Musik an sich


Reviews
Rameau, J.-Ph. (Devieilhe – Kossenko)

Le Grand Théâtre de l’amour


Info
Musikrichtung: Barock Oper

VÖ: 22.01.2013

( Erato / Warner Classics / CD / 2013 / Best. Nr. 5099993413022)

Gesamtspielzeit: 80:00



DIE MAGIE DES MS. RAMEAU

Die Fusion von EMI-Classics und Warner-Classics macht’s möglich: Das vor einigen Jahren mutwillig zerschlagene Traditionslabel „Erato“ produziert wieder, statt ein Dasein als Backkatalog zu fristen! Die neuen Erato-Künstler sind jene des nunmehr aufgegebenen EMI-Sublabels Virgin-Classics. Ganz ohne ein Opfer geht es eben doch nicht. Mal sehen, wie lange der lebendige musikalisch Geist hinter den Marken-Kulissen weiter weht.

Fürs erste bringt er die gewohnt qualitätvollen Früchte hervor. Das jüngst erschienen Konzeptalbum Le Grand Théâtre de l’amour darf beanspruchen, die glanzvolle Ouvertüre für das Rameau-Jubiläumsjahr 2014 zu sein. Obschon das Cover die Solistin der Produktion, die junge französische Sopranistin Sabine Devieilhe, popkitschig in den Mittelpunkt rückt, verbirgt sich auf dem Silberling dahinter ein veritabler Digest durch das Werk Jean-Philippe Rameaus, neben J. S. Bach und G. F. Händel wohl der größte Meister des Spätbarock. Wobei Rameau seine etwas jüngeren Generationsgenossen sogar noch um einige Jahre überlebte. Als der Komponist 1764 starb, kündigte sich bereits die Klassik an.
In Rameaus Werk verbindet sich die expressive Sinnlichkeit des Barock mit den galanten Traumwelten des Rokoko. Hochdramatisches verschmilzt mit Hochraffiniertem. Rameaus brillanter musikalischer Erfindergeist, der neuartige harmonische und instrumentale Kombinationen ersann und ein untrügliches Gespür für kraftvolle Rhythmen hatte, spricht aus jedem der hier versammelten Stücke. Das „Große Theater der Liebe“ verknüpft 23 Einzelstücke aus rund 15 Opern Rameaus zu einem amourösen Reigen. Vokal- und Instrumentalstücke wechseln sich munter ab, hier und da mischen noch weitere Solisten und ein Chor mit. Man könnte das Ganze für eines von Rameaus einaktigen Opernballetten halten.

Luxuriös ist die große Orchesterbesetzung mit chorischen Holzbläsern – in Konzerten beschränkt man sich hier meist auf die Minimalbesetzung. Luxuriös ist aber auch die Interpretation durch Les Ambassadeurs unter Alexis Kossenko. Kossenko ist ein Rameau-Kenner und er erntet die Früchte einer über die vergangenen Jahrzehnte gewachsenen historisch informierten Aufführungstradition: Die punktgenaue Eleganz des Orchesters erinnert an „Les Arts Florissants“, die kräftigen Akzente an „Les Musiciens du Louvre“, die Transparenz an „Les Talens Lyriques“, der Verve an die „English Baroque Soloists“. Dazu kommt ein wunderbares Gespür für die feinen Klangfarbenspiele, z. B. in der betörenden Verbindung von Sopran- und Flötenstimme in Viens, Hymen aus Les Indes Galantes. Feine agogische Rückungen verleihen dieser Arie eine nachgerade hypnotische Wirkung. In Les horizon serein aus Rameaus finalen Meisterwerk Les Boreades hingegen sorgen so noch nie gehörte archaische Horneinwürfe für fast schon romantische Schocks. In dieser Mischung aus starken farbigen Akzenten und schwebender Leichtigkeit ist sich Kossenko mit seiner Hauptdarstellerin Sabine Devieilhe einig. Devieilhe verfügt über eine silbrig-strahlende, makellos geführte Sopranstimme, die vor allen in den lyrischen und virtuosen Partien Charme und Glanz verbreitet. Genauigkeit und Empfindung verbinden sich unangestrengt und natürlich. Für manche dramatischen Effekte fehlt es Devieihle zwar an der nötigen Brustregister-Tiefe, so dass der Vortrag bei solchen Momenten anders als beim Orchester etwas eindimensional schön bleibt. Aber diese Schönheit ist wirklich verführerisch und wird auch klangtechnisch bestens ausgestellt. Die Magie des Ms. Rameau verzaubert für rund 80 Minuten.
Früher hätte eine junge Sängerin von diesem Format mit einem Mozart-Album debütiert. Dass es jetzt eine Rameau-Produktion sein kann, zeigt, wie sich das Repertoire auch außerhalb der Spezialistenkreise gewandelt hat.



Georg Henkel



Trackliste
1Les Indes Galantes : Forêts Paisibles (Les Sauvages)4:44
2 Feuillages Verts Naissez (M.-A. Charpentier zugeschrieben)1:54
3 Pygmalion : Ouverture2:58
4 Les Paladins : Est-Il Beau (Nérine)0:52
5 Les Fêtes De L'hymen Et De L'amour (Contredanse)1:07
6 Les Indes Galantes : Viens, Hymen (Phani)3:52
7 Naïs : Je Ne Sais Quel Ennui Me Presse3:27
8 Les Boréades : Un Horizon Serein (Alphise)7:58
9 Les Boréades (Contredanse En Rondeau)3:16
10 Les Paladins : Pour Voltiger (Nérine, Atis)3:41
11 Hippolyte & Aricie (Ritournelle)0:53
12 Anacréon : Tendre Amour (Chloé)2:43
13 Zoroastre (Ballet Figuré)1:26
14 Les Indes Galantes : Scène Finale De L'entrée Des Incas5:54
15 Zaïs : Coulez Mes Pleurs (Zélidie)3:44
16 Dardanus : Sommeil4:42
17 Les Indes Galantes : Vaste Empire Des Mers (Emilie)4:18
18 Zoroastre (Air Tendre En Rondeau)1:55
19 Castor Et Pollux : Tristes Apprêts (Télaïre)5:05
20 Les Fêtes D'hébé (Tambourins)1:40
21 Platée : Aux Langueurs D'apollon (Air De La Folie)5:02
22 Les Indes Galantes (Chaconne)5:35
23 Les Indes Galantes : Régnez, plaisirs et jeux(Zima)3:14
Besetzung

Sabine Devielhe: Sopran
Samuel Boden: Tenor
Aimery Lefèvre: Bariton

Le Jeune Choeur de Paris

Alexis Kossenko: Dirigent


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