Musik an sich


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Händel, G. F. (Goodwin)

Riccardo Primo


Info
Musikrichtung: Barock / Oper

VÖ: 18.01.2008

deutsche harmonia mundi / SonyBMG (3 CD, DDD (AD: 2007) / Best.nr. 88697174212)

Gesamtspielzeit: 177:00

Internet:

Kammerorchester Basel

SonyBMG



KLEINLICHES BOOKLET, GROSSARTIGE AUFNAHME

Manchmal muss man mit den Kleinigkeiten beginnen: Dass bei einer zum Normalpreis erscheinenden Opernproduktion eines renommierten Labels darauf verzichtet wird, das Libretto abzudrucken und es sich statt dessen als pdf-Datei auf einer der CDs befindet, ist mehr als ärgerlich. Wieso eigentlich soll dann noch jemand das Originalprodukt kaufen und es nicht lieber preisgünstig oder illegal downloaden?!? Außerdem ist diese Art der Beifügung ungefähr so sinnhaft, wie das Schild "Achtung Nebel!" - "Entweder es ist Nebel ODER ich kann das Schild sehen!", wie der Kabarettist Volker Pispers dazu einmal treffend bemerkt. Hier gilt: Entweder ich habe die CD im Player und kann sie hören oder ich habe sie im Rechner und kann das Libretto lesen. Ich könnte es mir natürlich auch auf DIN A4 Recycling-Papier ausdrucken und diesen Ausdruck irgendwo in meinem Regal ablegen, wo er vergilbt und ich ihn nie wiederfinden werde...

Eigentlich hatte ich deshalb schon gar keine Lust mehr, die CD überhaupt zu hören. Das allerdings wäre ein kapitaler Fehler gewesen, denn Paul Goodwin hat mit dieser Studioaufnahme einer konzertanten Produktion von den Händel-Festspielen in Halle einen herrlichen Leckerbissen für die Fans der Barock-Oper zubereitet. Den selten zu hörenden, dabei doch an attraktiven Arien reichen und besonders wegen seiner farbigen Instrumentierung auffallenden "Riccardo Primo" - einer Geschichte um Liebe und Heldenmut des englischen Königs Richard Löwenherz - bekommt man hier in mustergültiger Interpretation zu hören, die die Konkurrenzaufnahme unter Christophe Rousset (Decca, 1995) locker aussticht. Die Oper reicht zwar nicht an Händels stärkste Bühnenwerke heran, sie ist aber mehr als nur solide Handarbeit aus Händels bewährter Feder und der Wiederentdeckung allemal wert.

Goodwin betont in seiner Interpretation das rhythmische Element und arbeitet hier oft effektvoll mit kleinsten Verschiebungen, aber er forciert weniger stark als manch anderer Kollege aus der Alten Musik-Szene. Vielmehr federt die Musik angenehm, jedoch nicht monoton. Das geräuschhafte Musizieren wird ganz bewusst nur an einigen Stellen eingesetzt, wenn nämlich etwa Sturm und Gewitter toben. Sehr viel Wert legt Goodwin auf die Ausführung und variantenreiche Begleitung der Rezitative.

Das Protagonistenpaar ist nahezu ideal besetzt: Nuria Real brilliert mit einer auf Hochglanz polierten, silbrigen Sopranstimme, die der jungen, treuen Geliebten des Königs bestens zu Gesicht steht. Ihre Arien hat Händel mit großer Süße und Melodienseeligkeit ausgestattet, in der sich Real dann auch genußvoll ergeht. Für die dramatischer angelegte Titelpartie stand mit Lawrence Zazzo ein erfahrener, kraftvoller und koloratursicherer Countertenor zur Verfügung. Zazzo betont den zwiespältigen Charakter Riccardos, dessen Leidenschaft und Brutalität, auch seine Großmannssucht. Seinen finsteren Gegenspieler gibt David Wilson-Johnson mit viel Herzblut und einer für einen Bariton erstaunlich dunkel gefärbten Stimme.
Auch die kleineren Rollen sind adäqut besetzt. Zwar vermag Tim Mead als Oronte seinem Kollegen Lawrence Zazzo in puncto Gestaltungskraft nicht das Wasser zu reichen, dafür hebt er sich mit seiner ganz anders beschaffenen Stimmfarbe gut von diesem ab und an technischem Können fehlt es ihm keineswegs.

Das Kammerorchester Basel entfaltet in der klanglich sehr ausgewogenen Einspielung instrumentale Farbenpracht und Frische.

Also, liebes Management: Bei einer solch gelungenen Produktion wirkt der Verzicht auf das Textheft um so kleinlicher - tut das den Fans bitte NIE, NIE wieder an!!! Wir zahlen notfalls auch gerne 50 Cent mehr! Versprochen!?



Sven Kerkhoff



Besetzung

Costanza: Nuria Rial, Sopran
Riccardo: Lawrence Zazzo, Countertenor
Pulcheria: Gerladine McGreevy, Sopran
Oronte: Tim Mead, Countertenor
Isacio: David Wilson-Johnson, Bariton
Berardo: Curtis Streetman, Bass

Kammerorchester Basel

Ltg. Paul Goodwin



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