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Neuer Dokumentarfilm über Jazzlegende Carlo Bohländer





Da werden Kenner der deutschen Jazzszene aufhorchen: Es gibt einen neuen Dokumentarfilm über eine Legende des deutschen Jazz in der Nachkriegszeit: Carlo Bohländer (1919-2004): „Carlo, Keep Swingin“. Ohne Bohländer (im Bild 2. von links) hätte sich Frankfurt am Main nie den Ruf einer Jazzstadt leisten können. Schon während der Nazi-Zeit gründete er im Frankfurter Untergrund mit weiteren Jazzfans den Hot-Club-Frankfurt und nach Kriegsende eröffnete er das "Domicile du Jazz", den ältesten Keller Europas und heutigen Frankfurter "Jazzkeller". Hier gaben sich Louis Armstrong, Dizzy Gillespie oder Duke Ellington die Klinke in die Hand, aber es verkehrten auch deutsche Jazzer und Musiker wie Bill Ramsey und Paul Kuhn und er wurde Übungskeller für Emil und Albert Mangelsdorff. Legendär sind die Jam Sessions im Jazzkeller, wo Frankfurter Jazzer mit Weltstars zusammenspielen konnten. Bohländer holte namhafte Talente nach Deutschland wie den serbischen Trompeter Dusko Goykovich. Er selbst spielte auch Trompete und schrieb etliche Standardwerke zur Jazztheorie. Hans-Jürgen Lenhart hatte Gelegenheit, im Februar einem Early Preview des Films im Historischen Museum in Frankfurt am Main beizuwohnen. Da versammelte sich alles, was im Frankfurter Jazz Rang und Namen hatte und noch lebt.
Eigentlich ist die späte Wirkung Bohländers eher einem Zufall zu verdanken. Die Regisseurin Elisabeth Ok, die auch Sängerin ist, wollte nach Frankfurt ziehen, trat im Club der Witwe Bohländers in Frankfurt auf und diese vermittelte ihr die Wohnung ihres verstorbenen Mannes. Dort fand Ok den Nachlass Bohländers im Keller, war fasziniert von dessen musealem Umfang und Inhalt und beschloss, einen Film über ihn zu drehen. Es fanden sich Filmberichte, Privatfilme, gefilmte Interviews und unzählige Zeitungsartikel und Fotos über Bohländer. Viele Weggefährten kommen aber auch zu Wort: seine Frau Anita Bohländer, Veranstalter-Legende Fritz Rau, die Musiker Bill Ramsey, Paul Kuhn, Dusko Goykovich, Günter Lenz, Gustl Mayr, Keith Copeland, der jetzige Jazzkeller-Betreiber Eugen Hahn, die Journalisten Michael Rieth und Werner Wunderlich sowie in Dokumentarfilmausschnitten auch Emil und Albert Mangelsdorff, um nur die wichtigsten zu nennen. Da einige der Zeitzeugen inzwischen verstorben sind, bekommt die Dokumentation dadurch zusätzlichen Wert.
Der Film stellt mit geteiltem Bild oft Musik und Aussagen oder auch sich aufeinander beziehende Aussagen geschickt gegenüber und hat vor allem überraschend viele humorvolle Momente. Kein Wunder, der Frankfurter Bub Carlo Bohländer war auch ein echtes Frankfurter Original voller Schrulligkeiten und Eigensinn. So stellte er seinen kleinen Sohn schon mal in den Schrank, wenn er Ruhe haben wollte oder stellte sich einen Amerika-Flug so zusammen, dass er immer auf den einzelnen Flügen ein gutes Mahl bekam.
Seine späte Würdigung ist insofern wichtig, wie er sich Ende der 1950er Jahre bereits von der aktiven Jazzszene zurückzog, sich seinen Musikclubs widmete und dadurch immer weniger öffentlich wahrgenommen wurde. Seine Rolle in der Etablierung des Jazz in Deutschland kann jedoch nicht genug betont werden. Bereits im 2. Weltkrieg gründete er die damals illegale Hotclub Combo mit und überlebte den Krieg, indem er auf ein Minimum abmagerte. Nach Kriegsende gehörte er zu den Musikern, die Jazz in Deutschland durch Tourneen verbreitete. Er war auch Co-Autor des Reclams Jazzführers. Carlo Bohländer hatte Jazz als seine persönliche Form des Widerstandes gegen die Nazi-Herrschaft und seine Form von Freiheit entwickelt. Dies ging bis ins Private, nahm er sich doch auch später die Freiheit, eine farbige Musikerin als Deutscher in den Wirtschaftswunderzeiten zu heiraten. Insofern ist der Film auch eine Hymne an das Brückenbauen zwischen den Kulturen.
Der Film wird ab jetzt in ausgewählten Städten mit lebendiger Jazzszene sowie auf Film- und Jazzfestivals zu sehen sein. Teilweise werden Konzerte von Weggefährten Bohländers die Aufführungen begleiten. Eine DVD-Veröffentlichung ist auch geplant, was aber noch dauern kann. Die Geschichte des deutschen Jazz hat mit „Carlo, Keep Swingin“ eines der bisher besten Dokumente erhalten.

[Ok & Stock Filmproduktion UG, Berlin/ Hans-Jürgen Lenhart]

Internet:
http://www.okfilm.de
Teaser auf: http://vimeo.com/22630425
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