Musik an sich


Reviews
Beethoven, L. v. (Nicholson)

Bagatellen. „Für Elise“& andere Klavierstücke


Info
Musikrichtung: Klassik Klavier

VÖ: 01.03.2008

Accent / Note 1 CD (AD DDD 2007) / Best. Nr. ACC 24180

Gesamtspielzeit: 76:29



DAS GENIE UND DER WITZ

Ein Genie ist gewissermaßen verpflichtet, immer nur Geniales zu produzieren. Das kann auf Dauer etwas anstrengend werden. Wenn aber ein Mann wie Beethoven selbst ausdrücklich das Gute und Schöne mit dem Schweren gleichsetzt, dann darf er sich nicht wundern, wenn das Publikum (bzw. der auf Geniales versessene Verleger) Bagatellen aus seiner Feder nicht akzeptieren will.
Glücklicherweise hat sich Beethoven trotz titanischer Ideale und Erwartungen nicht davon abhalten lassen, eine Reihe „kleinerer“ Klavierwerke zu komponieren, die vor allem geistreich, unterhaltsam und gut verkäuflich sein wollten. „Bagatellen“ sind bei ihm jedoch keine „Banalitäten“, und so verbirgt sich hinter den kurzen Stücken häufig ein gehobener pianistischer Anspruch. Auch finden sich schon die disparaten Elemente, die die späte Kammermusik Beethovens prägen. Beethoven sind die Bagatellen eben auch Experimentierfelder gewesen, wo das, was später an schwer verdaulichen „genialen“ Einfällen Interpreten wie Hörende verwirrte, mit leichter Hand hingeworfen werden und als Laune durchgehen konnte.

Die vorliegende Einspielung mit Linda Nicholson entstand auf einem reich disponierten, wohlklingenden Wiener Fortepiano, das um 1815 in der Werkstatt von Johann Fritz gebaut wurde. Sein in der Höhe quecksilbriger, in der Tiefe angenehm runder Klang eignet sich vorzüglich, um den Esprit der Bagatellen und anderen hier aufgenommenen Werke zu vermitteln. Vor allem die vielfältigen Registrierungsmöglichkeiten gestatten humorvolle Zuspitzungen und überraschende Effekte, die einem modernen Flügel abgehen. Hier stecken wirklich mehrere Instrumente in einem Korpus.
Nicholson setzt die diversen Dämpfungen und den an eine Maultrommel erinnernden Fagott-Zug klug dosiert aber darum umso wirkungsvoller ein. Sie unterstreicht dadurch den „Patchwork-Charakter“ vieler Stücke und verleiht ihnen einen überraschend avantgardistischen Charakter. Das darüber der Witz nicht zu kurz kommt, das Ganze leicht, beschwingt und niemals langweilig klingt, macht diese Klavierstunde zu einem großen Genuss.



Georg Henkel



Trackliste
01-07 Sieben Bagatellen op. 33
08-18 Elf neue Bagatellen op. 119
19-24 Sechs Bagatellen op. 126
25 Andante favori WoO 57
26 Alle Ingharese (Die Wuth über den verlorenen Groschen) op. 129
27 Klavierstück B-Dur WoO 60
28 Klavierstück B-Moll WoO 61
29 Klavierstück A-Moll „Für Elise“ WoO 59
Besetzung

Linda Nicholson, Fortepiano Johann Fritz, um 1815


 << 
Zurück zur Review-Übersicht
 >>