Musik an sich


Reviews
Kiel - Neefe - Lütter - französische Salonmusik (Diverse)

Klaviermusik


Info
Musikrichtung: Klavier - Romantik bis Moderne

VÖ: 2011

(Dohr / Dohr / CD / DDD / 2005-2011 / Best. Nr. DCD 23 / 26 / 27 / 34 / 38)



KLAVIERMUSIK QUERBEET

Eine Reihe von Neu- oder Wiederveröffentlichungen des Labels Dohr - das bedeutet oft interessante Nischenproduktionen und randständiges Repertoire aus der Welt der sogenannten Kleinmeister - aber manchmal eben auch einfach nur kleiner Komponisten.

So weckt eine zweiteilige Einspielung mit Werken von Christian Gottlob Neefe (DCD 26 u. 27), einem Zeitgenossen von Haydn, Mozart und Beethoven, mehr wegen des Instruments auf der ersten CD Interesse: Das Clavichord nach Wilhelm Heinrich Baethmann (Nachbau J. C. Neupert) klingt ausgezeichnet, irgendwo zwischen gedämpfter Harfe, Gitarre und Hackbrett. Neben der charaktervollen Farbe besticht die Deutlichkeit der dynamischen Unterschiede.
Oliver Drechsel traktiert das Instrument feinfühlig, so wie es auch dem Repertoire entspricht. Die Fingerfertigkeit des Interpreten vermag aber nicht, mehr aus der Musik herauszuholen, als eben in ihr steckt: hübsche, galant-empfindsame Einfälle und eine Virtuosität zwischen spätem Rokoko und frühem Klassizismus. Gefällig Dutzendware, die über die Dauer einer CD aber nicht wirklich zu fesseln weiß; zu verbraucht wirken jene Formeln, aus denen der mit einer Kurfürstensonate vertretene elfjährige Ludwig van Beethoven dann einiges mehr an Funken, ja Feuer zu schlagen weiß. Die Alternativeinspielung (Vol. 2) bringt (bei insgesamt deutlich erhöhtem Beethovenanteil) teilweise identische Stücke auf dem großen Steinway, ohne dass Neefes Musik dadurch groß gewinnen würde.

Substantielleres hat das schon Friedrich Kiel zu bieten (Das Gesamtwerk für Klavier, Vol. 4 - DCD 23). Als später Romantiker schöpft er aus dem, was Schubert, Schumann und Brahms in die Musikgeschichte an Klangvorstellungen eingespeist haben. Interessant die zum Teil sehr eigenwilligen Canons im Kammerstyl; auch die Vier Humoresken zünden. Neben Oliver Drechsel ist bei den vierhändigen Stücken noch Wilhelm Kemper beteiligt. Das historische Instrumentarium, ein oberschlägiger Konzertflügel von Theodor Stöcker aus dem Jahre 1868 bringt warme, atmosphärische Klangfarben mit.

Französische Salonmusik steht auf dem Programm von Paule van Parys und Wilhelm Kemper. Dass Franz Liszt sich für die zwölf Walzer zu vier Händen von Marie Jaël eingesetzt hat, möchte man angesichts der wenig inspirierten, alle Salonklischees bedienenden Stückchen kaum glauben. Diese Musik sorgte beim Rezensenten wohl eher unfreiwillig für einige Heiterkeit (was irgendwie auch wieder für sie spricht). Allerdings treffen die beiden Interpreten den Ton dieser Musik nicht wirklich. Zu steif und klobig klingt es da, das hat zu wenig Eleganz und Leichtigkeit; diese Petitessen dürfen nicht zu ernst genommen werden, damit sie wirken. Das gilt auch für die gelungeneren Würfe von Mel Bonis und Cécile Chaminade auf dieser Platte.

Regelrecht entnervend wirkt schließlich der von Dorothee Broichhausen auf einem Broadwood-Flügel von 1865 vorgelegte 2. Teil einer Gesamteinspielung von Johann Lütter. Dieser dürfte wohl am besten gewusst haben, warum er seine für Klavierschüler gedachten Übungsstücke nie veröffentlicht hat. Die Musik entwickelt zu wenig Profil und Zusammenhalt, um über Fingerübungen hinauszugelangen. Reminiszenzen an Satie, Debussy, Bartok, Hindemith oder auch Schuman mag man aus den modalen, dissonant angeschärften und rhythmisch unruhigen Kompositionen zwar heraushören. Aufgrund der gleichbleibenden Bewegungstypen stellt sich jedoch bald eine gewisse Monotonie ein, und die unstete Harmonik wirkt auf Dauer einfach unverbindlich. Bestimmte Klangeindrücke ergeben eben noch keine zwingende Musik.

Georg Henkel
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