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Ides of Gemini: Inspirierender Gesang mit düster-harten Kulisse

Info

Gesprächspartner: Ides of Gemini

Zeit: 19.06.2012

Stil: Rock/Metal, „Dream-Doom“

Internet:
http://idesofgemini.com
http://idesofgemini.blogspot.com
http://idesofgemini.bandcamp.com

IDES OF GEMINI sind eine (noch) ziemlich unbekannte Band. Allerdings nicht mit komplett unbekannten Mitgliedern. Initiator ist J. Bennet - seines Zeichens Musikjournalist für diverse Magazine in den USA. Bass und vor allem Gesang steuert Sera Timms bei, die man ansonsten von der Band Black Math Horseman kennt. Ergänzt wird das Trio von Schlagzeugerin Kelly Johnston. Sollte man die Musik der Band umschreiben, tut man sich gar nicht so leicht. Traumhafter Doom, elfenhafter Postrock mit teils ziemlich schwarzen Gitarren, hart-boshafte Psychedelia, schlurfende Düsternis mit gleißend heller Verpackung? Schwierig. Man muss es hören - oder noch viel besser fühlen. Lässt man sich darauf ein, nimmt einem vor allem Sängerin Sera mit ihrer fast geisterhaft-faszinierenden Stimme gefangen, auch wenn die Musik vielleicht nicht unbedingt das Prädikat „leichtgängig“ verdient. Eintauchen und genießen ist die Devise des Debütalbums Constantinople (VÖ 13.07.). Die Ausstrahlung der Band macht ziemlich neugierig und so klingelten wir bei J. Bennet durch, um ein paar mehr Details über IDES OF GEMINI zu erfahren. Ein Gespräch unter Kollegen quasi. Und ein unterhaltsames, bisweilen auch witziges noch dazu.


J., wie würdest Du Eure Musik einem Außerirdischen beschreiben?

Gute Frage. Spricht der Außerirdische unsere Sprache? Oder muss ich Handzeichen verwenden? Ich mache mal weiter und unterstelle, das Alien spricht nicht unsere Sprache. Also zeige ich ihm - oder ihr - das universelle W-Handzeichen für „West Coast“. So denkt er vielleicht wir klingen wie Tupac Shakur. Natürlich wäre der Außerirdische dann ziemlich überrascht. Und wer mag schließlich keine Überraschungen?

Kommen wir mal etwas zur Geschichte von Ides of Gemini. Welches Ereignis führte zur Gründung dieses Projekts?

Würdest Du mir glauben wenn ihr Dir erzähle, das Ereignis war, als Byzas, Sohn des griechischen Seegottes Poseidon, 657 vor Christus das Orakel von Delphi befragte und das Orakel ihm mitteilte, dass er eine Stadt am schwarzen Meer gründen solle? Denn ich glaube das war es, was die Kette an Ereignissen in Gang setzte, die zur Gründung von Ides of Gemini führte. Aber sehr viel aktueller - irgendwann gegen Ende 2009 in etwa - hab ich mich entschieden zu versuchen, ein paar Songs zusammen zu schustern, zu denen Sera singt. Ich schleppte damals das Equipment für Black Math Horseman und habe ihr Merchandise verkauft. Also hatte ich jede Menge Gelegenheiten sie singen zu hören. Und ihre Stimme war - und ist - wirklich inspirierend.

Man kennt Dich eigentlich nur als Musikjournalist und nicht als Musiker. Spielst Du denn schon länger Musik?

Ich begann das Gitarrespielen als ich 16 Jahre alt war. Aber zwischen 19 und 32 hab ich das Instrument kaum angefasst. Also musste ich das Spielen zum Schreiben dieser Lieder erst wieder neu erlernen.

Dann war es sicher eine neue Erfahrung Deine eigene Stimme zu finden, anstatt nur Sachen anderer zu spielen oder ihren Stil zu kopieren.

Ich habe nur ein paar kleine Sachen vor Ides of Gemini geschrieben und nichts davon waren ganze Lieder. Es war anfangs schwer meine eigene Stimme zu finden. Aber sobald ich die Gitarre wieder in die Hand nahm, habe ich es vermieden Song anderer Bands zu spielen die ich als Teenager gelernt hatte. Ich bin überzeugt, dass dies der Schlüssel zum Schreiben des eigenen Materials war: Ich habe mich dazu gezwungen.

Was hat Dich beim Schreiben besonders beeinflusst? Oder hast Du in kompletter Isolation in Deinem Keller ohne Tageslicht und Kontakt zur Außenwelt geschrieben und geprobt?

Besitzt Du einen solchen Keller? Hat er fließendes Wasser? Wann kann ich dort einziehen? Alle Songs wurde speziell für Seras Stimme geschrieben. Das ist also der Haupteinfluss. Ich höre viel Black Metal und das schlägt auch in einigen Stellen durch - das nach Black Metal klingende Riff in „Reaping Golden“ ist mein Versuch ein Immortal-Riff zu schreiben. Aber das war es auch schon was musikalische Einflüsse angeht. Das kann ich sicher sagen, denn ich habe zu der Zeit überwiegend Thin Lizzy und Tangerine Dream gehört. Und ich denke nicht, dass jemand sagen kann, wir klingen wie diese Bands.

Ides of Gemini hat auch einen leichten Black Metal- und gewissen Doom-Vibe. Hast Du ebenso daran gedacht, als ihr die Songs das erste Mal gespielt habt?

Am meisten dachte ich, dass es cool wäre so spielen zu können wie John Sykes auf dem Whitesnake-Album 1987. Aber Sera hätte nichts davon. Jedoch wollte ich - wie erwähnt - ein Black Metal-Element mit einbeziehen. Ich mag es Black Metal-Riffs zu spielen, ohne eine solche Band zu sein. Ich bevorzuge es mehr das atmosphärisch einzusetzen, als gleich die ganze Ästhetik zu übernehmen.

Die Musik selbst klingt, als wäre sie mehr als eine reine Begleitung für Seras Gesang. Entstehen die Stücke von Ides of Gemini dann auch zuerst mit den Texten?

Die Musik kam zuerst. Aber die Songs wurde speziell dafür geschrieben, dass Sera dazu singt. Sie ist sozusagen der Star der Show, soweit wie ich es sagen kann. Meine Rolle ist es eine passende Kulisse zu schaffen.

Seras Texte wirken philosophisch und metaphorisch. Kannst Du vielleicht etwas Licht ins Dunkel bringen, von was sie handeln? Oder ist es Teil der Mystik, die Interpretation dem Hörer zu überlassen?

Sera wurde es definitiv vorziehen, jegliche Interpretation dem Hörer zu überlassen. Aber ich kann Dir sagen, dass alles Songs von Zerstückelung handeln - von der Welt oder der Realität abgeschnitten zu sein oder buchstäblich eine Extremität zu verlieren.

Apropos Mystik: Ist es nicht schwer in unserer Internetwelt, in der jeder jeden Furz auf Twitter und Facebook postet, geheimnisvoll zu bleiben? Wie wichtig ist Euch generell das Image?

Die Leute denken, dass Internetfürze nicht so arg stinken wie echte. Aber bisweilen sind sie noch schlimmer. Und unser Image, hm? Wir möchten gut aussehen. Und wir riechen nach Rosen.

Um das weiter zu führen: Wie wichtig sind Projektionen und die Ästhetik Eurer Konzerte? Ist es eine Art Bonus oder ein Teil des ganzen Bilds?

Gut klingen und gut aussehen geht Hand in Hand. Wenn Bands auf der Bühne wie Penner rüberkommen, kann das den ganzen Eindruck versauen. Glücklicherweise sehen Sera und Kelly immer gut aus und sie tragen gewöhnlich auf der Bühne weiße Kleider. Der Bonus ist, wenn ich dann auch noch gut aussehe. Ich bin rund zwei Meter groß und deswegen ist es schwer ein schönes Kleid in meiner Größe zu finden.

Siehst Du Eure Musik als Kunst oder „nur“ als Unterhaltung - oder gibt es überhaupt einen Unterschied zwischen diesen beiden Etiketten?

Reine Kunst und reine Unterhaltung haben ihren Platz in der Welt. Aber ich glaube nicht, dass wir eines davon anstreben. Reine Kunst beugt sich der Anmaßung, reine Unterhaltung schlurft in Richtung Stumpfsinn. Der einzige Unterschied ist die Zielgruppe. Wir sind weder Snobs noch Einfaltspinsel. Es gibt viel Platz dazwischen.

Warum nennt sich das Album Constantinople - hast Du eine besondere Beziehung zur Türkei?

Ich träumte von Konstantinopel. Als ich aufwachte, schien es so, als wäre der Traum eine Nachricht gewesen, das Album so zu nennen. Es ist mir aufgefallen, dass Konstantinopel bzw. Istanbul über die Jahrhunderte von vielen verschiedenen Leuten und Kulturen bewohnt und regiert wurde. In diesem Sinne hat diese Stadt für viele Leute viele Bedeutungen. Treib diesen Gedanken auf die Spitze und die Stadt könnte für jeden so ziemlich alles bedeuten. Es ist ein leeres Gefäß, gefüllt von Geschichte, Religion und Krieg. Die Byzantiner, Osmanen und modernen Türken haben bzw. hatten alle ihre eigenen Chancen das zu genießen und zu zerstören. Warum sollten wir das nicht auch tun?

Wie lange habt ihr an dem Album gearbeitet und wie wurde es eingespielt?

Vier Songs davon hatten wir bereits für die EP The Disruption Writ aufgenommen, die im November 2010 veröffentlicht wurde. Die Musik für einen weiteren Songs - „Old Believer“ - wurde ebenso in dieser Zeit geschrieben. Die verbleibenden vier wurden im Sommer 2011 geschrieben, als ich mit einer Rückenverletzung im Bett lag. Die Aufnahmen liefen sehr schnell ab. Alle neun Songs wurden innerhalb von fünf Tagen von Chris Rakestraw in den Sunset Lodge Recordings in Los Angeles aufgenommen und abgemischt. Wir spielten Schlagzeug und Bass live mit skizzenhaften Gitarren und Gesang ein und nahmen danach ordentliche Gesangs- und Gitarrenspuren auf. Es war fantastisch mit Chris zu arbeiten. Er erledigt die Sachen - und das ziemlich flott.

Warum habt ihr die Songs der EP für das Album neu aufgenommen? War es weil ihr jetzt mit Kelly eine richtige Schlagzeugerin habt, wo es vorher nur ein Drumcomputer war?

Das war der Hauptgrund. Wir wollten die Lieder aber auch in einem ordentlichen Studio neu einspielen. The Disruption Writ wurde zu Hause aufgenommen. Die Tempi einiger Songs haben sich auch etwas verändert seitdem wir live spielen. Das sollte sich ebenso im Album widerspiegeln.

Ich habe mitbekommen, dass derzeit eine Tour für September geplant wird. Unter anderem spielt ihr auf dem South of Mainstream Festival. Aber was steht sonst noch in nächster Zeit an?

Die Musik für ein weiteres Album ist bereits fast fertig. Ich habe bis jetzt sieben Songs zusammen. Die meisten davon sind ganz anders als das Material von Constantinople. Falls es mit der Europatour klappt, werden wir wahrscheinlich einen davon live spielen. In Kürze nehmen wir ein neues Stück für einen Soundtrack auf, der eine wortlose Grafiknovelle unseres Freundes Tom Neely begleitet.

Ich danke Dir für das unterhaltsame und informative Interview, J.!




Mario Karl


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