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Death by Stereo

Death By Stereo Frontman Efrem Schulz ist ja bekannt dafür bei jedem Gig durch die Zuschauer zu stürmen und so die Publikumsnähe zu zelebrieren. Zudem zeigt er sich auch immer völlig überwältigt und begeistert, wenn die Leute Spaß haben. Doch wie oft ist das nur eine Masche? Dass es in diesem Fall keine ist habe ich in einem Interview auf der Resistance Tour mit Efrem Schulz und Bassist Paul Miner überzeugend erfahren können. Ich habe selten einen Menschen mit solch großer Ausstrahlung und positiver Lebenseinstellung wie Efrem erlebt. Und auch Paul zeigte sich als wahnsinnig netter, zuvorkommender Kerl. Im Gespräch kamen wir neben den üblichen Themen wie Jim Miners Ausstieg auch auf die Stadt Barcelona, Szenenunterschiede zwischen USA und Europa, Musikdownloads, Michael Moore, Sarkasmus, ...

MAS:
Wie war denn die Resistance Tour bisher so?

Efrem:
Oh, klasse. Das sind wirklich tolle Bands und es sind wahnsinnige Shows. Und da ist so ein großes Publikum da.

MAS:
Mögen euch die Leute, die auf die Resistance Tour gehen?

Efrem:
Ja, wir bekommen eine sehr gute Rückmeldung. Toll!

MAS:
Das ist gut zu hören. Wie kommt ihr so mit den anderen Bands aus?

Paul:
Wir haben 'ne Menge Spaß.

Efrem:
Wir haben auf der Tour viele neue Freunde kennengelernt. Die Leute von Ignite uns Suicidal Tendencies haben wir ja gar nicht so gekannt. Das ist echt schön.

MAS:
Auch mit Madball?

Efrem:
Ja, die haben wir auch nicht gekannt, aber hier sind alle sehr, sehr gut zu uns.

MAS:
Gibt’s da keine Probleme zwischen den Bands, wenn man so aufeinander hängt?

Paul:
Nee, nicht auf dieser Tour. Das ist sehr angenehm. Jeder ist hier Freund des anderen,

Efrem:
Wir kommen mit allen ganz klasse aus.

MAS:
Das ist toll. Meistens hör ich von Bands nur, dass sie viele Probleme mit anderen Bands haben, wenn sie zusammen auf solchen Großtouren sind. Sind Bands wie Suicidal auch ein großer Einfluss auf euch?

Efrem:
Ja, jeder von der Band mag Suicidal seit so vielen Jahren. Sie sind einfach ein klassischer Einstieg in die Punk-Rock-Szene. Sie sind immer noch jede Nacht live die Besten.

MAS:
Ich sehe euch heut zum Dritten mal. Vorher habe ich euch mit Boysetsfire und Good Riddance gesehen. Beides Mal wart ihr klasse. Bei Boysetsfire hatte ich sogar das Gefühl, dass ihr fast besser angekommen seid als der Headliner.

Efrem:
Und bei Good Riddance?

MAS:
Wart ihr auch super, aber da sind die Leute doch mehr wegen Good Riddance gekommen. Wie sieht es aus: Versucht ihr so die Möglichkeit zu nutzen auf größeren Bühnen zu spielen? Wie seht ihr das?

Efrem:
So ein großer Raum mit so vielen Leuten ist schon wahnsinnig cool.

MAS:
Plant ihr jetzt vielleicht auch eine eigene Europa-Tour als Headliner?

Paul:
Ja, im April! Wir werden also bald wieder da sein und noch eine befreundete Band aus den USA mitbringen. Wir wissen noch nicht wer es sein wird, aber mal schauen. Es wird sicher toll.

MAS:
Auf eurer Website veröffentlicht ihr keine Lyrics. Ist das einfach als Kaufanreiz für eure Platten zu verstehen?

Efrem:
Ja, genau. Meistens wenn wir E-Mails bekommen und jemand nach den Texten fragt, wollen die bloß die CD nicht kaufen. Deshalb verweisen wir dann auch nur auf die CD. Eine Band wie wir... Wir sind nicht reich.

Paul:
Ich finde die Internet-Sache auf jeden Fall gut. Es ist okay, wenn die Leute unsere Songs als mp3’s runterladen, solange sie dann auf unsere Konzerte kommen und uns da unterstützen.

MAS:
Denkt ihr nicht, dass ein paar Texte auf eurer Homepage nicht auch ein Kaufanreiz wären, weil sie vor allem anderssprachigen Fans eine neue Dimension eurer Musik gezeigt werden könnte?

Efrem:
Da hast du schon recht, aber das ist so ein heikles Thema. Wir glauben nicht, dass jemand unsere CD kauft, wenn man die Texte online bekommen kann. Wenn uns jemand danach fragt erklären wir auch gerne, was wir mit den Texten ausdrücken wollen. Das ist kein Problem.

Paul:
Früher hatte niemand Lyrics. Vor zehn Jahren wäre das gar keine Frage gewesen. Die Leute sind meiner Meinung nach auch ziemlich faul geworden und haben eine sehr fordernde Haltung.

MAS:
Ich denke zudem aber auch noch, dass das Artwork einer CD mittlerweile ein ganz großer Kaufanreiz für ein Album ist. Vielen Bands hilft allein ein interessantes Artwork. Das Booklet ist ja auch eine Art Verbildlichung der Musik.

Efrem:
Das stimmt auf jeden Fall.

MAS:
Wie ist das? Müsst ihr neben der Musik noch richtige Jobs ausüben?

Efrem:
Ja, klar. Ich arbeite in einem Studio. Dan bedient in einem Restaurant, Todd arbeitet in einem Skateshop.

Paul:
Und ich brauch auch unbedingt wieder einen Job, wenn wir daheim sind.

Efrem:
Keiner von uns verdient viel Geld. Viele Leute schätzen das völlig falsch ein. Sie denken wir wären reich oder so.

MAS:
Ja, bestimmt. Ein Indie-Major wie Epitaph klingt auch schon nach ner Menge Asche, aber das ist eben nicht so.

Efrem:
Viele Leute, die unsere CD runterladen und das Original nicht kaufen haben mehr Geld als wir. Eigentlich komisch.

MAS:
Ich finde es wichtig darüber zu schreiben, weil viele Leute das wirklich nicht wissen können. Man denkt einfach, dass ihr wirklich reicht sein müsst, da man ja eine DBS-CD in fast jedem Plattenladen kaufen kann.

Paul:
Ja, und nur weil es in den Läden ist, heißt das leider gar nicht, dass es irgendjemand kauft.

Efrem:
Das Geld, das wir mit der Band machen ist nur mit Merchandise wie T-Shirts oder so. Wenn wir nicht auf Tour sind haben wir finanziell eigentlich gar nichts von der Musik. Wir lieben es aber und solange es reicht ist alles perfekt.

MAS. Ist Epitaph also irgendwie einfach eine bessere Promotion für eure Shows.

Paul:
Genau so kann man das sehen.

MAS:
Mehr Leute lernen euch kennen.

Paul:
Ja, durch Compliations, Posters, Interviews, Artikel, ... Das hilft uns sehr, die Tour besser zu machen und mehr Erfolg zu haben.

MAS:
Viele Leute sagen, ihr wärt auf der neuen Scheibe im Gegensatz zu den Vorgängern poppiger geworden. Was meint ihr dazu?

Efrem:
Naja, wir wollen eben kein Album zwei mal machen. Und eigentlich empfinde ich das neue Album sogar als härter.

Paul:
Vielleicht nicht mehr so viel Hardcore, aber dafür viel metallischer, aber doch melodisch.

Efrem:
Es spiegelt einfach unsere momentane Verfassung, unsere aktuellen Einflüsse wider. Wir haben in letzter zeit viel Metal gehört und das merkt man dann eben. Als wir „If Looks Could Kill I’d Watch You Die“ geschrieben haben war das eine Repräsentation dessen was wir damals gedacht und gefühlt haben, aber das ist eben vier, fünf Jahre her und in der Zeit haben wir uns einfach verändert.

Paul:
Das mit den Reviews ist immer so eine Sache. Bad Religion haben viele Platten gemacht und jeder hat nach was Neuem gerufen und sich beklagt, dass sie immer dasselbe machen. Dann haben sie Generator gemacht und es war anders. Dann war’s aber auch nicht recht. Du kannst nicht gewinnen!

Efrem:
Man sollte einfach das Album machen, auf das man Lust hat. Musik, mit der du glücklich bist. Man sollte Musik nicht für die Leute schreiben, das wäre Sellout. Wir haben eigentlich das Gefühl mit den Alben zu wachsen.

MAS:
Ich denke, der Zuhörer spürt auch einfach ob es echt ist oder nicht. Die richtig guten Bands machen eigentlich alle nur auf was sie Lust haben und orientieren sich an niemandem. Die schlechteren bleiben dann eben ein erfolgloses Bad-Religion-Plagiat oder so.

Paul:
Das ist wahr.

MAS:
Wie ist das in Amerika, sind die Clubs sehr unterschiedlich im Vergleich zu hier?

Paul:
Hier sind die Clubs besser und die Leute netter, sie gehen hier viel besser mit einem um. In einem Club in Amerika wirst du niemals fett werden, da gibt’s kaum was zu essen und duschen kann man auch vergessen. Das einzige was besser ist, ist, dass niemand in den Clubs raucht. Das ist angenehmer. Europäer sind aber im Allgemeinen offener und hören viel mehr unterschiedliche Musik. Die Szene ist nicht so festgefahren wie in den USA, nicht so trendfixiert. Es kommt so oft vor, dass Bands in Europa viel besser ankommen als daheim, aber das verstehe ich sehr gut. Dort sind sie kurz angesagt und jeder findet sie cool, dann ist der Hype vorbei und keiner interessiert sich mehr für sie. Die Leute in Europa sind den Bands treuer.

MAS:
Das haben mir schon mehrere amerikanische Bands gesagt. Da scheint ja echt was dran zu sein. John McBain (Ex-Monster Magnet, Wellwater Conspiracy) hat das auch gemeint.

Paul:
Es ist allgemein auch schwer durch die USA zu touren, da es so ein riesiges Land ist. Kalifornien ist gut, Texas ist gut, dann wird der Nordosten mit Washington D.C., Boston usw. gut sein, aber dazwischen sind so viele Scheißstädte, in denen es sehr schwer ist zu spielen. In Europa sind die meisten Shows gut. So viele verschiedene Kulturen und Länder sind so eng beieinander, dass es hier sehr spannend ist.

MAS:
Ist dann auch ein bisschen wie Urlaub?

Paul:
Ja, genau. Das ist toll. Hier hat man so was wie Urlaub + Tour, daheim nur die Tour. Zum tausendsten Mal in Cleveland zu sein ist einfach wenig aufregend.

MAS:
Schön zu hören, dass es euch hier gefällt. Ich freue mich schon auf eure Headlining-Tour. Da werden dann Leute sein, die nicht, wie hier, wegen ST kommen und euch zwar mögen, aber euch nicht richtig kennen.

Paul:
Das stimmt, kaum einer wird 25 € hinlegen um uns zu sehen. Wir sind auch schon sehr gespannt darauf. Wir wollen die Tour auch recht bald nach dieser Tour jetzt machen um von der Promotion zu profitieren, die uns die Resistance Tour gibt.

MAS:
Die Stagetime wird vor allem auch länger sein, zum Glück. Ihr habt auch in Barcelona gespielt. Wie war die Show dort?

Paul:
Der absolute Wahnsinn !!! Es ist sehr schön dort, die ganze Stadt ist klasse. Als wir letztes Mal dort waren haben Dan und ich auch die Sagrada Familia angeschaut. Das ist schon beeindruckend. Und das Publikum dort ist so gut, da ist so 'ne Menge Energie im Raum.

MAS:
Die Szene dort ist fantastisch. Es gibt auf dem Bcore-Label so viele ausgezeichnete Bands.

Paul:
Wirklich?

MAS:
Ja, da sind sehr, sehr viele Bands drauf. Mögt ihr eigentlich Interviews?

Paul:
Ja, das kann sehr cool sein einfach mit jemand über Musik zu reden oder über irgendwelche Städte. Das ist abwechslungsreich, aber es gibt auch sehr ätzende Interviews. Eine lockere Konversation ist toll. Ich mache zwar nicht so viele Interviews wie Efrem, aber mir macht es meistens Spaß. Es ist auch klasse, dass Epitaph es möglich macht, die ganzen Interviews zu führen. Die Leute können so ganz direkt über uns erfahren, was sie interessiert.

MAS:
Bei unserem Magazin haben wir den Vorteil unabhängig zu sein und auch Interviews ungekürzt veröffentlichen zu können. Niemand sagt einem, was man schreiben oder fragen soll. Vielleicht interessiert die Barcelona-Sache kein Schwein außer mir, aber das ist dann okay so. (Hat der ein Glück, dass ich gerade keine Lust habe dieses Interview zu kürzen... Anm.d.Red.)

Paul:
Das kann aber auch gerade der Charme sein. Vielleicht interessiert sich ja danach jemand für Barcelona und informiert sich über die Stadt oder Gaudi oder was auch immer.

MAS:
Jetzt muss ich aber doch auch noch eine Frage stellen, die wahrscheinlich jeder fragt, aber ich habe die Ausstiegsstory über Jim Miner nicht verstanden. Erklär mir das mal bitte.

Paul:
Oh ja, du meinst das mit den abgebissenen Fingern (lacht). Er hat das Touren nicht wirklich gemocht, er wollte daheim sein und tätowieren. Es ist ihm alles zu viel geworden. Das mit den Fingern ist der Sarkasmus, der auch in unseren Texten zu finden ist. Und jetzt einen neuen Gitarristen an Bord zu haben ist sehr erfrischend. Neues Blut eben. Und ich komme jetzt mit meinem Bruder auch viel besser aus. Wir haben uns in der Band oft gestritten, jetzt mit Abstand ist das aber toll. Zu dem Sarkasmus muss ich noch sagen, dass das manchmal schwer sein kann für Leute, deren Muttersprache nicht Englisch ist. Aber dann ist es gut, das in Interviews klären zu können. Es kam schon so oft vor, dass ganze Texte völlig missverstanden wurden

MAS:
Wie steht ihr eigentlich zu Michael Moore? Er hat ja auch was Sarkastisches. Siehst du da Parallelen zu eurem politischen oder gesellschaftskritischen Engagement in den Texten?

Paul:
Ja, es ist auf jeden Fall möglich jemanden zum Nachdenken zu bringen, wenn er dabei lacht. Ich denke, das ist viel effektiver. Das ist auch der Erfolg von Michael Moore. Dieses Predigen von Bands mag ich nicht. Den Weg, den die Dead Kennedy’s textlich so eingeschlagen haben, teile ich viel mehr. Michael Moore mag ich auch sehr aus diesem Grund. Niemand wird gleich Noem Chomsky lesen, aber Moore hat so einfach eine Menge Leute erreicht. Dass er jetzt zum Symbol für die Anti-Bush-Bewegung wird ist zwar etwas bedenklich, aber trotzdem ist die Sache, die er macht cool.

MAS:
Auch wenn natürlich auch ganz schwache Kapitel in seinen Büchern sind.

Paul:
Das stimmt auch.

MAS:
So, ich danke dir recht herzlich für das Interview, mein Tape ist voll. Sag Efrem Grüße.

Kevin Kirchenbauer