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DC Talk - Als Jesus Freaks von Erfolg zu Erfolg

DC Talk - für den europäischen Otto Radio-Normalhörer steckt hinter dieser Band ein One Hit Wonder, das 1995 mit dem Mega-Hit "Jesus Freaks" aus dem Nichts auftauchte und dort alsbald auch wieder verschwand. In den USA und den christlichen Insider-Kreisen sieht das ganz anders aus. Dort kennt man DC Talk als eine der erfolgreichsten christlichen Rock-Bands aller Zeiten.

Obwohl DC Talk seit einigen Monaten auf Eis liegen und die drei Gesichter der Band, Toby McKeehan (kurz: Toby Mac), Michael Tait und Kevin Max Smith, die Zeit nutzten um solo aktiv zu sein, wurde das 10. Jubiläum des Durchbruch-Albums Free at last zum Anlaß genommen den Backkatalog noch einmal in Auszügen aufpoliert auf den Markt zu bringen. Grund genug, eine Reise durch die Publikationsgeschichte der Band, bestehend aus CDs, DVDs und Büchern, zu veranstalten. Dabei werde ich das, was ich kenne, ein wenig kommentieren.

Zwei der drei frühen DC Talk-Alben

Am Anfang stehen drei Alben, die ich nicht kenne, die ich in den Katalogen der deutschen christlichen Mailorder (www.gerth.de; www.asaph.net; www.asaph.net) auch noch nie gesehen habe. 1988 erschien das Debut dc Talk. DC, weil die Band in Washington DC gegründet wurde. Es folgten Gah ta be (1989) und Nu Thang (1991). Diese Scheiben sollen sich noch sehr stark auf Rap und HipHop beschränken, aber ihre Einflüsse langsam erweitern. Wohin das führen soll, zeigt dann 1992 Free at last.

Als hätte die Band geahnt, was passiert, erhielt ihr 92er Album einen äußerst beziehungsreichen Titel. Free at last öffnete der Band endgültig viel Türen - und gab ihr die Möglichkeit, ihre Musik im ganz neuen Rahmen zu präsentieren.

Free at last ist viel mehr als ein Rap oder HipHop-Album. DC Talk behalten die kraftvoll dynamischen Elemente der Sprechgesang-Kultur bei, was ihnen besonders gut gelingt, da sie mit gleich drei Frontmännern viel Abwechslung und Tempo ins Spiel bringen können. Gleichzeitig wildern die drei aber auch mächtig in der musikalischen Gegenwart und Vergangenheit Amerikas. Das Bill Withers-Cover "Lean on me" stammt natürlich aus dem großen Soul-Repertoire. Dazu kommen Einflüsse aus Gospel, Rock und Funk. Gelegentlich klingt es wie aus der Frühzeit von George Michael, als er noch mit Wham! Hits fabrizierte ("Say the Words"). Aber auch der spätere George ist zu hören. "I don't want it" scheint zum Beispiel mächtig von "Faith" beeinflußt zu sein. Meiner Meinung nach schlagen DC Talk den Multimillionär mit Free at last allerdings um Längen, da er weder die Vielfältigkeit, noch die Power je erreicht hat, die die Christenjungs auf dieser Scheibe aus dem kleinen Finger schütteln. Man muss sich nur einmal Power-Songs wie "Jesus is just alright", "Free at last" oder "Luv is a Verb" anhören.

Free at last, ist jetzt in einer 10th Anniversary Edition wieder veröffentlicht worden, die einiges an Bonus-Material enthält. Neben dem Alternative-Mix eines Album-Tracks gibt es eine knappe Viertelstunde, in der Toby, Kevin und Michael einzelne Tracks, den CD-Titel und den Namen der eigenen Plattenfirma "Gotee Records" kommentieren. Das gibt vor allem für Hard Core-Fans Sinn. Daher sollte man ruhig auch dann zugreifen, wenn man die "normale" Edition irgendwo günstig abgreifen kann. Man verpasst nichts umwerfendes. Interessanter ist dann schon die "Große Lösung": Free at last in der 10th Anniversary Edition plus Free at last - The Movie.

Die DVD bietet als Kernstück einen anderthalb-stündigen Konzertfilm, der DC Talk auf Tour dokumentiert. Der technische Aufwand, der hier betrieben wird, macht deutlich, welch große Nummer die Band in den USA schon vor dem "Jesus Freak" war. Kein Wunder, denn man konnte nicht nur Awards im christlichen Lager abgreifen, sondern auch den US-Musik-Oscar, den Grammy für das beste Rock-Gospel-Album des Jahres. Die Konzertszenen auf Free at last - The Movie sind brillant; nicht nur akustisch, sondern auch optisch tadellos umgesetzt. DC Talk sind mit großer Besetzung unterwegs. Auf der Bühne toben nicht nur die drei mit ihrer Backing-Band, sondern auch drei Breakdancer, die die Ursprünge der Band unübersehbar machen, und zusammem mit Toby, Kevin und Michael so viel Wirbel machen, dass man den Eindruck hat, DC Talk hätten ein ganzes Heerlager an Tänzern engagiert, um dem Geschehen auf der Bühne noch einmal eine ganze Kelle Dramatik und Tempo zu verleihen.

Besetzung:
Toby Mac (Voc)
Michael Tait (Voc)
Kevin Max (Voc)

Band:
Brent Barcus (Git)
Will Denton (Dr)
Jason Halbert (Keys)
Otto Price (B)

Dancers:
Teron "T-Bone" Carter
Stacey "Coffee" Jones
Juan Otero

Ursprünlich sollte der Film 1994 in die Kinos kommen. Probleme mit dem Verleih führten dazu, dass die Arbeiten nie ganz fertig gestellt wurden und der Film jahrelang auf Eis lag. Zum Jubiläum hat man ihn aufgetaut und in der unfertigen Form auf DVD gepresst. Dem Genuss schadet das kaum. Es fehlen lediglich die Titeleinblendung im Vor- und Abspann. Ausserdem laufen zeitweise Bandlaufzahlen durchs Bild.

Zwischen den Live-Sequenzen gibt es viel aus dem Leben der Band zu sehen. Vorbilder der Band werden gezeigt oder genannt - und die könnten gegensätzlicher kaum sein: der konservative weiße Missionar Billy Graham, der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King und Ex-Nirvana-Frontmann Kurt Cobain. Als sie während der Tour von seinem Tod hören, widmen sie ihm am Abend die Ballade "I wish we'd all been ready". Was Cobain - aus Sicht der drei Christen betrachtet - sicher nicht war.

Natürlich werden die drei Talker auch privat vorgestellt - und das klingt dan gar nicht mehr nach beschaulichem, heilen Christenleben. Toby Mac ist Adoptivkind, der seine eigenen Eltern gar nicht kennt. Michael Tait ist zwar Pastorensohn, aber im Film spricht er mit einem Bruder Nathan, der seit elf Jahren im Gefängnis sitzt. Dort wurde auch das Video zu "The Hardway" gedreht.

Als DVD-Bonus gibt es Muiscvideos zu "The Hardway" und "Jesus is just alright", einige zusätzliche Szenen, die im Film gestrichen wurden, ein "Making of", eine Gallerie mit 11 Fotos und zwei Trailer zum Film.

Nach diesem ersten Karriere-Höhepunkt gelingt es der Band tatsächlich noch einen drauf zu legen. Die folgende CD Jesus Freak, enthält mit dem Titelsong nicht nur den erfolgreichsten DC Talk-Titel, sondern den weltweit wohl erfolgreichsten Titel einer christlichen Band in den letzten 25 Jahren überhaupt. Die Grenzen der USA wurden gesprengt. Der "Jesus Freak" hatte monatelang Dauereinstz in allen europäischen Radiostationen und auch in vielen nationalen Verkaufscharts. Mittlerweile hat der Text sogar seinen Weg in ein deutsches Religionsbuch für die 9 und 10. Klasse gefunden.

Der Name Kurt Cobain ist schon gefallen. Auf Jesus Freak ist sein Einfluss deutlich zu hören. Die Scheibe ist noisiger, gitarrenlastiger. Der Grunge hat unverkennbar seine Spuren hinterlassen. Kein Wunder, dass die lebensfrohe Power, die Free at last ausgezeichnet hatte, ein wenig in den Hintergrund treten muss. Ansonsten bleibt alles beim alten. Die Band liefert auf der einen Seite sehr fromme Texte. Hier ist nicht zuletzt der Titlesong zu nennen. Der dort beschriebene Jesus Freak ist ein Typ, der sich irgendwo auf den Markt stellt und den Leuten von Jesus predigt. Ablehnung und Verspottung sind die fast schon logische Folge. Aber genau das nimmt der Jesus Freak bewusst in Kauf. Für ihn - und für die Band - gehört sowohl das missionarische Auftreten, als auch die zu erwartende Ablehung zum Christsein einfach dazu. Neben den frommen Texten gibt es aber auch politische Sachen, wie z.B. "Coloured People", das sich gegen Rassismus wendet. Ein Thema das den Dreien, einem Schwarzen und zwei Weißen, verständlicherweise auf den Nägeln brennt.

Die CD-Single "Jesus Freaks" enthält einen unvermeidlichen Remix, die Live-Tracks "I wish we'd all been ready" und "Jesus is just alright" (von Free at last) jeweils in einer Audio- und einer Video-Version, sowie einen Trailer mit Interview zu Free at last - The Movie.

Natürlich wird auch dieses Album mit einer Tour promotet, die dann mit der ersten Live-CD Welcome to the Freakshow dokumentiert wird. Sie enthält vier Tracks von Free at last, acht Tracks von Jesus Freak, zwei weitere DC Talk-Songs und je ein Cover von den Beatles ("Help") und R.E.M. ("It's the End of the World as we know it"). Mittlerweile ist auch dieser Live-Mitschnitt als DVD erhältlich.

Die Live-CD Welcome to the Freakshow ist mittlerweile auch als DVD erhältlich.

Besetzung:
Toby Mac (Voc)
Michael Tait (Voc)
Kevin Max (Voc)

Band:
Brent Barcus (Git)
Will Denton (Dr)
Jason Halbert (Keys)
Otto Price (B)
Marvin Sims (Perc)
Mark Townsend (Git)

Es folgte 1998 die bisher letzte Studio-CD Supernatural, die trotz einiger starker Songs keinen "Jesus Freak"-Nachfolger bot. DC Talk erscheinen auf diesem Album gereift und erwachsener. Schon das Cover wirkt moderner, fast futuristisch. Das Album macht durchaus Spass, aber diesen Kick, für den DC Talk einmal standen, hat es einfach nicht. Es wirkt ein Stück weit überproduziert, glatt, fast unnahbar.

Zu diesem Album ist die DVD The Supernatural Experience erschienen. Sie enthält neun der 14 LP-Songs in Live-Versionen, drei weitere Songs als Musik-Videos und zwei neue Songs in Live-Versionen. Bonüsse enthält die 75-Minuten DVD ansonsten nicht. Die Live-Aufnahmen sind hervorragend, geben dem Supernatural-Material auch noch mal etwas Schmackes. Aber im Vergleich mit den Aufnahmen von der Free at last-Tour beobachtet man ähnliches, wie im Vergleich zwischen den CDs. Das Besondere ist nicht mehr in diesem Maße da. Da steht eine tolle, aber recht konventionelle Rock-Band auf der Bühne, die mit Soul-, Gospel- und Rap-Einflüssen arbeitet. Der Free at last-Circus war aber einfach mehr.

Besetzung:
Toby Mac (Voc)
Michael Tait (Voc)
Kevin Max (Voc)

Band:
Jason Halbert (Keys)
Barry Graul (Git)
Rick May (Dr)
Ric Robbins (DJ)
Otto Price (B)
Mark Townsend (Git)

Danach gibt es mit Intermission eine Best of-Compilation ist, die einen Strich unter die bisherige Band-Karriere zieht. Denn an dieser Stelle machen DC Talk erst einmal einen Schnitt und legen eine bis heute nicht beendete Pause ein, die sie unter anderem zur Produktion von Solo-CDs genutzt haben.

Drei Mal DC Talk-Solo: Tait - Empty; Kevin Max - Stereotype be; Toby Mac - Momentum

2002 legten alle drei fast zeitgleich ihre Debuts vor. Dazu gab es eine Compilation DC Talk - The Solos, die je zwei Tracks von den drei Soloalben enthält - außerdem noch ein DC Talk-Cover von U2s "40". Diese Compi sollte wohl nicht zuletzt Beleg dafür sein, dass es mit der Band weiter geht. Die Solo-CDs haben wir bereits an anderer Stelle (MAS April 2002) besprochen.

Seitdem hat Toby Mac mit einer knappen 30-Minunten-DVD in der Collectors Series (Review: MAS September 2003) und einem Remix-Album (Review: MAS August 2003) - beides auf Basis seiner Solo-Scheibe nachgelegt.
Ganz frisch auf dem Markt ist das zweite Solo-Werk von Michael Tait, der außerdem noch die Hauptrolle in der Rockoper Hero gesungen hat, die die Geschichte Jesu in die Straßenschluchten New Yorks verlegt. (Reviews demnächst)

Zu guter letzt gibt es noch drei Bücher aus dem DC Talk-Lager, die inhaltlich das Thema von "Jesus Freak" aufnehmen und sich zentral mit der Situation von Christen beschäftigen,die in Vergangenheit und Gegenwart wegen ihres Glaubens verfolgt wurden.

DC Talk/ The Voice of the Martyrs - Jesus Freaks
320 Seiten
Gerth Medien, Asslar, 2001, 3. Auflage 2002
ISBN 3-89437-717-8

Gemeinsam mit "The Voice of the Martyrs" haben DC Talk das Buch Jesus Freaks herausgegeben, das nicht - wie der Titel erst einmal vermuten läßt - die Geschichte der Band erzählt.

Der Untertitel "Berichte von Menschen, die bereit waren, für ihren Glauben bis zum Äußersten zu gehen" gibt genau wieder, worum es gut 300 Seiten lang geht. Immer wieder erleben wir Christen, die in Gesellschaften leben, in denen ein offenes Bekenntnis zu Jesus Christus im Extremfall das Todesurteil bedeuten kann.

Interessant wird das Buch vor allem durch den weiten zeitlichen Bogen, den es spannt. Schwerpunkte sind dabei die frühe Kirche (beginnend mit Stephanus, dem ersten Märtyrer der christlichen Kirche ca. 40 n. Chr.), die Reformationszeit, in der (evangelische) Christen vorwiegend von (katholischen) Christen gemeuchelt wurden, die Zeit der kommunistischen Diktaturen (Gao Feng, China 1997) und islamistische Staaten der Gegenwart (Roy Pontoh, Indonesien 1999).

Empfehlen kann ich das Buch allerdings nur mit großen Einschränkungen. Zu holzschnittartig sind die Darstellung, die immer wieder stereotyp den bösen Quäler und den standhaften Christen einander gegenüberstellen. Motive und Brüche in den Personen werden nicht einmal ansatzweise erkennbar. So bleiben die Geschichten leblos und vermögen kaum zu fesseln. Das Anliegen, auf religiös motivierte Verfolgung von Christen aufmerksam zu machen, mag richtig sein. Ein Weltbild, dass derart schwarz-weiß malt, ist aber wenig überzeugend und bestenfalls dazu geeignet, bereits Empörte in ihrer Empörung zu bestätigen, als in weiteren Kreisen für das angepeilte Anliegen zu werben.

Den DC Talkern ist das Anliegen aber weiter wichtig. Ein zweiter Band ist erschienen.

DC Talk - Jesus Freaks; Andachten
176 Seiten
Gerth Medien, Asslar, 2002
ISBN 3-89437-798-4

Überzeugender wirkt demgegenüber das schmalere Bändchen mit dem allerdings wenig passenden Untertitel "Andachten". Man könnte es eher als einen Jesus Freaks-Katechsimus bezeichnen.

"Wie Jesus Freaks beten", "Wie Jesus Freaks glauben", "Wie Jesus Freaks Liebe zeigen" etc lauten die Titel der zehn Kapitel des Buches. Jedes Kapitel ist gleich strukturiert. Nach einer kurzen Einführung ins Thema folgen Fragen zum Weiterdenken (Icl. liniertem Freiraum, um die eigenen Gedanken gleich im Buch zu notieren). Den Abschluss bildet dann ein Absatz, in dem unter der Überschrift "Jesus Freaks in der Gegenwart" Märtyrerberichte wiedergegeben werden, die bereits aus dem ersten Jesus Freaks-Band bekannt sind, hier aber weniger plakativ wirken, da sie in einen größeren Gedankenzusammenhang gestellt werden.

Meiner Meinung nach kann man sich nach den Jesus Freaks-Andachten den dickeren Band gut sparen. Die JF-Andachten sind in Zusammenhang mit den Jesus Freaks International herausgegeben worden, einem Zusammenschluss vor allem junger Christen, die ihren Glauben auf unorthodoxe Art leben wollen.

Norbert von Fransecky