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Absynthe Minded

New Day


Info
Musikrichtung: Independent

VÖ: 19.09.2005

(Alive / EMI)

Gesamtspielzeit: 60:45

Internet:

http://www.absyntheminded.be


Das neueste Album New Day von Absynthe Minded ist vom Vision-Magazin bereits zum "Spitzen-Indierock für Individualisten" ernannt worden. Es ist ja bekannt, dass manche Musikredakteure zur Untertreibung neigen…

Nach dem zehnten Durchlauf der CD habe ich immer noch keine Schublade gefunden, in der Absynthe Minded Platz hätte. Zu vielfältig und unorthodox ist das Repertoire der fünf Belgier. Es gelingt ihnen scheinbar mühelos, den Hörer innerhalb von knappen drei bis vier Minuten zuerst in ein Metallica Konzert zu entführen um über den Umweg einer Jazzkneipe in New Orleans noch einen kleinen Tango in Buenos Aires hinzulegen, bevor man über die Ungarische Puszta in einem irischen Pub landet. Klingt zunächst wie ein wildes Durcheinander, ist aber zu keiner Zeit störend oder gar nervend. Im Gegenteil: Alles wirkt perfekt. Keine Musik für Konsumenten, sondern für Genießer.

Die gesamte CD hindurch beeindruckend ist die Stimmgewalt und Wandlungsfähigkeit von Sänger und Gitarristen Bert Ostyn. Mal meint man den frühen Joe Cocker wahrzunehmen, mal raucht eine Spur Charles Aznavour aus den Lautsprechern. Sprünge von gewollt langweiliger Stimme zum Crescendo gelingen mühelos.
Er versteht es perfekt sich den Gegebenheiten jedes Titels anzupassen.

Der geigende Renaud Ghilbert schickt die Hörerschaft auf die Reise: Mal befindet der Hörer sich in der Puszta und lauscht einem swingenden Teufelsgeiger ("Clock is ticking", "I don`t buy it"), ein anderes Mal wähnt man sich in einem argentinischen Tangosaal.
Überhaupt glaubt man beim ersten Hinhören alles schon mal "irgendwo" gehört zu haben. "To the boredom dying slowly" versetzt den Hörer in die frühen Siebziger. Hier könnten Marc Bolan oder Status Quo Pate gestanden haben. Dennoch handelt es sich hier um absolut eigenständige Musik vom feinsten, um sauberen Rock. Die Band nimmt sich nur die Freiheit, fast jeden bekannten Stil auszuprobieren. Wobei "probieren" wohl der falsche Ausdruck ist.

Absynthe Minded besteht aus fünf Musikern. Diese Tatsache muss angesichts der Instrumentenvielfalt, mit der hier operiert wird, erwähnt werden. Nicht viele Musiker haben die Fähigkeit, so kraftvoll und schnörkellos aufspielen zu können und im nächsten Moment die ganz leisen Töne zu zelebrieren ohne in Melancholie zu fallen. Nicht in dieser Perfektion.

Lobend erwähnt sei der Mann an der Schießbude, Jakob Nachtergaele, der alle Stücke perfekt begleitet ohne sich, wie viele seiner Kollegen, in den Vordergrund zu hämmern.
Jan Duthoy, der auf den Titeln alles bedient, was Tasten hat, macht dies jederzeit perfekt und vermag mit dem Piano und der Hammond Orgel jederzeit für die gewünschte Stimmung zu sorgen.
Bassist Sergej Van Bouwel hat mir persönlich manchmal etwas zu viel Freude an seinem Instrument, so dass bei manchem Stück ein "Bassteppich" durch den Raum zu schweben scheint. Aber dies ist subjektiv und findet sicher auch seine Liebhaber.

Fazit: Noch nicht ganz ein Meisterstück. Aber auf dem besten Wege. Allemal eine sauber produzierte CD für Genießer. Und wer bisher mit Independent Rock wenig anfangen konnte, dem sei dieses Album als Einstieg wärmstens empfohlen. Von dieser Band wird man noch hören.



Andreas W. Fieseler



Trackliste
1Mary's hotel (fire sets in)4:10
2Fortune3:10
3To the boredom dying slowly3:11
4My heroics, part one4:35
5Substitute2:55
6Singalong song4:30
7Down deep inside3:00
8One way or another4:24
9I don't buy it6:20
10Wash3:19
11I like you when you're sad4:32
12Clock is ticking2:14
13Smoke gets in your eyes3:04
14New day4:46
15Cascade2:32
16All it is4:03
Besetzung

Bert Ostyn (Vocals, Gitarre)
Renaud Ghilbert (Violine, Back-Vocals, Harmonica, Trompete, Percussion)
Jan Duthoy (Piano, Hammond Orgel, Back-Vocals, Gitarre)
Sergej van Bouwel (Double-Bass, E-Bass, Back-Vocals)
Jakob Nachtergaele (Drums, Percussion)


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