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Motörhead waren in Berlin nur dritter Sieger. Anthrax hatten die Nase vorn.

Info

Künstler: Motörhead

Zeit: 05.12.2012

Ort: Velodrom, Berlin

Besucher: 7.500

Veranstalter: Trinity Concerts

Fotograf: Norbert von Fransecky

Dass ein Motörhead-Konzert zu laut ist, ist soweit okay. Das gehört zum Image der Band. Und dass der Sound des Velodroms alles andere als eine Offenbarung ist, ist hinreichend bekannt. Was Motörhead ihren Fans am Vorabend des Nikolaustages in Berlin in die Schuhe gestopft haben, war aber eine glatte Unverschämtheit.

Das Konzert war nicht einfach nur zu laut. Der Klang war schlicht unterirdisch. Insbesondere von Lemmys Gesang blieb nicht viel mehr übrig als verzerrter, kaum identifizierbarer Lärm. Anscheinend beschäftigt Lemmy einen Mixer, der sich im gleichen Alter wie der knarzende Bassist befindet, sich aber bei Weitem nicht so gut gehalten hat, wie sein Chef. Und dass das Trio zum Ausgleich wenigstens eine packende Live-Show geboten hätte, lässt sich nun wirklich nicht sagen.

Lemmy beschränkte sich darauf auf seinem Platz zu stehen, den Bass zu maltraitieren und ins Mikro zu grunzen. Bei klarem Sound hätte dieser stoische Gleichmut vielleicht seinen Reiz gehabt, aber so … Mikkey Dee verschwand völlig hinter seinem Kit. Zwar drosch er mit Hingabe auf seine Kessel ein. Zu sehen war von ihm aber nichts. Nur gelegentlich blitzte die blonde Haarmähne über den Becken auf. Phil Campbell bewegte sich mit seiner Gitarre zwar etwas mehr als Lemmy. Er durfte auch mal ein längeres Solo einschieben.


Insgesamt wirkte er aber vor allem aus der Nähe desinteressiert und lustlos. Eine packende Vorstellung sieht definitiv anders aus.
Phil Campbell


Das Ganze war so unerträglich, dass ich etwas getan habe, was ich in meiner ganzen Zeit als Musik-Journalist nur ein oder zwei Mal gemacht habe. Nach 45 Minuten habe ich die Segel gestrichen und das Konzert vorzeitig verlassen. Und das bei einem Konzert auf das ich mich lange gefreut hatte. Dem Großteil des Publikums war das offenbar wurscht. Zwei Mal musste das Konzert verlegt werden und die Nachfrage hat ausgereicht auch das dritte und größte Venue praktisch auszuverkaufen. Von den Rängen wirkte der ovale Innenraum wie ein wogendes, gegen die Bühne anbrandendes Meer, aus dem die Security immer wieder einzelne Personen in den Fotograben rettete.

Auf der Rückfahrt lag dann eine Motörhead-Live-CD im CD-Player und der Wunsch diese(!) Band live zu sehen wurde wieder lebendig. Aber so ist mir die Vergewaltigung von Klassikern wie „Ace of Spades“ und „Bomber“, die Motörhead sicher im Programm hatten, erspart geblieben.

Erschwerend kam hinzu, dass vor Motörhead fünf entfesselte Musiker eine energiereiche Best of Show abgeliefert haben. Zwar war auch bei Anthrax der Sound des Gesangs gelegentlich grenzwertig, aber ansonsten war der Sound (zu) laut, aber relativ klar und so sauber, dass der oft recht unterschiedliche Charakter der Stücke gut zum Tragen kam. Alterserscheinungen oder Müdigkeit waren nicht einmal im Ansatz zu spüren. Joey Belladonna und Scott Ian sprangen wie Flummies über die Bühne. Der harte Thrash wurde mit enthusiastsicher Hingabe zelebriert und spätestens als plötzlich ein Bild von Ronnie James Dio auf der Bühne erschien und Anthrax dem kürzlich verstorbenen Sänger ein Stück widmeten, hatte die Band die Herzen des Publikums gewonnen. Ein Fan verzichtete sogar auf sein Dio-Shirt, warf es auf die Bühne, wo es sich Belladonna sofort schnappte und überzog.
Diaries of a Hero

Anthrax waren mit diesem Auftritt die klaren Gewinner des Abends. Aber auch der opening act Diaries of a Hero war besser zu genießen, als die eigentlichen Stars des Abends. Zwar fehlte der vierköpfigen Truppe noch etwas die Routine, um ihren mit progressiven Versatzstücken gespickten Thrash Metal wirklich sauber über die Rampe zu bringen. Bin mal gespannt, wie das auf CD klingt. Ansonsten gab es aber nichts zu mäkeln. Das Quartett poste wie Teufel und tat alles, um der schon halbwegs gefüllten Halle eine gute Show zu liefern. Es war zwar nur ein kleiner harter Kern, der das wirklich honorierte und die Band abfeierte, aber das lässt hoffen, dass deren Begeisterung irgendwann Kreise zieht.

Very strange war das Ende der Show. Während die Band ihr letztes Stück spielte kam ein Roadie zum Schlagzeug und transportierte nach und nach die Becken samt Ständer von der Bühne. Dem Drummer machte es nichts aus. Sein Thrash Groove funktionierte auch ohne sie.

Norbert von Fransecky


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