Musik an sich


Reviews
Händel, G.F. (Higginbottom)

Der Messias (Version 1751)


Info
Musikrichtung: Barock

VÖ: 18.09.2006

Naxos / Naxos (2 CD, DDD (AD: 2006) / Best.nr. 8.570131-32)

Gesamtspielzeit: 142:19

Internet:

Naxos

Academy of Ancient Music

Choir of New College Oxford



EIN BRITISCHER MESSIAS

Wenn es Händels "Messias" nicht gäbe, hätte die Plattenindustrie ihn erfinden müssen. Und seine zahlreichen unterschiedlichen Versionen gleich mit dazu. Denn Händel brachte das Werk mehrfach selbst an diversen Orten, und zwar jeweils mit einigen Änderungen, zur Aufführung. Nachdem so etwa das britische Label Linn daher jüngst mit einer Dubliner Version des Oratoriums aufwarten konnte (Dunedin Consort & Players, John Butt), stellt uns Edward Higginbottom bei Naxos die Fassung aus dem Jahre 1751 vor. Sie entstand zur Aufführung am Covent Garden bzw. am Foundling Hospital. Abgesehen von den Änderungen an zwei Arien war die Besonderheit hier, dass Händel in der Oberstimme des Chores wie bei den Soli Knabensoprane einsetzte und dieses sogar bevorzugte, indem er ihnen z.B. das I know that may redeemer liveth zuwies.

Higginbottom greift diese Traditionslinie auf, was allerdings nicht ganz so neu ist, wie man dem Publikum glauben machen möchte, sondern gerade in Aufführungen durch britische Ensemble früher schon zu hören war.
Der spezifisch britische Knabenchorklang, der dabei entsteht, bleibt immer noch Geschmackssache. Die Knabensoprane agieren hier durchaus energisch und der leicht rauhe Stimmcharakter wird nicht kaschiert. Dabei ist ihre Intonation und Artikulation aber von höchster englischer Kultiviertheit. Überhaupt hinterlässt der Chor einen positiven Gesamteindruck.

Auch die drei Sopransolisten machen ihre Sache recht ordentlich und oftmal durchaus anrührend. Unter diesen Bedingungen muss man sich indes damit zufrieden geben, wenn fehlerlos und klangschön gesungen wird. Einen besonderen Ausdrucks- oder Interpetationswillen wird man hier vergeblich suchen.
Dies passt indes nicht schlecht zu Higginbottoms Grundansatz: Zwar rezipiert er die Errungenschaften der historischen Aufführungspraxis, doch teilt er deren Aufgeregtheiten bewusst nicht. Er dirigiert einen "Messias", der von grosser innerer Ruhe und Kraft getragen wird, nicht vom äußerlichen dramatischen Moment. Das ist bisweilen durchaus wohltuend, an so mancher Stelle aber auch nicht mehr als solide oder bieder. Interessant sind die Rückungen in den Tempi einiger Chorsätze, denen Higginbottom damit noch manch neue Seiten abzugewinnen versteht.

Das Attribut "bieder" kommt übrigens auch dem Spiel der Academy of Ancient Music zu, die den Glanz früherer Tage schmerzlich vermissen lässt und sich mit einer nur routinierten Darbietung zufrieden gibt.
Unter den Solisten macht besonders Iestyn Davies eine gute Figur, dessen Counter der übliche Näselton vollständig fehlt; Davies hatte sich zuletzt schon in Vivaldis Griselda empfohlen. In der Tenorpartie ist Toby Spence mit angenehm junger Stimme bemüht, auf diskrete Weise auch das opernhafte Element zur Geltung zu bringen, während Eamonn Dougan (Bass) ganz auf den üblichen und manchmal zu salbungsvollen Oratorienton setzt.

Insgesamt eine durchaus gefällige Einspielung, mit der dem Katalog jedoch nichts essentiell neues hinzugefügt wird.



Sven Kerkhoff



Besetzung

Henry Jenkinson / Otta Jones / Robert Brooks, Knabensopran
Iestyn Davies, Countertenor
Toby Spence, Tenor
Eamonn Dougan, Bass

Academy of Ancient Music
Choir of New College Oxford

Ltg. Edward Higginbottom


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