Musik an sich


Reviews
Galuppi, B. (Marcon)

L´Olimpiade


Info
Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 12.1.2009

(Dynamic / Klassik Center Kassel / 2 DVD / live 2006 / Best. Nr. 33545)

Gesamtspielzeit: 210:00



KOLORATUROLYMPIADE

Baldassare Galuppi (1706-1785) gilt in erster Linie noch immer als einflussreicher Vertreter der opera buffa italienischer Prägung. Weniger bekannt ist, dass Galuppi auch auf dem Feld der opera seria äußerst erfolgreich war. Anhand der im Teatro Malibran zu Venedig aufgezeichneten Produktion der "L´Olimpiade" lässt sich trefflich nachvollziehen, was das Publikum damals zu Begeisterungsstürmen hingerissen hat.
Galuppi reiht nicht nur in neapolitanischer Manier eine schöne Melodie an die andere, sondern gibt zugleich jedem Sänger in einem teils schon aberwitzigen Ausmaß Gelegenheit, mit virtuosen Kunststückchen zu brillieren. Dass dabei der Stoff und die Ausgestaltung der handelnden Figuren ins Hintertreffen geraten, entsprach durchaus dem Geschmack der Zeit und war bei einem so häufig vertonten Libretto wie Metastastasios "L´Olimpiade" zu verschmerzen. Den meisten Zuschauern dürfte damals die verwickelte Geschichte bereits bekannt gewesen sein. Und auch wer dieser heute nicht ganz zu folgen vermag, ist ausreichend im Bilde, sofern er nur den jeweils darzustellenden Affekt begreift.

Es ist also nicht mehr und nicht weniger als ein Arienkonzert mit Bühnenaktion, wenngleich die Affektzeichnung doch differenzierter erfolgt als etwa in Hasses Bühnenwerken. Insofern führt die DVD nur unwesentlich weiter als es eine CD getan hätte. Die Regie gibt sich minimalistisch, desgleichen das Bühnenbild. Den Sängern bleibt also genug Freiraum, sich auf ihre stimmliche Leistung zu konzentrieren.
Und diese Konzentration tut der Sache gut: Aus dem qualitätvollen Ensemble ragen besonders Roberta Invernizzi und die deutsche Mezzosopranistin Franziska Gottwald heraus, wobei letztere nicht nur bestechend koloratursicher auftritt, sondern der Figur des Licida auch starken Charakter verleiht. Der Prinzessin Aristea schenkt Ruth Rosique ihre bewegliche, leichte und doch nicht körperarme Sopranstimme und den sportlichen Olympioniken Megacles mit all seinen inneren Qualen und Gewissenskonflikten gibt Romina Basso gleichermaßen volumen- wie verzierungsreich.
In diesem Wettstreit der Nachtigallen geht allerdings der König, Clistene, alias Mark Tucker, anfangs ganz unköniglich unter: Ihm verrutschen in der Auftrittsarie die Töne, dann ist er mal dem Orchester voraus, mal eilt er ihm hinterher und ständig zittert der Hörer bang mit, ob nicht der nächste der zahlreichen Läufe nun völlig verunglücken wird. Aber Tucker fängt sich im zweiten Akt, der mit seiner Aneinanderreihung höchst dramatischer Verzweiflungs- und Wahsinnsarien ohnehin ein Opernfeuerwerk der besonderen Art ist.
In den Nebenrollen gefallen Filippo Adami und Furio Zanasi.

Die barocke Sängerolympiade hat aber noch einen weiteren, heimlichen Star zu bieten: das Venice Baroque Orchestra unter der Leitung des erfahrenen Andrea Marcon. Es spielt so schwungvoll-feurig und hellwach, dass auf diesen Flügeln der Musik eben auch die Sänger zu Höchstleistungen geführt werden. Außerdem trägt der brillante, farbenreiche Orchestersound maßgeblich dazu bei, dass die Aneinanderreihung der Koloraturarien nicht zu Überdruss führt.
Ein bißchen viel Gezwitscher sind 210 Minuten Galuppi zwar dennoch, aber man kann sich die Leckerbissen barocker Vokalkunst ja auch in kleinere Portionen einteilen.

Was die Technik anbelangt, so verdienen vor allem Bildregie und Schnitt ein Lob, denn hier wurde mit viel Gespür für die Musik zu Werke gegangen. Im Gesamtklang tritt das Orchester bei insgesamt eher trockener Akustik theatertypisch leicht in den Vordergrund.

Insgesamt eine herausragende Opern-Produktion.
Den Mut, solch lohnende Neuentdeckungen herauszubringen, scheinen derzeit aber nur die Indepentlabel, wie hier Dynamic aus Italien, zu besitzen. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Marcon und sein Orchester eigentlich exklusiv bei der Deutschen Grammophon unter Vertrag stehen.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Mark Tucker: Clistene
Ruth Rosique: Aristea
Roberta Invernizzi: Argene
Romina Basso: Megacle
Franziska Gottwald : Licida
Furi Zanasi: Alcandro
Filippo Adami: Aminta

Venice Baroque Orchestra

Andrea Marcon: Leitung

Dominique Poulange: Regie


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