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Musik an sich
 
Dietrich Buxtehude: "ein starken music...", 6 Kantaten
(Channel Classics)
Barock / Vokal
 

Orchester Anima Eterna, Collegium Vocale, Jos van Immerseel

In der vorösterlichen Fastenzeit gelten gemeinhin Bachs Passionen als Muß im Konzertbetrieb und Rundfunk. Auf eine Passionsmusik ganz anderer Art stieß ich kürzlich im Radio und kaufte aus Neugier die CD.

Befände sich auf ihr nur jene Kantate über das Passionslied "Jesu, meines Lebens Leben" - schon allein deswegen wäre sie die nachdrücklichste Kaufempfehlung wert! Auf 7 Minuten zusammengeschrumpft wird hier mit größter musikalischer Raffinesse bei einem zugleich eher sparsamen Einsatz der Mittel ur-protestantische Kreuzestheologie ausgedeutet. Doch mehr als das: Buxtehudes Musik verbleibt nicht im abstrakten. Sie vermag vielmehr durch ihre Intensität unmittelbar anzurühren.
Der weithin eher für seine Orgelwerke bekannte Komponist schuf dabei eine Choralkantate, die eigentlich keine ist. Denn es findet zwar der Text des Kirchenliedes Verwendung, doch entwickelt Buxtehude hierzu eine eigene Melodielinie, die ihre Wirkung aus kleinsten Veränderungen und Ornamentierungen bezieht. Unterlegt wird das ganze mit einer ostinaten Baßfigur, die deutlich macht, wie sich die deutsche Barockmusik aus dem Geist weltlicher italienischer Musiksprache (Romanesca / Folia) entwickelte.
Jos van Immerseel sorgt bei seinem Ensemble für eine klare und ausgewogene Stimmführung, achtet dabei peinlich genau auf die unerläßliche Textverständlichkeit und dramatische Gestaltung. Chor und Orchester sind schmal, aber nicht dünn besetzt, so daß der Chor, wo es notwendig ist, trotz aller Andacht und Zurückhaltung auch herbe Kraftentfaltung an den Tag zu legen vermag. So begegnet dem Hörer bei der Textzeile "Du, ach du hast ausgestanden/Lästerreden, Spott und Hohn,/Speichel, Schläge, Strick und Banden" eine unbeschönigte Aggressivität, für Sekunden entsteht vor seinem inneren Auge eine Folterszene.

Doch damit nicht genug: Fünf weitere Kantaten von ähnlicher Qualität werden in stets gleichbleibend hoher Interpretationsqualität geboten, bei einem scharfen Klangbild, das gleichwohl die etwas hallige Kirche als Aufnahmeort nicht verleugnet.
Buxtehudes Meisterschaft im Kontrapunkt demonstriert dabei die Trauerkantate "Mit Fried und Freud ich fahr dahin", gleichfalls die Vertonung eines Choraltextes, geschaffen für die Bestattungsfeier eines Lübecker Kirchenoberen. Die Kantate schließt in origineller Weise mit einem Klagelied.

Im übrigen bieten die weiteren eingespielten Stücke einen großen Abwechslungsreichtum, wenn auch Buxtehude an keiner Stelle das Maß der Ausgewogenheit verliert und den liturgischen Zweck der Musik in den Vordergrund stellt. Das aber hält ihn nicht davon ab, etwa in der Kantate "Fürwahr, er trug unsere Krankheit" zu fast opernhaften Mitteln zu greifen.

Bei allen Werken begeistern Solisten und Chor insgesamt durch ein extrem hohes Niveau. Besonders hervorzuheben sind dabei der Altus Jonathan Peter Kenny und der Bassist Stephan MacLeod.

Den Abschluss der CD bildet "Der Herr ist mit mir". In dieser Kantate alternieren Chor und Streicher, bevor das Werk in der Art einer Chaconne endet und die CD mit dem vielfachen, unablässig variierten Ausruf "Alleluja" beschließt.
Einen passenderen Schluß könnte es kaum geben.

Wer sich also für die Kirchenmusik dieser Epoche interessiert, erst noch auf sie neugierig werden oder sich einfach von ihr begeistern lassen will: Unbedingt kaufen!!!

20 von 20 Punkte

Sven Kerkhoff

 

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