Musik an sich


Reviews
Olaf Berger

Casanova


Info
Musikrichtung: Deutscher Schlager / Deutsch-Pop

VÖ: 19.04.2004

(White Records)
Internet:

www.olafberger.de


Beim Stichwort "Latin Music", also lateinamerikanischer Musik oder Latino-Pop, fallen sofort Interpreten wie Ricky Martin oder Enrique Iglesias ein. Niemand würde ernsthaft einen deutschen Schlagersänger mit der rhythmischen Musik Mittelamerikas in Verbindung bringen, ohne dafür mitleidige Blicke zu ernten. Doch das soll angeblich jetzt ein Ende haben, denn ein gutaussehender Barde aus Ostdeutschland erdreistet sich, das aus der Kaffeewerbung bekannte Feuer Mittelamerikas mit deutschen Texten zu versehen und als angeblich gelungene Symbiose auf den Markt zu werfen. Selbstüberschätzung oder Geniestreich? Oder irgendetwas in der Tiefebene dazwischen?

Im Einzelnen:

Das Album-Cover bedarf eigentlich keines Titels mehr, denn Pose und Gesichtsausdruck zeugen bereits vom Casanova (der ja eigentlich aus dem italienischen Sprachgebrauch stammt - aber es klingt so gut!). Aber da Optik und Show nicht alles sein kann, wandert die CD in den Player des erwartungsvollen Rezensenten, um ihn gleich bei den ersten Klängen zu verblüffen: "Madre de Dios, das ist Latino-Pop!" Das Intro mit von Mr. Martin bekanntem "un, dos, tres" legt schon feurigen Rhythmus an den Tag und geht vom Ohr direkt in die Beine. Der Text ist recht übersichtlich ausgestattet, fällt aber bei dem gefühlsechten Arrangement kaum ins Gewicht, da hier ein Song abgeliefert wird, der zu einem Knaller auf deutschen Tanzflächen werden kann, denn er weckt den Spanier im Mann. Ebenfalls auf die Tanzflächen ausgerichtet ist "Wohin du auch gehst", das lediglich dezenten Hispano-Touch aufweist. Allein der Grundrhythmus ist bereits ein Lockstoff für sich und entspricht modernem Schlagerstandard. Ebenfalls ein Song mit großen Chancen.

"Kleine Feuer auf der Haut" besetzt als Midtempo-Song die handgemachte Seite der lateinamerikanischen Musik mit Akustikgitarre und straightem Drumset. Natürlich geht es im Text um Liebe (worum sonst?), und das Zusammenspiel von Musik und Text führt zu einem absolut runden Ergebnis. Selbiges gilt für "Enamorado", das jedoch ungleich schneller und rhythmischer zu Werke geht. Dieser Titel dürfte zu heftigen Tanzbewegungen und Temperamentsausbrüchen in den Discos sorgen, denn allein der Rhythmus und Drive wirken ansteckend. Bereits jetzt drängt sich der Verdacht auf, als hätte hier doch tatsächlich ein Deutscher das fehlende Glied in der Evolutionskette zwischen lateinamerikanischer und deutscher Musik entdeckt. Doch Vorsicht, es kommen noch acht Songs.

Das Intro zu "Meine Träume schenk ich dir" ist Carlos Santana 1:1 von den Fingern abgeschaut und taucht im Laufe des Songs gelegentlich wieder auf. Ein schöner Effekt! Der Rest des ruhigeren Liedes ist vor einer dezenten Rhythmusgruppe aufgebaut und gibt dem Text mehr Luft zum Atmen. Als Nr. 6 tritt "Viva l´amor" an den Start, gibt gleich Gas und sprintet in Richtung Dancefloor. Das im Refrain enthaltene "Viva la noche" erinnert an den gleichnamige Gute-Laune-Party-Song von Costa Cordalis, der in dieselbe Richtung geht. "Ich kann dir nicht widerstehn" entfernt sich ein wenig von der vorgegebenen Latino-Richtung und kommt mit einem gut gesetzten Rhythmus daher, der wieder ein bisschen ruhiger ist, aber auch so überaus ansteckend wirkt.

So richtig auf die Bremse getreten wird bei "Lass uns Gefühle neu erfahr´n", dessen Background fast ausschließlich aus der Percussions-Abteilung mit Congas etc. besteht. Es muss also nicht immer das komplette Ensemble im Einsatz sein, denn diesem Song fehlt absolut nicht, obwohl die kurzen Einsätze des Akkordeons und der Streicher nicht mehr als Effekte sind. Auch hier führt die Kunst des Weglassens mal wieder zu einem sehr guten Ergebnis. Dass "Vamos a la fiesta" nicht gerade zu den ruhigen Stücken dieses Albums gezählt werden kann, ergibt sich schon aus der im Titel enthaltenen Aufforderung, eine Party zu besuchen. Und genau mit dieser Intention geht es zu Werke. Gute Laune wird hier zu einem typischen Party-Text verbreitet, der kaum mehr als Aufforderungen zum Tanz anzubieten hat. Aber wer will sich bei dieser Art von Tanzmusik auf den Text konzentrieren? Vielmehr ist eine schnell mitsingbarer Lyrik hier nur von Vorteil.

"Du warst mir noch nie so nah" ist wieder ein Schlager, der dem Feuer Mittelamerikas entsagt, aber trotzdem nicht abfällt. Vielmehr kommt hier die Stimme Olaf Bergers stärker zur Geltung und zeichnet sich diesmal durch eine angenehme Sanftheit aus. Dazu passend wird hier ein freundlicher musikalischer und gesanglicher Background eingesetzt. Ein Schmusesong der besseren Art! Ebenfalls ein Lied der zärtlichen Zweisamkeit ist "Nur mit dir allein", das in einigen Passagen an Iglesias jr. erinnert, ohne übermäßigen Latino-Touch zu versprühen. Dieser liegt jedoch bereits in der Stimme Olaf Bergers und der zurückhaltenden Instrumentierung mit Percussions und Akustikgitarre. "Kannst du mir noch mal verzeih´n" setzt keinen furiosen Schlusspunkt unter dies Album, sondern bringt zum wiederholten Mal den Kuschelfaktor des sympathischen Dresdners zum Vorschein. Dass die Frage des Titels auf ein positives Echo stößt, darf man getrost unterstellen, denn die Frau, die diesem Schmelz in der Stimme widerstehen kann, müsste vielleicht erst noch geboren werden.

Fazit:

In der Kurzversion: Donnerwetter!
In ganzen Sätzen darf man dem Produzententeam Uwe Haselsteiner und Heiko Schneider, die in fast jedem Titel ihre Komponisten- und Texterfinger hatten, und natürlich Olaf Berger zu diesem Album gratulieren. Die im Latino-Stil gehaltenen Songs sind wahrhaftig mit dem Feuer Mittelamerikas gebrannt worden, denn - obwohl die Kombination aus lateinamerikanischer Musik und deutschem Text oftmals mehr als schwierig ist - den Melodien sind ihre Roots im Kielwasser von Ricky Martin und Enrique Iglesias gut anzuhören (und mitunter grüßt sogar Herr Santana). Aber auch die dem deutschen Schlager, bzw. bei derart modernen Arrangements auch dem Bereich Deutsch-Pop, zuzurechnenden Songs können sich hören lassen und brauchen keinen Vergleich scheuen. Ganz besonders gilt dies auch für Olaf Bergers Balladen, die aufgrund der sanften Stimme wie Samt und Seide aus den Lautsprechern fließen.

Da Olaf Bergers Bekanntheitsgrad leider noch nicht auf seinem Zenith angekommen ist, täte Schlager-Deutschland gut daran, diesem Defizit schnell abzuhelfen, denn hier zeigt ein Sänger, der bereits seit seiner frühesten Kindheit auf der Bühne steht, dass auch deutsche Musik die Tanzflächen füllen und Herzen zum Schmelzen bringen kann. Bewiesen hat er dies mit einem absolut gut gemachten Album, das uns seinen Namen ins Gedächtnis brennen sollte, denn nur zu selten trifft man auf ein durchgehend gut arrangiertes Werk ohne einen einzigen Schwachpunkt. Mit Casanova ist es - zur Freude aller Schlagerfans - jedoch gelungen. Herzlichen Glückwunsch, Olaf Berger!



Lothar Heising



Trackliste
1. Casanova
2. Wohin du auch gehst
3. Kleine Feuer auf der Haut
4. Enamorado
5. Meine Träume schenk ich dir
6. Viva l´amor
7. Ich kann dir nicht widerstehn
8. Lass uns Gefühle neu erfahren
9. Vamos a la fiesta
10. Du warst mir noch nie so nah
11. Nur mit dir allein
12. Kannst du mir noch mal verzeihn



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