Musik an sich


Reviews
Schubert, F. (Manze – Egarr)

Sonaten für Violine und Klavier op. 137, 1-3 & op. 162


Info
Musikrichtung: Romantik Kammermusik

VÖ: 19.11.2007

harmonia mundi / harmonia mundi
CD (AD DDD 2007) / Best. Nr. HMC 907445


Gesamtspielzeit: 78:35



"HÖRVERGRÖSSERER"

Franz Schubert auf den Spuren Mozarts. Stimmt und stimmt auch wieder nicht. Die frühen Sonaten für Violine und Klavier, die Andrew Manze und Richard Egarr hier in einer historisch informierten Einspielung vorlegen, transponieren Mozarts Musik samt all den heimeligen Stilblüten der Wiener Klassik in die Gefühlswelt der Romantik. Harmonisch wird manches plötzlich irritierend eingedunkelt; ein subjektiver Ausdruck zwischen Melancholie und Gelöstheit, Ironie und Tragik spricht aus nur noch vordergründig nonchalanten Wendungen. Die Melodie konzentriert vor allem in den langsamen Sätzen die musikalische Energie.

Den Reichtum der Musik habe ich allerdings noch nie zuvor so vernommen. Da ist Manze und Egarr eine wirklich großartige Interpretation gelungen. Sie demonstriert wieder einmal, dass es sich lohnt, auch die „Mittelalte“ Musik von der Alten Musik her zu erschließen.
Von wegen Salonstücke eines angehenden Genies! Diese Romantik verträgt Sensibilität, aber keine akustischen Aufheller und Weichzeichner. Man fühlt sich bei Manze und Egarr, als seien den Ohren „Hörvergrößerer“ aufgesetzt worden. Mit seiner ungemein reichen Artikulation zwischen Zartheit und Schroffheit sowie einer immer wieder überraschend breiten dynamischen Palette unterzieht Manze die Kompositionen einer Kontrastauffrischung, die ihnen nicht nur größere Farbigkeit verleiht, sondern überdies auch eine ungeahnte Tiefe und Ausdrucksintensität erschließt. Wenn hier Töne verschliffen werden oder vibrieren, dann geschieht dies nicht aus Gefühligkeit oder um einen großen Ton zu produzieren, sondern weil es „dramaturgisch“ und musikalisch sinnvoll ist. Egarrs Fortepiano klingt präsent, ohne die Violine zu bedrängen; sehr schön, wie sich die Timbres der beiden Instrumente ergänzen, gewissermaßen gegenseitig durchfärben, so dass die Frage nach Führung und Begleitung obsolet wird. Auch die Tempi mit ihren vielen spannungsvollen Übergängen sind klug durchdacht.
Dabei merkt man schon, dass die Aufnahme in einer Kirche gemacht wurde. Der Hall irritiert mitunter etwas; vor allem dann, wenn die Instrumente dadurch räumlich auseinanderrücken. Andererseits hat die so gewonnene Klangfülle ihren Reiz. Die Musik scheint aus der (historischen?) Ferne herüberzuklingen und wirkt doch ungemein plastisch und direkt.



Georg Henkel



Besetzung

Andrew Manze, Violine
Richard Egarr, Fortepiano


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