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The story of ANVIL (Musikfilm-Tipp)





Wenn sich ein Jahr dem Ende entgegen neigt, wirft man bekanntlich gerne mal einen Blick zurück auf die letzten zwölf Monate, um zu sehen was einen am meisten beeindruckt hat. Im filmischen (Musik-)Bereich war das der Streifen The Story of Anvil (komplett in englischer Sprache). Wie der Name schon verrät, eine Dokumentation über die kanadische Heavy Metal-Band ANVIL, die heutzutage nicht mehr gerade zu den Bekanntesten gehört und schon seit vielen Jahren ein Underground-Dasein fristet - wenn man ehrlich ist, eigentlich schon seit ihrem Debütalbum aus dem Jahr 1981. Denn trotz starker Alben wie Metal on Metal (1982) und Forged in Fire (1983), hat es für den Durchbruch nie gereicht. Über die Gründe lässt sich treffend spekulieren. Liegt es daran, dass sie gerade aus Kanada kommen und dabei abseits der großen Schmelztiegel für harte Musik (in den 80ern Los Angeles und San Francisco) beheimatet sind? Liegt es daran, dass ihre späteren Alben stets einen eher suboptimalen Sound hatten, wie Bandchef Lips im Film erwähnt? Oder waren sie mit ihrem speedigen Metal einen Hauch zu früh dran, genauso wie ihre Landsleute Exciter, die ein ähnliches Schicksal fristen? Gerade im Bezug auf diesen Punkt sagt Motörheads Lemmy Kilmister zu Beginn des Films einen ganz entscheidenden Satz: Du musst zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein - bist Du es nicht, schaffst Du es niemals!

Gedreht wurde die Dokumentation von Sacha Gervasi. Früher selbst großer Anvil-Fan, welcher der Band als junger Kerl sogar hinterher reiste, sie später aber (wie so viele andere) aus den Augen verlor. Beeindruckt von Anvils Durchhaltewillen, beschloss er hierüber einen Film zu drehen. Allerdings ist hieraus keine umfassende Historie geworden, sondern er hat Sänger/Gitarrist Steven „Lips“ Kudlow, Schlagzeuger Robb Reiner und ihre beiden Mitmusiker im Heute begleitet. Nur selten wird dabei ein Blick zurück geworfen. Lediglich am Anfang erfolgt dieser. 1984, Superrock-Festival Japan: Anvil teilen die Bühne mit den späteren Platin-Acts Scorpions, Whitesnake und Bon Jovi und spielen vor einer fünfstelligen schier unendlich scheinenden Menschenmasse. Musikerkollegen wie Slash (Guns ´n Roses), Scott Ian (Anthrax), Tom Araya (Slayer) oder auch Lars Ulrich (Metallica) geben Kommentare ab, wie toll die Kanadier doch seien. Schnitt - Ontario heute: Anvil spielen nur noch in einer Sportkneipe vor geschätzten 50 Leuten - haben aber trotzdem ihren Spaß.

Im Folgenden begleitet Gervasi vor allem Lips und Reiner in ihr privates Umfeld, zeigt wo und wie sie leben, welchen Jobs sie nachgehen müssen um ihre Familien zu ernähren und um sich ihren persönlichen, kleinen Rockstartraum auch nach über 25 mehr oder weniger erfolglosen Jahren leben zu können. Sehr zum Missfallen einiger Leute aus ihrem Umfeld. Die Verachtung der „Spinnerei“ ihres Bruders steht Robb Reiners Schwester regelrecht ins Gesicht geschrieben. Aber gerade diese immer noch bestehende kindliche Begeisterung, die des Öfteren aufblitzt, macht diese Band so authentisch. Diese Freude kommt auch auf, als Anvil recht überraschend eine Europatour angeboten bekommen, die es Anvil ermöglicht auch auf einigen Festivals zu spielen (u.a. Sweden Rock und Bang-Your-Head) und dort alte Idole zu treffen. Wie Lips spontan einen Interviewer zur Seite schiebt, nur um Schlagzeuger Tommy Aldridge (u.a. Whitesnake, Thin Lizzy) die Hand schütteln zu können, hat schon etwas Sympathisches. Aber wie so manches in der Geschichte von Anvil, verläuft auch die „große Chance Europa“ nicht so wie man es sich vorgestellt hatte. Und irgendwann gewinnt man als Zuschauer den Eindruck, man würde einer neuen Version von This is Spinal Tap beiwohnen. Nur mit dem Unterschied, dass das hier echt ist.

Und so geht es noch eine Zeitlang, bis der rund 80-minütige Film irgendwann sein Ende nimmt. Besonders eindringlich ist immer wieder die klar dargestellte Beziehung zwischen den alten Weggefährten Lips und Robb, die wohl mehr wie nur Freunde sind, fast Brüder. Der alte Spruch Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, trifft hier voll zu. Besonders als Anvil noch einmal die Chance bekommen mit Christ Tsangerides in England eine Platte aufnehmen zu können, die später unter dem Namen This ist Thirteen die Welt erblicken sollte. Zu Ende geht The Story of Anvil dann dort wo er begonnen hat: in Japan. Die Band bekommt noch einmal die Möglichtkeit im Land der aufgehenden Sonne bei einem Festival aufzutreten. Die Ernüchterung ist allerdings groß, als sich herausstellt, dass man kurz vor der Mittagszeit als erste Band auf die Bühnenbretter soll. Ob zu dieser Zeit auch wirklich schon Fans kommen?

Um die Antwort auf diese Frage herauszufinden, muss man schon diesen Film ansehen. Und das sollte man unbedingt! Egal ob man die Band kennt oder nicht. Man muss auch nicht zwangsläufig Metalfan sein um ihn gut zu finden. Denn obwohl die Musik hier eine gewichtige Rolle spielt, ist sie doch nicht die Hauptattraktion. Dies sind die Musiker selbst. Und The Story of Anvil ist vor allem ein persönliches Portrait über eine ehrliche und teils auch tragische Band (wie es sicher noch tausende mehr gibt), deren Historie sich irgendwie vor allen durch verpasste Chancen auszeichnet, deren Mitglieder am Ende aber doch über ihre 15 Minuten Ruhm, verteilt über knapp 30 Jahre, zufrieden sind. Im Film finden sich zahlreiche rührende und gefühlvolle Momente, die den Zuschauer mit Anvil mitfiebern lassen. Und das ist doch genau das, was man von einem guten Film erwartet, oder nicht?

The Story of Anvil gibt es als einfache DVD (preisgünstig zu beziehen z.B. bei Play.com) oder zusammen mit dem immer noch aktuellen Anvil-Album This is Thirteen. Auf der DVD befinden sich noch ein paar Extras wie entfallene Szenen, ein Interview mit der Band und auch mit Metallica-Schlagzeuger Lars Ulrich (ziemlich lang, aber leider nicht ganz so). Weitere Empfehlung hierzu: Die Anvil-Best of Anthology of Anvil gibt es sehr günstig für ein paar Euro zu kaufen und enthält wirklich alle „Hits“.


Homepage:
http://www.anvilthemovie.com
http://www.anvilmetal.com
http://www.myspace.com/anvilmetal




Mario Karl



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