Musik an sich


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Assimilierte Franzosen und ein Mäzen aus dem Nichts geben Eclipse Sol-Air Auftrieb




Info
Gesprächspartner: Philippe Matic-Arnauld des Lions (Piano/ Keys/ Voc/ Frontman)

Zeit: Februar 2012

Ort: Berlin - Regensburg

Interview: E-Mail

Stil: Progressvie

Internet:
http://www.eclipse-sol-air.com

Im vergangenen Jahr tauchten Eclipse Sol-Air wie ein Komet aus dem Nichts auf. Die Prog-Gazette Eclipsed wählte sie als eine der Handvoll Bands aus, die dadurch geadelt werden, dass sie im Eclipsed Shop vertrieben werden, sogar als einer der Prog-Tipps des Jahres. Ganzseitige Anzeigen werben für das Debüt Bartok’s Crisis. Unserm Rechenkünstler Norbert von Fransecky kam ein grausiger Verdacht, mit dem er ins Interview mit Bandgründer Philippe Matic-Arnauld des Lions einstieg.

MAS: Hallo Philippe! Angesichts Deines Namens vermute ich mal, dass Du zum millionenschweren französischen Hochadel gehörst und in der Lage bist, eine Major-mäßige Promokampagne aus der Portokasse zu bezahlen. Liege ich da richtig, oder wie muss man Euern Auftritt verstehen?

Eclipse Sol-Air: Die Franzosen waren doch die ersten, die alle Adeligen guillotiniert haben und deren Geld eingesackt haben … Nein, im Ernst, dass die Band Eclipse Sol-Air heuer zehn Jahre nach ihrer Gründung plötzlich „kometenhaft“ aus dem Nichts auftaucht, hat damit zu tun, dass sich jetzt endlich seit einem guten Jahr die passenden Musiker zusammen gefunden haben, die sich der Sache hingeben, professionell arbeiten und sehr viel Kreativität mitbringen. Auch ist sozusagen aus dem Nichts ein Mäzen und Manager aufgetaucht, der für uns sein letztes Hemd hergeben würde, weil er einen Narren an uns und unserer Musik gefressen hat. Und diese Kombination ist das Erfolgsrezept und hat uns plötzlich einen riesen Schub gegeben, den wir uns nicht zu träumen gewagt hätten. Wichtig sind auch die richtigen Leute im Hintergrund, wie unser Tontechniker Markus („Klex“), der einen maßgeblichen Teil zu unserem außergewöhnlichen Sound beiträgt.

MAS: Liege ich denn wenigstens mit meiner Vermutung richtig, dass es sich bei Euch um ein deutsch-französisches Joint Venture handelt?

Eclipse Sol-Air: Ja und nein. Wir haben zwar als Frontbesetzung einen „verrückten Franzosen“ und eine charmante Französin, die beide allerdings schon weitgehend assimiliert sind und die Welt aus der Sicht des „Weißwurschtäquators“ betrachten. Da lag es nahe, diese Herkunft auch in unseren teils französischen Texten nicht zu verleugnen. Übrigens sind wir darüber hinaus recht international aufgestellt. Unsere Keyboarderin Melina ist in Argentinien geboren, die Violinistin Agatha („Kitty“) hat polnische Wurzeln und der „verrückte Franzose“ Philippe hat auch noch slawisches Blut neben dem so blauen französischen in den Adern.

MAS: Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit erst einmal ein paar Worte über die Vorgeschichte von Eclipse Sol-Air zu hören, und über die bisherigen Höhepunkte der Bandgeschichte.

Eclipse Sol-Air: Entstanden ist Eclipse Sol-Air (kurz ESA) aus einer Vision einer kurzen prägnanten Melodie heraus, die mir als Bandgründer die ganze Zeit im Kopf umher geisterte. Ich hatte zunächst, wie jeder andere Anfänger auch, Musik gecovert, meist französische Chansons. Nach einem halben Jahr schon wurde diese Melodie in meinem Kopf so stark, dass sie mich fast anschrie: „Jetzt spiel mich endlich!“ Und ich beschloss dieser Melodie Leben einzuhauchen. Ich gründete Eclipse Sol-Air und es hat Jahre gedauert, bis die Melodie real zu einer Vision wurde. Aber wie bei allen Visionen musste viel, sehr viel Lehrgeld bezahlt werden, bis sich endlich auch die Menschen zusammengefunden hatten, die dieser Vision des künstlerischem Rock, des Art Rock, folgen wollten. Die Melodie übrigens heißt unter den Eingeweihten, die ESA-Melodie und sie taucht immer wieder in verschiedensten Facetten und Songs auf. Mal gut versteckt, mal ganz offensichtlich.
Unsere Höhepunkte waren hauptsächlich letztes Jahr das Festival in Clermont Ferrand, unsere erste Tournee mit 11 Gigs, vom hr3 promotet, unsere Entdeckung durch das Magazin Eclipsed und des Wiener Magazins Slam, sowie der Release unseres Albums, auf das wir richtig stolz sind und das sich inzwischen besser verkauft als erwartet.

MAS: Im Gegensatz zu der Promokampagne ist das Booklet von Bartok’s Crisis - abgesehen von dem fantasievollen Artwork eher spartanisch ausgestattet. Statt Lyrics gibt es nur einen kryptischen Text, in dem sich mindestens sechs Sprachen abwechseln, von denen ich Französisch, Deutsch, Englisch und ein wenig Latein sicher identifiziere; Hebräisch und Polnisch, oder eine andere osteuropäische Sprache vermute.
Rechnet ihr damit, dass das irgendwer versteht?


Eclipse Sol-Air: Unsere Sprache ist die Musik, egal mit welchen Texten in welcher Sprache sie ausgedrückt wird. Man soll, wenn man ein Album von uns kauft, länger was davon haben. Das was bei den Prog Größen der 70er so sehr bewundernswert ist, ist die Vielfalt, die man nicht beim ersten Hören entdeckt. Wir führen das weiter. Unser Art Work ist so gestaltet, dass man das Bild einfach im Gesamten anschauen kann und sich daran erfreut, oder aber genauer drauf schaut, vielleicht mal eine Lupe verwendet um die Details zu erforschen. Das setzt sich in Text und Musik fort. Sinn ist es, den Forscherdrang des Zuhörers zu wecken.

MAS: So weit ich das raus gehört habe, ist die Verständlichkeit der Texte ähnlich „offensichtlich“. Der Longtrack `Die Rumänen´ erzählt erst die Geschichte von Hänsel und Gretel nach, um dann urplötzlich und ohne jede Verbindung darüber zu reflektieren, dass Rumänen Holzschuhe tragen. Rätselhaft. Gibt es eine Lösung?

Eclipse Sol-Air: Es gibt sie. Und wie oben schon erwähnt. Entweder man lässt die Texte und die Musik einfach auf sich einwirken oder erforscht sie und findet immer wieder Neues. Wir denken, dass die Pop-Musik zu einem Beliebigkeits-Produkt geworden ist, was heutzutage viele Menschen dazu verleitet, sie einfach zu kopieren und nicht mehr zu kaufen. Wir hören im Radio fast ausschließlich solche Musik, die bestimmt mit viel Aufwand und Geld sehr gut arrangiert und produziert ist, aber man hört die Standard Song-Länge 3:30 min einmal an, und weiß schon alles. Wir aber versuchen die Musik so zu gestalten, dass der Hörer von seinem Geld was hat. Er soll nicht nur einmal 80 Minuten Spaß mit unserem Album haben, sondern nach dem fünfmaligen Anhören immer noch Neues entdecken.
Muss es im Leben immer für alles eine Lösung oder Erklärung geben? Ist nicht manchmal das Rätselhafte spannender, das die Fantasie anregt?

MAS: Kommen wir zur Musik. Ihr mischt hemmungslos. Prog, Folk, Klassik sind das Zentrum. Aber vom Rock ist über den Reggae bis hin zum Walzer alles erlaubt. Auch wilde Soli und hörspielartige Phasen sind möglich. Wo steckt ihre eure Grenzen?

Eclipse Sol-Air: Es gibt keine Grenzen und doch gibt es welche. Allerdings keine klar definierbaren. Wir wollen aber, dass die Hörer einen eigenen Stil in unserer Musik erkennen und zwar den Eclipse Sol-Air-Stil. Das ist unsere Konstante. Dann können die Einflüsse aus aller Welt kommen. Es ist die Art wie man damit umgeht, welche Harmonien man verwendet, welche Wiederholungen, welche Klangfarben. Das macht die Einmaligkeit einer Band aus, dass unsere Fans sofort wissen, das ist ESA, wenn sie beliebige Ausschnitte unserer Songs hören.

MAS: Der CD-Titel lässt vermuten, dass Ihr eine besondere Beziehung zu Bela Bartok habt.

Eclipse Sol-Air: Im Album wird man direkt eher wenig bis gar keine Musik von Bela Bartók finden und doch in Nuancen sehr viel. Dazu muss man sich mehr mit der Lebensgeschichte von Bartok beschäftigen, die unserer ähnelt. Und außerdem spielt in meiner Lebensgeschichte der Musiker Bela Bartok auch eine prägende Rolle.

MAS: Wen würdet ihr sonst als Vorbild nennen?

Eclipse Sol-Air: Wir haben keine Vorbilder, sondern nur musikalische Vorlieben. Jeder in der Band hat seine eigenen, deren Einflüsse sich dann wiederum auf unseren Sound auswirken. Für die gesamte Band sind dies Genesis (mit Peter Gabriel), Mike Oldfield, Porcupine Tree, auch ein wenig Opeth und Rammstein, sowie vieles aus der Klassik, was sicher auch aus der klassischen Musik-Ausbildung einiger Bandmitglieder folgt. Auch ganz skurrile Bands aus der jugoslawischen Prog-Szene sind dabei: Korni Grupa und SMAK. Unser Gitarrist Fritz steht auf Die Ärzte, unser Basser Benno auf Periphery und unsere Geigerin Agatha auf Gothic und Metal. Dies nimmt zwangsläufig auch alles Einfluss.

MAS: Was für Menschen stecken hinter Eclipse Sol-Air? Hauptberufliche Musiker, Musiktheoretiker oder Leute, die von 9 to 5 ordentlichen Berufen nachgehen?

Eclipse Sol-Air: Ein bunter sympathischer Haufen, der irgendwie sehr viel mit Musik zu tun hat und die Musik zum ordentlichen Beruf gemacht hat oder noch machen will. Aber da das nicht einfach ist heutzutage, wird auch das Scheitern einkalkuliert. Deshalb sind die Alternativen wichtig:
Unsere Sängerin und Querflötistin Mireille ist von Beruf Querflötenlehrerin und derzeit frischgebackene Mutter. Unsere Violinistin Agatha hat an der Musikhochschule in Nürnberg Geige studiert und nach dem Gewinn diverser Preise in Landes- und Bundeswettbewerben in klassischer Violine holt sie jetzt ihr Abi nach. Melina, die Frau an den Tasten, studiert Musik und Physik, der Gitarrist Fritz hat Gitarre studiert am MGI (Münchner Gitarreninstitut) und jetzt studiert er Maschinenbau. Der Bassist Benno schreibt derzeit seinen Bachelor in BWL während er nebenbei Gesangsunterricht nimmt und E-Bass und Kontrabass übt .Der Drummer Dave studiert noch Schlagzeug am Drummers Focus in München in der Oberstufe, lehrt dort Schlagzeug und lebt weitgehend vom Schlagzeug spielen und ich habe in München an der Deutschen Pop Akademie studiert, hatte von Jugend auf Klavier- und Gesangsunterricht und schreibe derzeit meinen Bachelor in Musikwissenschaft und BWL. Also mitnichten Theoretiker, sondern gestandene Praktiker auch und gerade an unseren Instrumenten.

MAS: Wie geht es mit euch weiter? Bartok’s Crisis klingt nach einem Album, das einen längeren Entstehungsprozess hinter sich hat. Wie schnell kann man da was nachschieben?

Eclipse Sol-Air: Wir sind gerade im Studio, unser nächstes Album aufzunehmen, deren Songs fast wie von selbst zwischendurch entstanden sind. Da sind wieder richtige Hammer–Stücke dabei, die unsere Fans erneut überraschen werden. Wir haben durch das aktuelle Album viele Erfahrungen sammeln können, die für die kommenden Aufnahmen helfen, Fehler zu vermeiden und somit auch Zeit zu sparen. Und mit jedem Album werden wir sicher routinierter. Die Gefahr besteht aber bei uns nicht, dass wir irgendwann nur noch Routinemusik schreiben.

MAS: Habt Ihr Angst, dass ihr den Schub, den ihr gerade durch die öffentliche Aufmerksamkeit bekommt, nicht nutzen könnt?

Eclipse Sol-Air: Nein, wir haben Vertrauen in unseren international erfahrenen Manager, dass er sicher jede Gelegenheit nutzen wird, die sich ihm für uns bietet. Das klappt bisher auch ganz gut. Wir haben mit ihm gemeinsam ein klares Ziel, wir möchten mit unserer Musik auf die großen Bühnen, in die Plattenläden und in die Medien. Und dafür sind wir uns für nichts zu schade. Auch wenn wir sicher gerne sofort auf die Mega Bühnen steigen wollten, geben wir trotzdem unser Bestes egal auf welcher Bühne wir stehen und vor wie vielen Leuten wir spielen.

MAS: Kann man Bartok’s Crisis, das ihr ja mit reichlich Gastmusikern eingespielt habt, live umsetzen?

Eclipse Sol-Air: Natürlich spielen wir auf unseren Konzerten Live-Versionen, die sich aber nicht sehr von den Album-Versionen unterscheiden. Dafür sind wir alle professionelle Musiker mit dem Wissen, wie die vorhandenen Instrumente live zu nutzen sind. Außerdem spielt bei Live-Konzerten die Show, die Interaktion mit dem Publikum und der Flow auf der Bühne und vor der Bühne eine wichtige Rolle und gestaltet somit die Musik mit. Bei einem Album fällt dieser Aspekt weg und da kann man halt mit Gastmusikern einiges erreichen.
Wir sind auf der Bühne sieben Vollblut-Musiker, von denen die meisten mehr als nur ein Instrument spielen. Da geht live schon was.

MAS: Ist mit Euch demnächst in Deutschland live zu rechnen?

Eclipse Sol-Air: Aktuell wird das Jahr 2012 noch geplant. Es werden Verhandlungen geführt für eine Holland-Tour, eine USA-Tour, eine Italien-Tour und auch in Polen wurde uns schon Interesse signalisiert. Auch würden wir uns verständlicherweise gerne in Frankreich präsentieren, da schauen wir gerade, was geht. In Deutschland haben wir derzeit schon mal drei Highlights, am 9. Februar in Nürnberg im Hirsch, am 25. Februar in Mühlheim/Main in der Schanz und vom 19. bis 22. Juli auf dem Burg Herzberg Festival, auf das wir uns besonders freuen.

MAS: Herzlichen Dank für die Antworten!


Norbert von Fransecky



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