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C. Daniel Boling, Gewinner des renommierten Kerrville Folk Festivals, stellt sich unseren Fragen

Info

Gesprächspartner: C.Daniel Boling

Zeit: .7...19.

Ort: Wilhelmshaven / Albuquerque (New Mexico)

Interview: E-Mail

Stil: Singer / Songwriter

Internet:
http://www.danielboling.com

2015 war es, als unser Mitarbeiter Wolfgang Giese C.Daniel Boling und seine Frau Ellen kennen lernte. Er hatte anlässlich einer Europatournee des Folkmusikers ein Konzert in der Kneipe „Zur Scharfen Ecke“ in Sande organisiert. Es war eine wunderbare Erfahrung, und wer auf den guten alten Folk, wie man ihn von Woody Guthrie oder Pete Seeger kennt, steht, der kam voll auf seine Kosten. Denn Dan‘l (so schreibt er sich gern) spielt genau in dieser Erzähltradition der alten Folksongs und begleitet sich dabei auf der Gitarre oder der sogenannten Banjitar, das ist ein Gitarren/Banjo-Hybrid. Bei ein oder zwei ausgewählten Songs begleitet ihn seine Ehefrau als Sängerin.
In diesem Zusammenhang vielen Dank an Dan’l und Ellen für die wunderschöne Freundschaft, die Ihr uns geschenkt habt. Mit Euch haben wir äußerst freundliche, zugewandte, tolerante und fantastische Menschen kennen gelernt, etwas Seltenes auf dieser Welt.
2014 war es übrigens, dass Dan’l als einer der Gewinner des renommierten Kerrville Folk Festivals in Texas einen großen Erfolg erlebte. Die Eheleute sind sehr viel auf Reisen und eigentlich ständig unterwegs. Zwei Jahre später nach dem ersten Konzert sollte uns der Weg noch einmal persönlich zusammenführen. Und weitere zwei Jahre später nahm sich der Musiker nun die Zeit, sich für ein Interview zur Verfügung zu stellen. Und er hat sich viel Mühe mit den Antworten gegeben.



MAS: “…once upon a time“, so beginnen oft viele Märchen. Dein persönliches Märchen begann in Deutschland. Erzähle uns mehr darüber!

C. Daniel Boling: Mein Vater war Offizier in der US-amerikanischen Luftwaffe und in Bremerhaven stationiert, zu der Zeit, als meine Schwester und ich geboren wurden. Unsere Familie kehrte in die Staaten zurück als ich erst sechs Monate alt war, so kann ich mich an Deutschland gar nicht mehr erinnern. Aber in den letzten Jahren kehrte ich zurück und besuchte Bremerhaven und viele andere Orte in Deutschland. Welch ein wunderbares Land voller freundlicher und netter Menschen!

MAS: Nachdem Ihr Deutschland verlassen habt, wo hattet Ihr Euch zuerst niedergelassen in den USA?

C. Daniel Boling: Von Deutschland zogen wir nach San Angelo, Texas, dann weiter nach Okinawa, Japan, dann wieder zurück nach Texas, aber dieses Mal nach San Antonio. Von San Antonio zogen wird dann nach Bloomington, Indiana, zu der Zeit, als ich eingeschult wurde. Ab der Sekundarstufe zog es uns dann nach Misawa, Japan.

MAS: Welche waren Deine ersten musikalischen Erfahrungen? Spielte jemand aus der Familie Musik? Gab es zum Beispiel ein bestimmtes Radioprogramm, dem Du zuhörtest?

C. Daniel Boling: Meine Mutter und meine älteste Schwester, Malinda, sangen die ganze Zeit im Haus. So wuchs ich in dieser Atmosphäre auf und sang ebenfalls. Mutter war eine Amateur-Folksängerin und spielte Autoharp. Sie sang in Schulen und als wir in Misawa, Japan, lebten, bestritt sie ihr eigenes Programm im Armed Forces-Fernsehen. Ihr Programm nannte sich Mother Hubbard’s Cupboard und Mutter und Melinda sangen alte Volkslieder mit kleinen Gruppen von Kindern meines Alters, ich war auch dabei. Meine Frau Ellen und ich singen heute noch einige dieser alten Volkslieder, wenn wir gelegentliche Konzerte in Altenheimen geben, und die Menschen dort lieben es, diese Songs zu hören.

MAS: Welches war das erste Livekonzert, bei Dem Du dabei warst und welchen Künstler/welche Band spielte?

C. Daniel Boling: Die allererste Liveshow, an die ich mich erinnere, war in San Antonio, Texas. Mutter nahm mich mit zu einem Konzert von Roy Rogers und Dale Evans. (Anm.: die beiden waren ein Ehepaar und sangen Countrymusik)

MAS: Welche Musik hinterließ bei Dir den ersten großen Eindruck und warum?

C. Daniel Boling: Die erste Musik, die ich außerhalb von zu Hause hörte und an die ich mich wirklich erinnern kann, war diese auf diesen Tonbändern, die mein Vater aus der Air Force-Bücherei mitbrachte, das waren Aufnahmen des Newport Folk Festival der frühen 60er Jahre. Diese Songs erzählten Geschichten und es war toll gespielte Musik, aber meistens war ich in meiner Vorstellung gefangen von den Geschichten, die die Songs erzählten, und so geht es mir noch heute, auch ich verfolge diesen Weg.

MAS: Welches war Dein erster Lieblingskünstler/Deine erste Lieblingsband?

C. Daniel Boling: Das ist eine sehr lange Liste, und ich bin nicht wirklich sicher, welcher Künstler zuerst genannt werden sollte. So werde ich die Frage etwas eingrenzen in die Sparte Songwriter anstatt Künstler generell, OK? Der erste Songwriter, der mich in sehr direkter Weise berührte und mich nicht losließ im Kopf, das war Harry Chapin. Es brach mir das Herz, als ich erfuhr, dass er gestorben war. (Anm.: 1981) Ich sah ihn leider nie persönlich auftreten, aber ich liebte seine Schallplatten und Songs, die im Radio liefen. Ich hatte die Ehre, zusammenmit seinem Bruder Tom nun schon einige Male aufzutreten, und seine Musik liebe ich auch.

MAS: Hat irgendein Musiker einen dauerhaften Eindruck auf Dich hinterlassen?

C. Daniel Boling: Ja, sicher, und erneut ist das eine ganz lange Liste. Leute, die schon ganz früh dort einen Platz gefunden haben, als ich jung war, waren Songschreiber wie Tom Paxton, Steve Goodman, John Prine, Pete Seeger, Arlo Guthrie, Harry Chapin, Cat Stevens, Steven Fromholz, und ein wenig später noch Guy Clark, Townes Van Zandt, Tim Henderson und viele viele mehr….

MAS: Seit wann spielst Du Musik für Deinen Lebensunterhalt?

C. Daniel Boling: Mal mehr, mal weniger bin ich öffentlich aufgetreten seit den frühen Siebzigern, aber für meinen Lebensunterhalt begann ich im Jahre 2008 zu spielen. Seitdem bin ich hauptberuflich überall in den USA unterwegs, aber auch in Deutschland, den Niederlanden, Neuseeland, Australien und Kanada.

MAS: Du lebst nun in Albuquerque, New Mexico. Seit wann lebst Du dort?

C. Daniel Boling: Ellen und ich und unsere beiden Kinder, zwei Bassetts, zwei Katzen und ein Becken voller Fische zog vor 22 Jahren aus Gresham, Oregon, wo wir sieben Jahre lang lebten, dorthin.

MAS: Du erzähltest uns, dass Du als Ranger gearbeitet hattest. Wo und wann war das?

C. Daniel Boling: OK, diese Frage hat eine lange Antwort, die ich in zwei Teilen beantworten muss…
Nach drei Jahren Universitätsstudium überredete mich ein Freund vom College mit ihm zum Big Bend National Park an der mexikanischen Grenze zu ziehen. Er hatte dort einen Job als Kellner im Park-Restaurant, und ich arbeitete dort dann im Sommer als Rezeptionist im Touristenhotel in den Bergen, das war das Chisos Mountains Lodge. Ich liebte diesen Nationalpark und wollte gern länger dort bleiben, so ließ ich das Herbstsemester sausen und arbeitete weiter dort. Der Job war nicht großartig, aber das Wandern, Bergsteigen und Kanufahren waren herausragend. Und da war dann noch dieses Mädchen….


MAS: Du bist glücklich verheiratet. Wie hast Du Deine Frau kennengelernt? Ich erinnere mich, es hatte etwas mit Musik zu tun, dem Pfeifen eines Songs…(???)

C. Daniel Boling: Hier kommt also der zweite Teil…., und Ellen kann die Geschichte viel besser als ich erzählen. Als ich also im Big Bend National Park als Rezeptionist in der Lodge arbeitete, war Ellen dort bereits als National Park Ranger beschäftigt. Ihre Aufgabe war es, die ganzen Pfade hoch in den Chisos Mountains abzuwandern und sich um Wanderer und Camper zu kümmern und sie bei den einfachen Zeltplätzen und Ausschilderungen zu unterstützen und einiges mehr in diesem Umfeld. Da gab es, und es gibt sie noch, eine kleine Hütte in den Bergen, nur zugänglich zu Fuß oder mit einem Pferd. Ellen lebte dort jeweils eine Woche lang und wanderte dann zurück, um 2 freie Tage zu haben. An einem ihrer freien Tage kam sie hinüber zur Lodge, und da waren recht viele Leute in der Lobby und im Restaurant, und einer der Angestellten der Lodge fragte, eigentlich an niemanden speziell gerichtet: „Wo kommen nur all‘ diese Leute her?“.
Als Antwort startete mit einem Vortrag eines Monologs aus einer bekannten amerikanischen Comedy-Bühnen-Show, The Music Man, und sagte: „It’s the Model T Ford made the trouble,
Made the people wanta go, wanta get, wanta get, wanta get up and go
Seven, eight, nine, ten, twelve, fourteen, twenty-two miles to the County Seat
Yes, sir, yes, sir …”
, und so weiter…
Nun, als das geschah, erinnerte ich mich, dass ich einige Jahre vorher, während der High School, die Hauptrolle einer Produktion genau dieser Szene aus der Show gespielt hatte. Und der Monolog, den Ellen vortrug, war genau der Teil des Dialogs der Figur, die ich gespielt hatte - Professor Harold Hill.
Als Ellen dem Angestellten somit diesen Vortrag hielt aufgrund seiner arglosen Frage, kam ich hinter dem Hotelschalter hervor und begann diese Versen ebenfalls zu rezitieren, und schon bald standen uns Ellen und ich von Angesicht zu Angesicht gegenüber und trugen uns diese Zeilen gegenseitig vor, um festzustellen, wer wirklich alle Wörter davon kannte. So tragen wir uns damals, 1979 im Big Bend National Park.
Als dann das Frühlingssemester beginnen sollte, beendete ich meinen Job und widmete mich wieder dem Studium, änderte jedoch die Richtung hin zur “Park Administration”, so konnte ich mich qualifizieren als National Park Ranger. Ein Jahr später war ich zurück in Big Bend und arbeitete für den National Park Service! Dort blieb ich für zehn Jahre und wechselte hin und her zwischen verschiedenen Parks: Big Bend National Park (Texas); Mesa Verde National Park (Colorado); Chaco Culture National Historical Park (New Mexico); San Antonio Missions National Historical Park (Texas); und Padre Island National Seashore (Texas).
Ellen hatte zwischenzeitlich ihre Arbeit als Park Ranger fortgesetzt, aber meistens nicht in den Parks, in denen ich stationiert war, einschließlich dieser: Isle Royale National Park (Michigan); Lincoln Boyhood National Memorial (Indiana); Lake Mead National Recreation Area (Nevada); Sequoia/Kings Canyon National Park (California); Death Valley National Park (California); Carlsbad Caverns National Park (New Mexico), und dann haben wir es geschafft, im gleichen Park zusammenzuarbeiten, im Chaco Canyon in New Mexico! Dort haben wir noch gearbeitet, als wir 1983 dann heirateten. Wir arbeiteten dort eine Weile zusammen, bis ich erneut einen Job in Big Bend bekam, während sie weiter in Chaco tätig war. Ellen’s Job war dauerhaft, aber meiner wechselte saisonabhängig, und ich musste halt dort arbeiten, wohin ich versetzt wurde. So waren wir verheiratet und lebte 800 Meilen voneinander entfernt. Sechs Monate später übernahm ich dann eine Arbeit im Mesa Verde National Park in Colorado so dass wir nur noch 150 Meilen voneinander entfernt waren, und das war sehr viel besser! Mein nächster Posten war dann zurück in Chaco und dann zogen wir zusammen nach San Antonio, Texas und arbeiteten gemeinsam im dortigen Missions National Park. Danach sind wir noch oft umgezogen, aber immer zusammen.

MAS: Wann hast Du Deinen ersten Song aufgenommen?

C. Daniel Boling: Das hängt von der Definition ab, vermute ich. Ich nahm einige von mir geschriebene Songs auf Tonbandkassetten auf während der Highschool in den frühen Siebzigern. Diese Band gibt es schon lange nicht mehr, aber wir haben noch einige Liveaufnahmen aus den mittleren und späteren Siebzigern, als ich in Clubs in Lubbock, Texas, spielte und damals im Umland von Big Bend nahe der mexikanischen Grenze.

MAS: Wann hast Du Deine erste Platte veröffentlicht?

C. Daniel Boling: Mein erstes Album erschien vor zwanzig Jahre, 1999. Es heißt Perfectly Stable – ein Doppel-Album mit 22 Songs, und nur 5 davon hatte ich selbstgeschrieben. Im darauffolgenden Jahr veröffentlichtt ich mein zweites Album mit dem Titel Welcome Home, und das waren alles Eigenkompositionen.

MAS: Gibt es einige Musiker oder Bands, die Dir aktuell sehr gut gefallen?

C. Daniel Boling: Ich höre mir eigentlich gar keine Musik aus dem Mainstream an. Wenn ich mir mal etwas anhöre, und das kommt nicht oft vor, dann lausche ich meistens meinen Kumpels aus dem Bereich Folk und Songwriter, die, mit denen ich auch auf Tourneen unterwegs bin, wie zum Beispiel Jack Williams, Jaimie Michaels, Still On The Hill, Jono Manson und einige ander, gute Freunde, dessen Musik ich liebe und die mich inspiriert hat.

MAS: Gibt es einen bestimmten Song, den Du wirklich liebst und den Du gern selbst geschrieben hättest?
C. Daniel Boling: Da gibt es viele, zwei davon stechen besonders hervor: „In My Eyes” von Tim Henderson (und einige andere von Tim) und „Outlaws Dream” von Jack Williams (und auch hier viele andere von ihm).

MAS: Gibt es irgendwelche Musiker, die Du gern als Begleiter auf einiger Deiner Platten dabei gehabt hättest?

C. Daniel Boling: Ich habe meine Aufnahmen im Laufe der Jahre immer spärlicher gestaltet, aber ich war gesegnet damit, einige hochtalentierte Freunde zu haben, die mir bei meinen Plattenaufnahmen mithalfen, unter anderem Jack Williams, Still On The Hill, Jono Manson, Bill Hearne und einige mehr. Ich kann nicht an jemanden speziell denken, den ich nicht bereits dabei gehabt hätte!

MAS: Wann warst Du erstmalig auf einer Europatournee?

C. Daniel Boling: Meine erste Tournee in Europa war im Frühling des Jahres 2015, und dann erneut im Frühling 2017.

MAS: Gibt es irgendwelche Unterschiede im Publikum verschiedener europäischer Staaten? Und gibt es generell Unterschiede zum amerikanischen Publikum? Welche Unterschiede sind besonders hervorzuheben?

Daniel live in Sande

C. Daniel Boling: Viele Dinge sind ähnlich, aber einige Dinge sind auch verschieden. Ich denke, mehr Menschen in Europa sind vertraut mit dem Konzept von „Listening Rooms“, Örtlichkeiten, wo der Fokus komplett auf die Musik gerichtet ist und nicht in Konkurrenz treten muss mit anderen Dingen, die rundherum geschehen. Außerdem ist es so, dass mein Publikum in Europa stets SEHR reaktionsfreudig war und begeistert von der Musik. Leute in den Staaten sind das zwar auch, aber in Europa ist es oft in einem unterschiedlichen Ausmaß. Bei meinem ersten Konzert in Europa lernte ich, dass ich stets eine weitere Zugabe parat haben musste, weil das Publikum oft nicht mit nur einer Zugabe zufrieden war, sie verlangten immer eine zweite und manchmal gar eine dritte oder vierte! In den USA ist eine Zugabe üblich, manchmal sogar gar keine, es hängt auch vom Rahmen ab, vom Teil des Landes, in dem man spielt, und von vielen anderen Faktoren.

MAS: Was denkst Du darüber, wenn Du in einem Club spielst und die meisten Leute im Publikum wollen eigentlich gar nicht Deiner Musik zuhören, sondern sich lieber laut unterhalten und diskutieren? Bist Du in der Lage, das zu ignorieren oder bist Du wütend darüber?

C. Daniel Boling: Nun, die Lieder, die ich schreibe, erzählen meistens Geschichten. Und das macht dann wirklich keinen Sinn, solche Songs zu spielen für Leute, die nicht wirklich zuhören und sich mit der Geschichte beschäftigen, um die es geht, sie verpassen den ganzen Inhalt und den Zweck des Textes, wenn sie nur teilweise zuhören. So bin ich vorsichtig damit, möglichst dort nicht zu spielen, wo die Musik nur eine zweitrangige Rolle spielt. Ich möchte, dass das Publikum sich an der Musik erfreut, und ich will das Publikum erfreuen!

MAS: Du/Ihr reist recht viel in der ganzen Welt. Gibt es ein bestimmtes Land, in dem Du/Ihr schon warst/wart und in dem Du/Ihr für immer bleiben möchtet?

C. Daniel Boling: Überall, wo Ellen und ich reisten, war es faszinierend. Da gibt es so viele Orte, wo wir uns vorstellen könnten, für immer zu bleiben, aber – unsere Kinder leben in New Mexico, so kommen wir immer wieder heim! Sie sind erwachsen und führen ihr eigenes Leben, klar, aber wir möchten gern dort leben, wo wir so oft wie möglich mit ihnen zusammen kommen können.

MAS: Im Jahre 2014 bist Du beim Kerrville Folk Festival in Texas aufgetreten. Du warst damals unter den gewählten Gewinnern. Kannst Du Dich noch gut an dieses besondere Ereignis erinnern und daran, wie es sich anfühlte, unter den Gewinnern dieses großartigen Festivals zu sein? Seit wann hast Du dort gespielt und bist Du noch heute dort aktiv? Ich hörte, Du wurdest mittlerweile auch Bandmitglied der berühmten Limeliters?

C. Daniel Boling: Ja, ich werde mich immer erinnern an den Sommer 2014, an das Kerrville Folk Festival!
Das erste Mal, dass ich teilnahm, war bereits 1978, so glaube ich. Damals war ich mehr oder weniger einer der vielen Leute, die Songs spielten für Alle, die sich auf dem Camp-Gelände aufhielten, und ich dachte nicht im Traum daran, dass ich eines Tages einer der Künstler sein werde, der gebucht wurde, um auf der Hauptbühne zu spielen. In den frühen Achtzigern war ich mit Ellen dort und danach zogen wir fort nach Kalifornien und Oregon und konnten es nicht arrangieren, die Reise nach Kerrville zum Festival anzutreten. Aber vor 22 Jahren, als die Familie von Oregon nach Albuquerque, New Mexico, zog, war das nahe genug, etwas weniger als 700 Meilen, um jedes Jahr für ein paar Tage zum Festival zu reisen. So waren wir in den letzten 22 Jahren stets dabei, und seit den letzten 11 Jahren sind Ellen und ich für die ganzen drei Wochen des Festivals dort. Das ist schon eine ganz besondere Gemeinschaft von Menschen und wir sind so stolz darauf, Teil dessen zu sein.
Der Songwriter-Wettbewerb, genannt “New Folk“, in Kerrville, ist einer der angesehensten in der Welt, soweit mir bekannt ist. „“New Folk“ akzeptiert Songs bis zu 800 Songschreibern jährlich und wählt davon 32 aus als Finalisten. Ich reichte zuerst Songs für den Wettbewerb ein in den Achtzigern und einige andere Male seit dann und 2014, als ich dann endlich ausgewählt wurde für die Finalrunden. Diese 32 Finalisten kamen zum Festival und konkurrierten darum, einer der sechs Gewinner mit Auszeichnung, die jedes Jahr gewählt werden, zu sein. 2014 wurde ich insofern großartig geehrt dadurch, als einer der sechs Gewinner gewählt zu werden!
Die sechs Gewinner gehen anschließend auf eine gemeinsame Tournee durch Texas im darauffolgenden November, um eine Woche lang Konzerte zu geben, die vom Festival arrangiert werden. Und so lernt man sich gegenseitig und die Songs der anderen besser kennen. Wir haben so lebenslange Freundschaften schließen können mit diesen wunderbaren talentierten Menschen, ebenso wie mit so vielen anderen, die Teil der Kerrville Folk Festival-Familie wurden.
Ich bin beim Festival seit 2014 jedes Jahr danach aufgetreten und freue mich darauf, auch in der Zukunft dort weiter spielen zu können. Jetzt, wo ich gerade diese Zeilen verfasse, sind Ellen und ich gerade aus Kerrville zurückgekommen. Wie immer, hatten wir tolle Erfahrungen machen können, um alte Freunde wiederzutreffen und neue Freundschaften zu schließen und letztlich überwältigt zu sein von all den tollen Songs!
Du hattest die Limeliters erwähnt – ja, in der Tat! Das Trio gründete sich 1959 und über die Jahrzehnte gab es etliche personelle Veränderungen. Ich bin gerade dem aktuellen Trio beigetreten und wir hatten unseren ersten gemeinsamen Auftritt beim diesjährigen Kerrville Folk Festival. Im September werden wir eine Tournee durch die USA unternehmen und unsere Konzerte werden gemeinsam stattfinden mit dem Kingston Trio und/oder The Brothers Four, zwei legendären Bands, die vor Jahrzehnten ihre Karriere starteten und noch heute das Publikum begeistern nach all den Jahren. Es ist eine große Ehre für mich und eine gewaltige Freude, mit Andy Corwin und Steve Brooks aufzutreten und ich freue mich bereits auf zukünftige gemeinsame Konzerte. Besucht uns doch bitte auf der Homepage.

MAS: Du hast für Perfectly Stable Records aufgenommen. Warst Du oder bist Du interessiert daran, auch einmal für ein großes (Major-) Label aufzunehmen? Oder hältst Du lieber Abstand davon?


C. Daniel Boling: Meine ersten fünf Platten wurden auf meinem eigenen Label veröffentlicht - Perfectly Stable Music. Im Jahr 2013 wurde ich eingeladen, dem angesehenen unabhängigem Songwriter-Label Berkalin Records beizutreten, das hat seinen Sitz in Houston, Texas. Meine letzten drei Alben wurden alle auf Berkalin veröffentlicht.

MAS: Würdest Du Deinen musikalischen Stil ändern, wenn Dir jemand eine Menge Geld versprechen würde, die Musik zu spielen, die man von Dir verlangt? Falls es so wäre, welche Musik würdest Du spielen, um in populäre Charts zu gelangen?

C. Daniel Boling: Nein, das wird nie passieren. Ich schreibe und spiele die Art von Songs, die mich interessieren, und ich bin dankbar dafür, wenn sich auch andere Menschen dafür interessieren.

MAS: Gibt es einen sehr besonderen Song unter all’ denen, die Du geschrieben hast, den Du am meisten liebst und warum?

C. Daniel Boling: Ich habe einige Favoriten. Wie die meisten Songschreiber, so vermute ich, tendiere ich dazu, verliebt zu sein mit dem, was ich aktuell vollendet habe, aber einige Songs haben die Zeit gut überstanden und bleiben auch im meinem Konzert-Repertoire, während andere im Laufe der Jahre herausfallen. Einer meiner liebsten Songs ist „Ruby Slippers“. Dieses Stück repräsentiert eine deutliche Veränderung in meinem Stil und ich glaube, das ist einer der besten, die ich geschaffen habe. Warten wir es ab, was in der Zukunft noch kommen wird, um ihn zu ersetzen – wer weiß?

MAS: Sind Deine Texte meistens autobiografisch oder mehr fiktiv?

C. Daniel Boling: Sicher von beiden etwas. Aber selbst, wenn die Entwicklung einer Geschichte fiktiv ist, das Herz und die Seele stellen stets so etwas sie eine emotionale Landschaft des Songs dar. Egal, woher ein Songwriter eine Geschichte ausfindig macht, die Emotionen, die in einen selbstgeschriebenen Song einfließen, kommen in der Regel aus der eigenen Lebenserfahrung des Songschreibers, insofern, wenn man es so betrachtet, sind sie doch alle autobiografisch, nicht wahr?

MAS: Oft hört man, dass die Zeiten für CDs und LPs auslaufen und dass es nur noch Downloads geben wird, um Musik zu konsumieren. Was denkst Du darüber? Wird das so geschehen? Und welche Konsequenzen wird das für Dich als Musiker geben?

C. Daniel Boling: Die CD-Verkäufe sind sicherlich rückläufig in etwa dem letzten Jahrzehnt, aber bei Konzerten verkaufen sie sich doch viel besser als von mir angebotene Downloads. Der Tag des Endes der CD mag sicher kommen, so wie es bei den LPs war und anderen Formaten, die es zwischenzeitlich gab. Wie der griechische Philosoph Heraclitus einst vor langer Zeit sagte: „Das einzig Konstante im Leben ist die Veränderung“! Insgesamt betrachtet hat sich das Geschäftsgebaren für Künstler stark verändert. Vor Jahrzehnten tourten viele Musiker mit finanziellem Verlust, nur um ihre Schallplatten zu vorzustellen, dort, wo das wahre Geld vorhanden war. Aber das war für einige Zeit nicht immer die Norm, denn eine Tour muss sich allein tragen, und Plattenverkäufe sind ein netter Bonus, aber nicht der Kernbereich.

MAS: Zu guter Letzt, gibt es noch irgendetwas Spezielles, dass Du den Lesern von „Musik An Sich“ mitteilen möchtest?

C. Daniel Boling: Ich bin so privilegiert zu reisen und Musik zu teilen mit wunderbaren Menschen in der ganzen USA und überall in der Welt. Es ist leicht, angesichts so vieler politischer Unruhen und Phrasen zynisch zu werden, aber die erstaunlichen Menschen, die Ellen und ich täglich treffen, während wir reisen, erneuern ständig unsere Hoffnung und lassen uns optimistisch bleiben, dass sich Dinge gut entwickeln können. Musik kann so viel Gutes bewirken, und ich habe vor, für den Rest meines Lebens Musik zu machen.

MAS: Danke, Daniel, oder – Dan’l, dass Du uns Deine Zeit geschenkt hast für dieses Interview, und selbstverständlich auch an Ellen, die sicher wesentliche Fakten hat beitragen können.

Nachfolgend ein Link zur Rezension des aktuellen Studioalbums.

Wolfgang Giese


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