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LUXUS AUF HOHER SEE

Info

Titel: LUXURY LINERS - Their Golden Age and the music played aboard

Verlag: Edel Entertainment

ISBN: 978-3-940004-51-2

Preis: € 39,95

130 Seiten

Internet:
earbooks

"And the band played on", so der Titel eines Romans über die Bordband der Titanic. Welcher Luxusliner, welche Kreuzfahrt käme ohne musikalische Untermalung aus. Nun, heutzutage bedröhnen die Schiffe der AIDA-Flotte und ihrer Konkurrenten die Weltmeere mit Partymucke. Da mag sich manch einer nach der guten alten Zeit zurücksehnen, als eine lange Schiffahrt noch etwas Besonderes war. So besonders, dass man zwei Schrankkoffer benötigte, um für den mindestens fünfmal täglichen Wechsel der Garderobe gerüstet zu sein - wer würde denn schon zum Tee in gleicher Kleidung erscheinen wollen wie zum Dinner?!? Und selbstverständlich braucht es auch einen bequemen Anzug (nicht Jogging-Anzug!) für das Sportprogramm.

Wer sich in diese Zeit zurückversetzen lassen möchte, wer der Atmosphäre zwischen Luxus und Lässigkeit an Bord nachspüren und wissen will, wie das war, als man nicht unbedingt reiste um irgendwo anzukommen, für den ist dieses Earbook genau das richtige.
Mit den Earbooks hat der Verlag Edel Entertainment eine Reihe konzipiert, die großformatige Fotobände mit passenden CDs kombiniert, um durch diesen multimedialen Ansatz die Fantasie des Lesers/Hörers anzuregen. Das funktioniert erstaunlich gut und besser als so mancher Dokumentarfilm. Der Vorteil liegt darin, dass jeder nach seinem eigenen Geschmack und Tempo die alten Fotos betrachten, hin- und herblättern und die Gedanken schweifen lassen kann.
Dabei lernt er auf den hervorragend reproduzierten Fotos nicht nur die berühmtesten Kreuzfahrtschiffe des 20. Jahrhunderts - vor allem bis in die 60er Jahre - kennen, sondern kann zugleich Details der Schiffsbaukunst, der Mode und der Inneneinrichtung studieren. Letztere ist besonders bemerkenswert, etwa durch das gekonnte Understatement der Bordsalons in den 50er Jahren oder die spacige Ausstattung in den späten 60ern.
Das Werk ist dabei vollkommen undidaktisch angelegt. Mit erläuternden Texten - sowohl zu den Fotos, wie zur Musik - braucht man sich also nicht aufzuhalten. Es ist ein ganz entspannter Genuß für Augen und Ohren. Wer mehr wissen möchte, wird in anderen Büchern fündig werden.

Die Musik ist kenntnisreich ausgewählt. Auf vier CDs findet man von Tango bis Charleston, von leichter Salon-Musik zum Fünf-Uhr-Tee bis zum swingenden Big-Band-Sound für den abendlichen Ball alles, was musikalische Eleganz und Unterhaltung in jener Zeit ausmachte.
Mir persönlich gefällt dabei die erste CD am besten, denn sie wartet mit Originalaufnahmen aus den 20er und 30er-Jahren und allen auf, die damals im Swing Rang und Namen hatten: Juan Llossas, George Boulanger und Teddy Stauffer. Die Klangqualität der alten Konserven ist erstaunlich gut und die raue Patina des Mono-Sounds passt hervorragend zu den alten Scharz-Weiß-Fotos. Die Salon-Musik auf der zweiten CD wird überwiegend vom Ensemble Prima Carezza zu Gehör gebracht, welches sich darauf spezialisiert, in unserer Zeit diese Musik des frühen 20. Jahrhunderts wieder zum Klingen zu bringen. Es präsentiert eine sehr unterhaltsame musikalische Weltreise en miniature, leise Gespräche im Hintergrund und leichtes Klappern der Kuchengabeln und Teelöffel evozieren Live-Atmosphäre und lassen einen noch besser in die Welt an Bord eintauchen.
Die dritte CD bestreitet der, wie es so schön heißt, aus Funk und Fernsehen bekannte Thilo Wolf mit seiner Big Band bzw. seinem Orchester. Auch wenn die Arrangements handwerklich von erster Güte sind, sind wir hier doch beim swingenden, massenmedientauglichen Klang angelangt, der in seiner Glätte auffallend "heutig" wirkt und daher nicht recht zur Vorstellung von den alten Luxuslinern passen will.
Dafür lassen einen sowohl unsere Zeitgenossen Theo Bleckmann und Michael Kaeshammer, als auch der gut alte Sonny Rollins, dessen Glanzzeit die 50er waren, auf der letzten Scheibe mit ihrer Barmusik perfekt den Sternenhimmel überm Ozean imaginieren und wiegen einen mit musikalischen Wellenbewegungen dem Traum vom unbeschwerten Dasein an Bord entgegen.

Sven Kerkhoff


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