Musik an sich


Reviews
Monteverdi, C. (Cavina)

Selva morale e spirituale


Info
Musikrichtung: Barock / Geistl. Musik

VÖ: 01.01.2009

(Glossa / Note 1 / 3 CD / DDD / live 2005 / Best. Nr. GCD 920914)

Gesamtspielzeit: 208:24



ÜPPIGES WÄLDCHEN

Das üppig blühende „Wäldchen“, das Claudio Monteverdi 1640 in Venedig unter dem Titel Selva morale e spirituale in Druck gegeben hat, enthält zahlreiche Psalmvertonungen, einzelne Messsätze, Hymnen sowie geistliche Konzerte in unterschiedlichster Besetzung und großer stilistischer Bandbreite.
Continuo-begleiteten Sologesang findet man ebenso wie mehrchörige vokal-instrumentale Concerti. Neben diesen Zeugnissen für Monteverdis vollkommene Beherrschung des neuen, barocken Stils finden sich aber auch prächtige A-Capella-Sätze in der alten polyphonen Schreibweise der Spätrenaissance, wobei sich die unterschiedlichen Stilebenen oft vollkommen durchdringen. „Alt“ und „Neu“ sind keine Gegensätze, sondern bereichern sich gegenseitig. Vieles davon wird seinerzeit an Monteverdis Wirkungsstätte, der Basilika San Marco, in den Gottesdiensten erklungen sein. Aber auch die Aufführung im intimeren Rahmen einer privaten Andacht ist denkbar.

Um diese Fülle in einer dramaturgisch sinnvollen Weise zu Gehör zu bringen, hat sich Ensemble La Venexiana für einen repräsentativen, quasi-liturgischen Rahmen entschieden. Zwei Vespern und eine Festmesse wurden aus den Vertonungen zusammengestellt, wobei kurze gregorianische Einschübe den jeweiligen Festtag markieren. Fünf nicht-liturgische Stücke, die Hymnen Deus multorum militum und Iste confessor sowie die Motette Ab aeterno ordinata wurden nicht mit aufgenommen, weil sie in den gesetzten Rahmen inhaltlich nicht hineinpassten.

Auch raumakustisch entführt das Ensemble den Hörer nach San Marco, wo unter den zahllosen goldenen Kuppeln auf verschiedenen Emporen mehrchörig musiziert wurde. Der Aufnahmeort, die Kirche zum Heiligen Michael in Cuenca, hat eine ähnliche Überakustik wie San Marco. Der lange Nachhall erfordert ausdrucksvoll-gemessenes Musizieren und führt vor allem bei der gelegentlichen Verdopplung der Sing-Stimmen (8 Chorist/innen und 6 Ripienist/innen) zu ausgesprochen prachtvollen Wirkungen. Goldene und bronzene Mischklänge aus Stimmen und Instrumenten (3 Streicher, 4 Posaunen, 2 Theorben und Orgel) evozieren den Mosaikglanz der Hauptkirche Venedigs.
Dynamisch und klangfarblich bestimmt ein steter, fließender Übergang von Hell und Dunkel das Geschehen. In seiner Mischung aus Theatralik und Mystik ist das ein ausgesprochen barocker Effekt. Mitunter wird darüber der virtuose kontrapunktische Satz mit seinen Madrigal-Anklängen etwas unscharf, verschwimmt wie Kerzenlicht in aufsteigenden Weihrauchwolken. Dennoch beeindruckt die überwiegend geglückte Balance aus Klangfülle und musikalischen Detailzeichnung, mit denen das Ensemble unter der Leitung von Claudio Cavina die Musik darstellt und für eine passable Textverständlichkeit sorgt.

Fazit: ein festlicher, ja krönender Abschluss des Monteverdis-Zyklus von La Venexiana, bei dem die geistliche Musik des Meisters in ihrem prunkvollen aber auch spirituellen barocken Kontext zu Gehör gebracht wird. Unter den verfügbaren Gesamteinspielungen ( Concerto Cölln/Junghänel [hm] und Akadêmia/Lasserre [Zig-Zag] ) ist dies die klangvollste.



Georg Henkel



Trackliste
1CD I
2 01-21 Vespro di San Gabriele Arcangelo 62:44
3
4 CD II
5 01-21 Vespro di San Giuseppe 72:47
6
7 CD III
8 01-14 Missa Solemnis 72:53
Besetzung

La Venexiana

Claudio Cavina: Altus und Leitung


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>