Musik an sich


Reviews
Simple Minds

Big Music (2 CD & DVD Deluxe Edition)


Info
Musikrichtung: Pop / Rock

VÖ: 31.10.2014

(Embassy of Music / Warner)

Gesamtspielzeit: 77:55

Internet:

http://www.simpleminds.com


Ihre letzte CD Graffiti Soul hatte mir sehr gut gefallen. Nach einer schier endlosen musikalischen Odyssee hatten die Simple Minds offenbar wieder in die Spur gefunden. Da das bereits über fünf Jahre her ist, waren meine Erwartungen an das neue Album noch höher.
Zunächst war ich von Big Music auch echt begeistert. Kurz darauf hätte ich das Ding am liebsten in die Ecke gefeuert. Die 52 Minuten sind mit Elektronik-Elementen vollgepackt. Das funktioniert mal wunderbar, dann wieder überhaupt nicht. Mittlerweile habe ich an den Songs inklusive ihrer Inszenierung meinen Spaß. Es hat extrem lange gedauert, bis ich in der Lage war, für jede Nummer meinen Blickwinkel zu verändern.

Der Einstieg gerät überragend. Die ersten drei Stücke sind Spitzenklasse. „Honest Town“ erinnert vom ersten bis zum letzten Ton an die 99-Pfennig-Feten auffem Dorf! „Blindfolded“, „Midnight Walking“, „Blood Diamonds“ und das bereits live gespielte The Call-Cover „Let the Day begin“ (fällt in die Kategorie „Perfekter Song“!) sind glänzende Perlen, die funkeln und strahlen wie kleine Sonnen. Spaßfaktor 10!

Auch das Titelstück wurde bereits bei Konzerten präsentiert und riss die Massen mühelos mit. Die bis zum Platzen aufgeblähte Studiofassung klingt dagegen erschreckend schwach, einfach nach gar nichts. Substanz gleich Null! Dafür ist es laut, wahnsinnig laut. Wozu nur?! Da hat man offenbar den Song- und Albumtitel allzu wörtlich genommen. Ein schwerer Fehler, der wehtut (vor allem in den Ohren), aber unverzeihlich ist das: Wie kann man nur ein komplettes Album mit E-Drums zumüllen, wenn man einen der besten britischen Schlagzeuger in seinen Reihen hat?!? Dass ein Mel Gaynor so etwas mit sich machen lässt... Unbegreiflich! Ach was, unfassbar!

Dabei haben die Schotten es gar nicht nötig, einem mit billigen Methoden ihre Songs ins Hirn zu prügeln oder sich auf Krampf auf modern zu trimmen. Aber sie haben es nun mal gemacht. Nun muss sich der Hörer mit einem Wechselbad der Gefühle herumschlagen. Das sieht dann so aus: „Imagination“ führt beide Welten in perfekter Harmonie zusammen. „Midnight Walking“ und „Broken Glass Park“ , ähnlich in Machart und Atmosphäre, machen von der ersten Sekunde an süchtig, umgarnen dich wie ein Hauch und knistern dabei vor subtiler Spannung. Eine klirrende Gitarre, facettenreiche Keyboardsounds und herrlich luftige Passagen: Pluspunkte, von denen man nicht genug kriegen kann. „Spirited away“ , ein Musterbeispiel für kompositorisches Feingefühl, zeigt zum Ausklang noch einmal die ganze Klasse und Souveränität der Simple Minds.

Deshalb versteht man erst recht nicht, wie Electro in Reinkultur à la „Kill or cure“, das verworrene „Concrete and Cherry Blossom“ und vor allem das völlig tote „Human“ (im Kern ein echt guter Song, der so lange bearbeitet wurde, bis er sich nicht mehr rührte...) auf diesem Silberling landen konnten. Nicht nur qualitativ; noch irritierender ist die ewig weite Entfernung von der Liveband Simple Minds. Ein ewiges Auf und Ab – anstrengend! Aber irgendwie auch verdammt geil... Zumal einen die genannten Highlights bis in den Schlaf verfolgen. Haunting melodies... Ja, das ist wahrhaft „große Musik“!

Das gilt auch für die zweite CD, die von vorne bis hinten begeistert. „Swimming towards the Sun“ hat etwas Hypnotisches. „Bittersweet“ und das wavige „Liaison“ betören mit der SM-typischen Melancholie, und das bereits live von Sarah Brown gesungene „Dancing barefoot“ von Patti Smith muss man ebenso wie das eigenwillig umgesetzte Doors-Cover „Riders on the Storm“ einfach gehört haben!

Hätte man die erwähnten Schwachpunkte gegen diese Stücke getauscht, Big Music hätte zwar keinen Titelsong mehr, wäre aber ein Kandidat für das Album des Jahres.

Die DVD ist zum Abschluß leider wieder zwiespältig geraten: Die Videos von „Blindfolded“ und „Honest Town“ sind ganz okay, aber was die drei anderen Songs sollen, von denen es nur Schnipsel gibt, kapiere ich einfach nicht. Auf der anderen Seite lohnt sich allein für die Geschichten hinter „Honest Town“ und „Big Music“ der Kauf der „Deluxe Edition“.

Somit ist Big Music trotz der verwirrenden Qualitätsschwankungen und unnötiger Soundmätzchen ein lohnenswertes Package.



Michael Schübeler



Trackliste
CD 1
1 Blindfolded (5:24)
2 Midnight Walking (3:54)
3 Honest Town (4:47)
4 Big Music (4:12)
5 Human (3:42)
6 Blood Diamonds (4:21)
7 Let The Day Begin (5:10)
8 Concrete And Cherry Blossom (3:33)
9 Imagination (3:42)
10 Kill Or Cure (4:12)
11 Broken Glass Park (4:41)
12 Spirited Away (4:09)

CD 2
1 Swimming Towards The Sun (5:16)
2 Bittersweet (3:58)
3 Liaison (4:37)
4 Riders On The Storm (3:46)
5 Dancing Barefoot (4:03)
6 Blindfolded (Reprise) (4:24)

DVD
1 Honest Town (Video)
2 Blindfolded (Video)
3 Let The Day Begin (Clip)
4 Human (Clip)
5 Midnight Walking (Clip)
6 Behind The Scenes (ca. 13 Minuten)
7 Band Interviews (ca. 23 Minuten)
Besetzung

Jim Kerr (Voc)
Charlie Burchill (Git)
Mel Gaynor (D)
Ged Grimes (B)
Andy Gillespie (Keys)
Sarah Brown (Voc)



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