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Artikel

Chris Rea überrascht mit seinen Roadsongs für Liebhaber

Info

Künstler: Chris Rea

Zeit: 01.11.2017

Ort: München - Philharmonie

Chris Rea war mir nur durch die Hits bekannt, die man im Radio hört. Dass er eigentlich ein begnadeter Blues-Gitarrist ist, wurde mir erst durch das ungewöhnliche Album The Return of the Fabulous Hofner Bluenotes bewusst. Seit seiner schweren Bauchspeicheldrüsenkrebs-Erkrankung macht er nur noch die Musik, auf die er gerade Lust hat. Warum auch nicht, Hits hat er ja schließlich genug geschrieben. 30 Millionen verkaufte Schallplatten sprechen für sich. Für seine Plattenfirma muss es wie ein Albtraum geklungen haben. Von daher waren die Trennung und die Eröffnung eines eigenen Labels nur die logische Konsequenz. Mit einer Tour des Engländers habe ich nicht mehr gerechnet und war folglich sehr überrascht, als die Tourdaten anlässlich seines neuen Albums Road Songs For Lovers bekannt gegeben wurden.

In der Münchener Philharmonie habe ich noch nie ein Konzert besucht. Dementsprechend überwältigt bin ich von dem mit 2.500 Sitzplätzen ausgestatteten Konzertsaal. Alles ist mit Holz verkleidet, die Sitze gehen wie in einem Hörsaal stufenförmig nach unten. Hier finden sonst viele klassische Konzerte statt, auf die Akustik bin ich infolgedessen sehr gespannt. Das Publikum besteht zum Großteil aus der Generation „55 Plus“, was bei dem Alter von Chris Rea (66 Jahre) auch nicht weiter überrascht. Das Bühnenbild besteht aus mehreren Gitarren, die bogenförmig über der Bühne aufgehängt sind. Das Besondere daran ist, dass es sich um die Gitarren handelt, die Rea für sein Album Blue Guitars gemalt hat.

Pünktlich um 20 Uhr betreten Chris Rea und seine Begleitband die Bühne. Bei perfektem Sound und Licht geht es mit „The Last Open Road“ los. Das Publikum begrüßt den 2010 letztmals in München zu Gast gewesenen Musiker mit offenen Armen. Chris Rea hält sich nicht lange mit Ansagen oder Geschichten auf. Er tut das was er am besten kann und lässt einfach die Musik für sich sprechen. Seine Stimme klingt exakt wie auf seinen Alben, vom Volumen her ist sie sehr beeindruckend!

Im Zentrum des Konzerts steht sein aktuelles Album, das er mit fünf Songs verhältnismäßig ausführlich vorstellt. Begleitet wird Rea von einer phantastischen Band bestehend aus zwei Keyboardern, einem Gitarristen, Bassist und Schlagzeuger. Vor allem die zwei Keyboarder sorgen für eine perfekte Umsetzung seiner Songs. Bläser, die bei Rea doch sehr häufig vorkommen, werden komplett vom Keyboard eingespielt. Im Bühnenhintergrund ist eine Leinwand postiert, auf der die Songs mal mehr, mal weniger optisch untermalt werden. Dies ist jedoch immer so dezent, dass es nicht von der Musik ablenkt.

Mit „Josephine“ wird der erste große Hit vom Stapel gelassen. Selbst die Ballade wird von ihm so kraftvoll und begeistert intoniert, dass man sich der Magie des Stückes nicht entziehen kann. „Julia“ wird im Vergleich zum Original anders präsentiert, wobei mir die Live-Version nicht ganz so gut gefällt. Bei „Stainsby Girls“ wird er nur vom Piano begleitet, was auch wieder seinen ganz eigenen Reiz hat. Mit diesem „Triple“ erweist er den drei wichtigsten Frauen in seinem Leben die Ehre – seinen beiden Töchtern und seiner Ehefrau. Auch hier wieder: Der Mann ist konsequent, keine wird vergessen.

Doch der „Schmusesänger“ kann auch anders. Bei etlichen Songs packt er eine doch recht brachiale Slide-Gitarre aus. Die lässt er heulen, wimmern, röhren und rockt dabei, dass es eine wahre Freude ist. Ich hätte nie gedacht, dass der Mann live so Gas gibt! Immer wieder schaut er demonstrativ ins Publikum, winkt und animiert die Fans zum Mitfeiern, was meistens gelingt. Magisch wird das Ganze, als „Road To Hell Part I“ ertönt. Rea zieht die gesprochenen Parts hier genauso durch wie auf dem Album, was schon sehr kultig ist und recht düster daherkommt. „Road To Hell Part II“ ist nicht minder interessant, für mich ist der Song definitiv das Highlight des Konzerts. Die Projektionen auf der Leinwand tun ihr übriges, um den Sinn des Songs zu verdeutlichen. Danach ist der reguläre Teil leider auch schon beendet.

Doch Chris Rea gibt natürlich ein paar Zugaben. „On The Beach“ wird mit einem Reggae- und Jazzteil versehen, bei denen er persönlich seine Bandmitglieder ausgiebig vorstellt. Auch hier ist er ganz der feine englische Gentleman, der seinen Musikern sichtlich Respekt entgegenbringt. Bei „Let’s Dance“ hält es niemanden mehr auf den Sitzen. Rea selbst tanzt auf der Bühne, was leicht hölzern aussieht. Bei mir würde es noch viel schlimmer aussehen, von daher geht diese einzige „Showeinlage“ durchaus in Ordnung. Hier erlaubt sich das Schlitzohr einen Spaß. Er erzählt während des Songs, dass er zu einer Disco gehen wollte und der Türsteher hat ihn nicht hereingelassen. Begründung: Er wäre zu alt! Rea entgegnet ihm, dass man „nie zu alt zum Tanzen“ wäre, was vom Publikum mit Jubelstürmen quittiert wird.

Danach ist nach 110 Minuten Feierabend. Das Publikum ist aus dem Häuschen und feiert den sympathischen Engländer. Es wird sogar noch eine Zugabe gefordert, aber mehr ist leider nicht mehr drin. Ich bin von dem Konzert überrascht und überwältigt. Überrascht, weil Rea trotz gesundheitlicher Rückschläge musikalisch und gesanglich einen astreinen Auftritt hingelegt hat. Überwältigt, weil er richtig gerockt und der „Schmusefraktion“ gezeigt hat, was eine regelrecht Slide-Gitarren-Harke ist.


Setlist:
The Last Open Road
Happy On The Road
Nothing Left Behind
Josephine
Easy Rider
Two Lost Souls
Julia
Money
Looking for the Summer
Stony Road
'Til the Morning Sun Shines on My Love and Me
The Road Ahead
Stainsby Girls
The Road to Hell (Part 1)
The Road to Hell (Part 2)
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On the Beach
Let's Dance

Stefan Graßl


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