetzt. Zeitgleich mit dem ersten Teil La Vie Electronique 1, welcher die Jahre 1968-1972 abdeckt, gibt es auch hier wieder Auszüge aus der Historic und vor allem der Jubilee Edition zu hören, die nicht mehr offiziell erhältlich sind. Allerdings sind hier keine bisher unveröffentlichten Werke enthalten, wie noch bei La Vie Electronique 1. Dennoch kommt jeder voll auf seine Kosten.

“North of the Yukon“ (aufgenommen 1972/73) wird zwar noch immer von Klaus Schulzes alter Teisco Orgel dominiert, doch klingt hier alles schon etwas ‚moderner’. Schöne Soundspielereien ragen aus einer düsteren Grundatmosphäre mit pulsierendem Bass heraus. Manchmal fühlt man sich auch an Filmmusik aus Science-Fiction Filmen erinnert.
Die folgenden drei Titel “Nightwind“, “Minuet“ und “Signs of Dawn“ (alle aufgenommen 1973), stammen von einer Kollaboration mit Hans-Jörg Stahlschmidt, der Gitarre und Bass spielt. Vorgesehen war, gemeinsam eine Platte zu veröffentlichen und sogar ein Plattendeal war vorhanden. Aus unbekannten Gründen verschwand das Projekt aber in der Schublade. Unverständlich, denn die Musik hat einen weich fließenden und sanften Charakter, wobei “Signs of Dawn“ mit einem durchgehenden Sechzehntel-Rhythmus unterlegt ist, und so eine gewisse Dramatik entsteht. Hier wird quasi schon eine Art New Age Musik vorweggenommen, auch wenn es den Begriff erst Jahre später geben sollte. Es werden aber auch Erinnerungen an die frühen Tangerine Dream wach, was bei der Vergangenheit von Klaus Schulze auch nicht verwundert. Ein echtes Highlight auf La Vie Electronique 2 – 1972-1975.
“Study for Philip K. Dick“ (aufgenommen 1972/73) ist eine Hommage an den Autor von Blade Runner und vieler anderer großartiger Science-Fiction Romanen und kehrt musikalisch wieder zum Beginn der CD zurück.

Die zweite CD beginnt mit dem gut 40-minütigen “Das große Identifikationsspiel“ (aufgenommen 1973). Die Musik wurde von Klaus Schulze für das gleichnamige Radiohörspiel von Alfred Behrens komponiert. Die Geschichte, ein Science-Fiction Thriller, verlangt geradezu nach Soundspielereien und so klingt die Musik zum Teil sehr avantgardistisch, wie z.B. gleich der Beginn “Geburt der Moderne“ des mehrteiligen Werkes. Hier entstehen klaustrophobische Stimmungen, wie sie immer wieder typisch für die Arbeiten von Klaus Schulze sind.
Das dreiteilige “Titanensee“ (aufgenommen 1973) ist eine frühe Aufnahme, bei der Klaus Schulze neben seiner alten Teisco-Orgel vor allem auch seine damals neue Farfisa-Orgel verwendet. Man kann zwar die neuen Klänge hören, doch die Musik ist typisch aufgebaut. Aus dem ersten Teil “Chaos“ entwickeln sich in den weitern Teilen Flächen und Melodien die jederzeit nach Klaus Schulze klingen und dennoch stets originell sind.
“Electric Love-Affair“ (aufgenommen 1973) bietet zum Abschluss der zweiten CD wieder Science-Fiction inspirierte Musik, wie sie auch schon auf der ersten CD zu hören war.

Die dritte CD beginnt mit “Land der leeren Häuser“ (aufgenommen 1973). Es ist das vierte Stück, das aus der Zusammenarbeit mit Hans-Jörg Stahlschmidt entsprungen ist und bietet dementsprechend eine ähnliche Struktur, allerdings wird hier mit lautmalerischen Silben (nicht Klaus Schulze) gesungen und so eine eigene Stimmung erzeugt.
“Studies for Organ, Keyboards and Drumset“ (aufgenommen 1974) zeigt wieder, dass Klaus Schulze ursprünglich Schlagzeuger war. Er kreiert hier eine musikalische Studie, bei der das Schlagzeug (sowie Bongos) – und damit der Rhythmus allgemein – wieder eine wichtige Rolle spielt. Darüber legen sich Orgelflächen mit weiten Melodiebögen.
Bei “Memento Mori“ (aufgenommen 1975) und noch mehr beim abschließenden knapp 40-minütige “Blaue Stunde“ (aufgenommen 1975) wird deutlich, in welche Richtung sich Klaus Schluze weiterentwickelte. Weg von der eher experimentellen Seite hin zu ruhigerer, fast meditativer Musik, wie sie auf Alben wie „Timewind“ und „Moondawn“ zu hören ist. Der klassische Klaus Schulze Sound. Dennoch ragen immer noch experimentelle und avantgardistische Effekte wie z.B. im ersten Teil von “Blaue Stunde“ heraus.

Die randvolle und im wieder schön gestalteten Digi-Pack erschienene La Vie Electronique 2 – 1972-1975 3 CD-Box beweist einmal mehr, dass Klaus Schulze zur Speerspitze der internationalen Elektronik-Musik und zu den wichtigsten deutschen Künstlern gehört. Muss man haben!



Ingo Andruschkewitsch



Trackliste
CD 1:
1. North of the Yukon (Jubilee Edition, CD 12) [20:43]

2. Nightwind (Jubilee Edition, CD 16) [16:14]

3. Minuet (Jubilee Edition, CD 16) [11:38]

4. Signs of Dawn (Jubilee Edition, CD 16) [22:38]

5. Study for Philip K. Dick (Jubilee Edition, CD 16) [08:31]

CD 2:
Das große Identifikationsspiel (Jubilee Edition, CD 13) [41:53]
1. Geburt der Moderne [06:00]
2. Devil May Care [07:21]
3. Les 7 boules de cristal [03:17]
4. On a marche' sur la lune [07:00]
5. Der Schrecken vom Amazonas [16:40]
6. Schier unendlich [01:35]

Titanensee (Jubilee Edition, CD 12) [27:07]
7. Chaos [10:26]
8. Gaia [09:26]
9. Uranos [07:15]

10. Electric Love-Affair (Historic Edition, CD 4) [10:47]

CD 3:
1. Land der leeren Häuser (Jubilee Edition, CD 12) [11:14]

2. Studies for Organ, Keyboards and Drumset (Jubilee Edition, CD 12) [14:51]

3. Memento Mori (Historic Edition, CD 10) [09:08]

Blaue Stunde (Jubilee Edition, CD 22) [37:52]
4. Tooth Of Time [09:50]
5. Every Inch a King [09:24]
6. Chronique scandaleuse [07:06]
7. Con amore [04:26]
8. Last not least [07:06]
Besetzung

Klaus Schulze
Hans-Jörg Stahlschmidt: Gitarre, Bass (CD 1, Tracks 2, 3 & 4; CD 3, Track 1)


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