Musik an sich


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Arien u. Songs (Foster Jenkins)

Murder on the High Cs


Info
Musikrichtung: Gesang?

VÖ: 20.07.2003

(Naxos Nostalgia / Naxos) Best. Nr. 8.120711

Gesamtspielzeit: 60:55

Internet:

Naxos



MELOMANIAC. ANGRIFF DER KILLERTRILLER

DAS UNGEWÖHNLICHE TALENT DER FLORENCE FOSTER JENKINS

Klassikern aus Oper und Operette wie der berühmten Arie der Königin der Nacht aus Mozarts Zauberflöte etwas unerhört Neues abzugewinnen, dazu bedarft es einer Interpretin, deren Begabung weit über das Maß der Normalsterblichen hinausreicht. Merke: Wahre Sangeskunst wird in der Einfalt und Unverzagtheit des unverbildeten Herzens geboren - und nicht etwa in der geübten und geölten Kehle sogenannter Profis.
Um den Hörer nicht nur ins Herz, sondern in Mark und Bein zu treffen, dazu bedarf einer mit geschmacklicher Freiheit gepaarten Hingabe an die Musik, die den wahren Geist des Melos bis in seine transzendenten Höhen und abgründigen Untiefen auszuloten vermag. Und natürlich einer Stimme, die rhetorisches Feingespür gerade da entwickelt, wo es nichts zu sagen gibt, und dies mit jener Vehemenz des übersteuerten Timbres, die Glas zum Klirren bringt. Die den Koloraturen unerhörte chromatokröse Farbwerte jenseits der temperierten Skala zu entlocken weiß, mit der Sicherheit einer aus dem Takt geratenen Stichsäge deklamiert und klangliche Reize nicht einem beckmesserischen Textverständnis opfert. Und dies alles, um dem Hörer schließlich durch eine souveräne Neuschöpfung das eigentliche Stück vergessen zu machen.

Kurz: Es bedarf dazu des Talents der unvergesslichen, unübertroffenen Florence Foster Jenkins.

Nur wenig ist über diese Künsterlin bekannt, deren schmales Œuvre jüngst in der Reihe Naxos Nostalgia zusammen mit musikalischen Offenbarungseiden einiger sogenannter "Freunde" der Sängerin digital restauriert wiederveröffentlicht wurde. Eine, um es gleich zu sagen, unverzichtbare Platte, die in der Sammlung keines Melomanen fehlen darf.
Unverkennbar der sinusartige Ton der Sängerin, der in der Mittellage wie der Lockgesang einer alkoholisierten Henne, in der Höhe wie der Todesschrei einer irischen Banshee klingen konnte. Die Spitzentöne sprengten mitunter die Grenzen des Equipment der Firma Melotone, deren Aktion "Your portrait in Sound" uns diese kostbaren Dokumente begeisterter Talentlosigkeit beschert hat. (Man genieße hier unverzagt die extemporierte Schlusskadenz von Queen Of The Night Aria oder die wie auf dem Kamm geblasenen Spitzen von Valse Caressante!) Die legendären kurzatmigen Staccati lassen sich exemplarisch bei der Musical Snuff-Box erhören und erleiden. Unerwartete Vierteltonbewegungen sorgen nicht nur zu Beginn der Serenata Mexikana für geradezu außerirdisches Kolorit. Das ausgreifende Glissando beim "HahahaHAAAAA...hah hah hah hah" der Adele dürfte Mrs. Foster Jenkins so leicht keine Kollegin nach machen. Das betörende Wimmern der Charmant Oixeaux bei den hier in Auflösung befindlichen Phrasen der gleichnamigen Arie auch nicht.

REICHEN IHR NICHT DAS WASSER: IHRE "FREUNDE" EINST UND JETZT

Kurz: Florence Foster Jenkins' Klassik-Ruinen sind in ihrer künstlerischen Integretät allen jüngeren Bad-Taste-Elaboraten eines eines Bryn Terfel (Bryn), einer Vesselina Kasarova (Bulgarian Soul) oder eines Luciano Pavarotti (Adoro ti) haushoch überlegen. Auch ihre alten "Freunde" erreichen das von ihr gesetzte Niveau nicht wirklich: Entweder können sie zu gut singen, oder sie haben noch weniger Geschmack als Foster Jenkins. Wahrscheinlich verstehen sie einfach wie die oben genannten Stars zu viel von Musik. Dennoch gibt es auch in den Bearbeitungen einer Händel-Arie (Little Jack Horner) mit dem verknödelten Bass Alexander Kipnis, der überdrehten Vokal-Jazz-was-weiß-ich-Version der Schönen Blauen Donau mit Josephine Tumminia oder der unerträglichen Penetranz der Reibeisenstimme von Jimmi Durante manch pikante Köstlichkeit zu entdecken.

Unbewertbarer Party-Gag. Deshalb:



Georg Henkel



Trackliste
01-09 Arien, Bearbeitungen und Lieder mit Florence Foster Jenkins
10-17 Arien, Bearbeitungen und Lieder mit ihren "Freunden"
Besetzung

Florence Foster Jenkins (Sopran)
und andere


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