Musik an sich


Reviews
Puccini, G. (Colaneri)

Tosca (DVD)


Info
Musikrichtung: Oper

VÖ: 26.11.2010

(Virgin Classics / EMI / DVD / 2009 / live / Best. 50999 641973 9 5)

Gesamtspielzeit: 137:00



STARKE TOSCA

Auch wenn das konservative New Yorker Publikum einige Auslassungen und vergleichsweise geringfügige Veränderungen bereits zum Anlass nahm, Kritik an Regisseur Luc Bondfy zu üben: für westeuropäische Maßstäbe ist dies eine ganz und gar klassische Inszenierung der "Tosca". Die Gestik und Personenführung ist eher für die groß dimensionierte Bühne der MET als für die Kameraführung einer DVD-Produktion geplant, aber in einem Stück, wo es um Leben und Tod, Liebe und Hass, um die ganz großen Gefühle also geht, akzeptiert man dies ohne weiteres. Was die Aufführung aus der Masse heraushebt, ist daher weniger die Inszenierung als der Auftritt der Finnin Karita Mattila in der Titelpartie. Sie gibt die Tosca als eine einfache, intensiv empfindende und im Grunde von Beginn an bereits an der Grausamkeit ihrer Umwelt leidende Frau, als eine Person, für deren echte Gefühle diese Welt schlichtweg keinen Platz bietet. Es ist mithin keine strahlende Tosca, sondern eine vor der Zeit gealterte, gebrochene Persönlichkeit, deren Geschichte wir hier mitverfolgen. Mattila intoniert mit bestechender Klarheit und dem notwendigen Volumen, ohne die Zerbrechlichkeit der Tosca dabei zu konterkarieren.
Ihren Geliebte, den Maler Cavaradossi, verkörpert Marcello Álvarez mit dem schon gewohnten darstellerischen Overacting. Stimmlich mag der Tenor zwar den Höhepunkt seiner Karriere überschritten haben, denn in der hohen Lage hat er merklich an Strahlkraft eingebüßt, aber die Intensität der Abschiedshymne an das Leben im dritten Akte ("E lucevan e stelle") ist dennoch eindrucksvoll. Den sadistischen Machtmenschen Scarpia, eine der finstersten Figuren der Operngeschichte, gibt George Gagnidze mit augenrollend zur Schau getragener Grausamkeit, der er mit schwarz gefärbtem Bariton klanglich das passende Pendant beizugeben vermag.

Herausragend führt Joseph Colaneri das Orchester der MET: sehr differenziert und transparent, ohne der Versuchung romantischer Schwelgerei zu erliegen.

Die Produktion wird also nicht nur deshalb in Erinnerung bleiben, weil die MET sie im Oktober 2009 weltweit live in HD-Qualität in die großen Kinos übertragen ließ. Auch im DVD-Format ist sie - dank Mattila und Colaneri - von bleibendem künstlerischen Rang.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Karita Mattila: Tosca
Marcelo Álvarez: Cavaradossi
George Gagnidze: Scarpia
David Pittsinger: Angelotti
Joel Sorensen: Spoletta

The Metropolitan Opera Orchestra and Chorus
Joseph Colaneri: Ltg.

Luc Bondy: Regie


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